OFFENSIVE HERBST 78 und SNOPZ

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30.05.1980, Bremen

Die Musikszene Anfang der Achtziger lebte von unzähligen kleinen Konzerten, meist von Fans organisiert. So auch das Konzert am 30.05.1980 in einem Bremer Gymnasium (Hamburger Straße). Vier Bremer Bands, SNOPZ, WERWOLF, BEBOP AFFEN UNTER STROM, A5, sowie die Verdener OH78 sind angekündigt. Ungewöhnlich früh, schon nachmittags um 18 Uhr, beginnt das Konzert. Dementsprechend jung ist auch das Publikum. „Kindergartenpunks“ schreibt später ein Fanzine. Mit Schrecken wird mir bewusst, dass ich hier altersmäßig gut als der Aufsicht führende Erdkundelehrer durchgehen würde. Veranstaltungsort ist ein relativ kleiner Raum mit transportabler Bühne, in dem eigentlich nicht viel kaputtgehen kann.

„Auf der Bühne spielen lernen“ trifft für viele Bands zu, denn Übungsräume sind knapp. Vieles muss improvisiert werden. Wenn man keinen Mikrofonständer hat, dann werden eben schnell ein paar Latten zusammengekloppt. Ein Mischpult ist überflüssig. Einfach ein Schlagzeug, zwei/drei Verstärker und Boxen auf die Bühne geschleppt und man kann loslegen. Den Anfang machen OFFENSIVE HERBST 78, die sich kurze Zeit später in OH87 umbenennen. Sie kommen aus Verden, einer Kreisstadt südöstlich von Bremen. Wie der Name schon sagt, wurde die Band schon vor einiger Zeit gegründet und hat sich durch intensives Touren und diverse Tape-Veröffentlichungen auch überregional einen Namen gemacht. Überhaupt ist Verden in dieser Zeit ein Zentrum für unabhängige Bands. Mitte der Achtziger Jahre sind etwa dreißig Punk-, Post-Punk- und Wave-Bands in Verden aktiv. Einige von ihnen erreichen auch überregionale Beachtung, zum Beispiel OH87, KASTRIERTE PHILOSOPHEN, THE TREMOR SENSE und AGEN 53, um nur einige zu nennen. Ein frühes Zeugnis dieser Szene ist die 1981 in Eigenregie veröffentlichte Doppel 7‘‘ „Katastrophe Province“.

Mit zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug liefern OH 78 erstklassigen Krach. Selbstgeschriebene kurze, schnelle Punk-Stücke mit eigenwilligen deutschen Texten. Einflüsse sind sicherlich WIRE und TELEVISION PERSONALITIES, ohne diese zu kopieren. Dem Publikum gefällt’s, und es wird ausgiebig gepogt und mit Bier gespritzt.

An die nächsten beiden Bands, WERWOLF und die BEBOP AFFEN UNTER STROM, habe ich leider keine Erinnerung mehr. Doch dann kommen SNOPZ. Obwohl auch schon vor zwei Jahren gegründet, habe ich von den SNOPZ vorher noch nichts gehört. Einige der Musiker sind mir aber schon von anderen Bremer Bands bekannt. Die SNOPZ spielen keinen harten Punk, eher Wave. Auch hier sind Einflüsse von WIRE deutlich zu hören. Überhaupt ist nicht zu überschätzen, welchen Impact deren 77er Album „Pink Flag“ auf viele Bands hatte.

Im Laufe ihres Auftritts kommen immer mehr Leute auf die Bühne. Zum Schluss drängeln sich gleich zwei Sängerinnen und ein Sänger um das einzige Mikrofon. Aber auch das ist typisch für die frühen Achtziger. Selbst die Besetzung einer Band kann während eines Auftritts wechseln.

Im Monat darauf sehe ich SNOPZ noch einmal bei einem denkwürdigen Gig inmitten einer aufgelassenen Sandgrube im norddeutschen Nirgendwo. Die Besetzung hat sich inzwischen geändert und die Band steht wohl kurz vor der Auflösung. Nur ein Beitrag auf einem Kassetten-Sampler und ein Tape mit Heimstudio- oder Studioaufnahmen hat die Zeit überdauert.

Die letzte Band, A5, habe ich leider nicht mehr mitbekommen. Krawall soll es dann zum Schluss auch noch gegeben haben, als ein Feuerlöscher geleert und anschließend durch ein geschlossenes Fenster ins Freie befördert wird. Gegenseitige Beschuldigungen, aufgeregter Hausmeister, verwirrte Polizei ... man kennt das. Das Fanzine Wachturm zitiert später den „Wachtmeister XY“: „Jetzt blicke ich hier überhaupt nicht mehr durch! Wer ist denn nun Punk und wer ist New Waver?“ Das war ja 1980 noch alles „Neuland“ für die ältere Generation.