MISS MAY I

Foto© by Quinten Quist

Familie

Irgendwie dreht sich alles im Gespräch mit Sänger Levi um die Familie: Sei es das neue Album, zu großen Teilen inspiriert durch seine eigene Familie, die Zuwachs bekommen hat, oder seine Band, in der er schon die Hälfte seines Daseins verbracht hat. Auf gewisse Weise eben auch seine Familie.

Ihr seid jetzt seit etwa 15 Jahren dabei – ihr habt also die Hälfte eures Lebens in der Band verbracht. Fühlt sich das manchmal verrückt an?

Auf jeden Fall. Wir reden oft darüber, wie viel Glück wir haben, dass wir immer noch zusammen auftreten können, und wie surreal es ist, dass wir das immer noch tun können. Wir haben MISS MAY I in der Highschool gegründet, einfach als Kids, die die Musik spielen wollten, die sie gerne hörten – wir hatten das gar nicht geplant, und jetzt sind wir einfach eine große Familie. Ich kann mir ein Leben ohne diese Jungs nicht mehr vorstellen.

Was, würdest du sagen, ist das Beste daran, bei MISS MAY I zu sein, nachdem du so viel Zeit damit verbracht hast? Gibt es etwas, das du bereust?
Es ist schwer, das Beste zu benennen, weil es unser Leben in vielerlei Hinsicht positiv verändert hat: die Freundschaften, die wir über die Jahre geschlossen haben, alles, was wir auf der Welt sehen und erleben durften, das Zusammenwachsen als Band und die gegenseitige Unterstützung. Ich denke, das Beste daran, bei MISS MAY I zu sein, ist die Gemeinschaft, die wir geschaffen haben – es ist unsere Familie. Obwohl wir durch die Hölle gegangen sind – zu oft abgezockt, unser Anhänger mit Equipment wurde in Italien gestohlen usw. –, wissen wir alles zu schätzen, was wir heute haben. Es war alles notwendig, um dahin zu kommen, wo wir jetzt sind.

Metal und Metalcore haben sich im Laufe der Jahre verändert, es gab neue Bands, neue Trends und alte Bands, die verschwunden sind, und einige heiße neue Bands, die ihrem Hype nicht gerecht werden konnten. Nachdem du schon so lange Teil der Szene bist, welche Veränderungen hast du im Laufe der Jahre innerhalb der Szene und auch in deiner Musik festgestellt? Und wie haben sich MISS MAY I an diese Entwicklung angepasst?
Die Szene hat sich seit den Anfängen von MMI so sehr verändert, dass es schwer ist, sie mit der von damals zu vergleichen. Die Umstände waren damals einfach so anders. Die Warped Tour zum Beispiel war ein riesiges Vehikel für Künstler wie uns, um zu gedeihen und zu wachsen, und ohne das ist es für Metal-Künstler jetzt ein ganz anderes Ding, eine Chance zu erhalten, zu touren und diese Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber Metalbands haben jetzt Spotify, Playlisten, soziale Medien und mehr, was wir damals nicht hatten, um unsere Fanbase zu vergrößern. Die Möglichkeiten sehen also im Laufe der Zeit anders aus, aber die Nutzung neuer Tools, sobald sie verfügbar sind, hat uns geholfen, uns ständig anzupassen.

„Curse Of Existence“ ist euer neues Album, das erste, für das ihr mehr als zwei Jahre gebraucht habt, um es zu veröffentlichen. Die Pandemie ist offensichtlich ein Grund dafür – gibt es auch noch andere? Inwiefern hast du das Gefühl, dass das Album von der längeren Veröffentlichungszeit im Vergleich zu euren alten Platten profitiert hat?
Aufgrund der Pandemie und der Tatsache, dass wir das Album nicht in Verbindung mit einer Tournee herausbringen mussten, hatten wir mehr Zeit, um die Platte zu machen, die wir wollten. Meine Frau und ich bekamen außerdem unsere Tochter einige Monate vor dem Shutdown, und während sie eine große Inspiration für das Album war, haben wir auch die Zeit mit ihr genossen und unseren Alltag entschleunigt. Die zusätzliche Zeit, die wir hatten, hat das Album zu etwas gemacht, worauf wir sehr stolz sind. Wir haben sogar vieles mehrfach aufgenommen, weil wir die Zeit hatten, das zu verändern, womit wir nicht zufrieden waren, oder Teile neu zu schreiben, von denen wir wussten, dass sie besser sein könnten. Das hatten wir vorher noch nie, und ich denke, dass jeder, der während der Pandemie Musik aufgenommen hat, von diesem Luxus profitiert hat.

Ich habe das Gefühl, dass die Platte eine reifere Version der Band zeigt, würdest du dem zustimmen? Inwiefern ist die Band deiner Meinung nach in den letzten fünf Jahren weiter gereift?
Ganz genau. Ich denke, wir klingen natürlich reifer, weil wir auch als Band reifer sind, nachdem wir in fast zwei Jahrzehnten so viel zusammen erlebt haben. Wir sind an einem Punkt in unserer Karriere angelangt, an dem MMI nicht mehr unser einziger Fokus ist, und ich denke, ein bisschen davon spiegelt sich auch in unserer Musik wider – wir kehren einfach zu unseren Wurzeln zurück und spielen die Musik, die wir lieben, weil wir sie lieben und nicht wegen irgendetwas anderem.

Kannst du uns sagen, was mit „Curse Of Existence“ gemeint ist? Wie würdest du das erklären?
Das sind die allgemeinen Karten, die wir in diesem Leben erhalten haben. Die gleichen Karten, mit denen jeder anfängt, und mit denen man macht, was man will. Ein „Fluch“ bringt nicht nur Unglück, manche bringen auch Glück und Freude. Das sind einfach Dinge, die das Leben mit sich bringt und die unvermeidlich sind, aber dennoch für jeden Einzelnen ganz einzigartig. Ein neues Leben in diese Welt zu bringen und zu erfahren, was das wirklich bedeutet, hat mir mehr und mehr gezeigt, dass jede „Existenz“ die gleiche Hand hat.