OFFSPRING

Es ist nicht leicht, ein Star zu sein – und das ist man ja wohl, wenn man die eine oder andere Million Schallplatten verkauft hat, die eine oder andere Milliarde Spargroschen auf’s Konto schaufeln konnte und weltweit zum Teenieschwarm avancierte. Genau das ist vor bald drei Jahren bekanntlich den bis dahin ziemlich undergroundigen Orange County-Punks THE OFFSPRING passiert, und genauso lange hat es auch gedauert, bis die vier diesen Schreck verdaut hatten und Anfang Februar endlich ihr neues Album „Ixnay On The Hombre“ präsentieren.

Ende letzten Jahres wurden Sänger und Gitarrist Dexter Holland (mittlerweile seiner geflochtenen Dread-Mähne verlustig gegangen und jetzt bieder-kurzhaarig unterwegs) sowie Basser Greg K. als Vorauskommando nach Amsterdam geschickt und der hungrigen Pressemeute zum Fraß vorgeworfen. Letzterer sabotierte dieses Unternehmen mit hartnäckigem Schweigen, dafür war Dexter (der eigentlich Brian heißt) umso gesprächiger.
Erschienen ist „Ixnay On The Hombre“ nur zur Hälfte auf dem OFFSPRING-Stammlabel Epitaph, das in der Weltkifferhauptstadt sein europäisches Hauptquartier aufgeschlagen hat. Bei 8,5 Millionen verkauften Platten gab es in den den letzten 30 Monaten einiges zu verteilen, das schaut jeder, wo er bleibt und versucht sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Die nach Außen sichtbare Folge dieses Hauens und Stechens hinter den Kulissen ist, dass je nach Land das neue Album entweder auf Epitaph oder dem Major Columbia erscheint. Epitaph hatten noch eine Option auf dieses Album, deshalb diese Konstruktion.
„Wir hatten uns vor einigen Monaten entschieden, Epitaph definitiv zu verlassen, auch wenn uns das schwer fiel“, erklärt Dexter. „Immerhin hatten wir mit ihnen zusammen unseren Riesenerfolg, und es war schon eine geniale Sache, mit minimaler Promotion und auf einem Indie-Label so weit zu kommen. Die Entscheidung, Epitaph zu verlassen, fiel uns wirklich nicht leicht, aber die Situation war folgende: Epitaph war plötzlich eine große, wertvolle Firma und Brett Gurewitz teilte uns mit, dass er zumindest Anteile daran verkaufen werde – an eine Major-Company. Für uns hätte das bedeutet, ohne weiteres Zutun unsererseits, ebenfalls an einen Major verkauft zu werden. Wir wollten uns diese Entscheidung aber nicht aus der Hand nehmen lassen. Und da erschien es uns logisch, selbst aktiv zu werden. Wir sind allerdings nicht hausieren gegangen, sondern unser Manager Larry Tull hat vorsichtig die Fühler ausgestreckt. Er managt auch SOCIAL DISTORTION, die ja bei Epic sind – Epic und Columbia sind im Prinzip ein und dasselbe Label – und wohl recht zufrieden. Wir haben denen klipp und klar gesagt, was wir wollen und erwarten. Zum Beispiel, dass wir beim Aufnehmen des Albums in Ruhe gelassen werden wollen, wir niemanden vom Label im Studio sehen wollen und sie vorab rein gar nichts von uns zu hören bekommen werden. Die haben sich darauf eingelassen, und damit war das für uns o.k.“
Produzent des neuen Werks ist übrigens nicht mehr Thom Wilson, der die Band seit ihren Anfangstagen hinter dem Mischpult betreute, sondern der auch nicht gerade unbekannte Dave Jerden. „Thom hat seit unserem ersten Album alles von uns produziert, hat uns überhaupt erst beigebracht, wie man aufnimmt, denn wir waren blutige Laien“, erzählt Dexter. „Er hat uns in all der Zeit sehr viel geholfen, aber nach sieben, acht Jahren war sowohl ihm wie uns klar, dass jeder mal was neues ausprobieren möchte. Bei „Ixnay On The Hombre“ haben wir deshalb erstmals mit Dave Jerden gearbeitet. Ich mag den Sound der Alben von JANE’S ADDICTION, ALICE IN CHAINS und SOCIAL DISTORTION und hatte das Gefühl, er könnte auch mit uns klarkommen.“
Die Erwartungen an das neue Werk sind allenthalben groß: Die Fans, das Label, Freunde und die Presse setzen die Band dem Druck aus, auch diesmal wieder einen Millionenseller hinzulegen. Wie geht man damit um? Dexter: „Pah, was sollen wir denn tun? Wir sind doch auch nur Menschen, und können natürlich auch mal versagen. Das Coole war ja, dass „Smash“ damals erschien und niemand übermäßig große Erwartungen hatte, doch dann war es auf einmal ein Hit-Album. Und plötzlich fangen die Rezensenten an festzustellen, dass die Platte ja eigentlich gar nicht so toll sei. Was erwarten die denn? Das sollte gar nie ein musikalischer Meilenstein sein, sondern war einfach nur ein gutes Punkalbum, das wir ohne große Ambitionen eingespielt hatten. Man wird aber auf einmal nach ganz anderen, nach viel höheren Kriterien bewertet. Mit unseren Konzerten ist es genauso, da stehst du plötzlich sehr großen Erwartungen gegenüber und kannst die eventuell auch mal nicht erfüllen. Wir lassen einfach alles auf uns zukommen, was sollen wir auch sonst tun?“
Grund zu (Flop-)Sorge gibt „Ixnay On The Hombre“ nicht, denn das vierte Album des OC-Vierers bietet keine Überraschungen, sondern den altgewohnten, gefälligen OFFSPRING-Punkrock. Den Segen von einem, der ziemlich genau weiß, was etwas taugt und was nicht, haben sie jedenfalls – den von Jello Biafra nämlich. Der einstige DEAD KENNEDYS-Frontmann und heutige Kopf von Alternative Tentacles Records lieh THE OFFSPRING sein Lästermaul für das „Disclaimer“ betitelte Intro. „In Amerika verklagt bekanntlich jeder jeden wegen so ziemlich allem“, holt Dexter zu einer Erläuterung aus. „Zum Beispiel habe ich mal bei einem Konzert eine leere Plastikwasserflasche ins Publikum geworfen, und daraufhin hat mich jemand verklagt, weil die Flasche ihn angeblich am Auge getroffen und verletzt hat. Disclaimer, um auf den Punkt zu kommen, sind diese Warnhinweise, die man mittleweile auf jedem Produkt findet, etwa bei Plastiktüten, auf denen steht „Von Kindern fernhalten, nicht über den Kopf ziehen, sonst Erstickungsgefahr“, wo man also sagt, der Konsument solle aufpassen, sich nicht verletzen und der Hersteller der Ware übernehme keine Verantwortung für die Folgen. Unser Disclaimer macht sich über diese ganze Sache lustig, denn bei uns gibt es natürlich Gründe genug, solche Warnungen auszusprechen. Der Songtitel „Cool to hate“ etwa ist ja keine echte Aussage, sondern ein ironischer Kommentar, aber da natürlich immer die Gefahr besteht, jemand könnte das wörtlich nehmen, muss man eigentlich einen Disclaimer dazupacken: „Achtung, das ist ein Witz!“. Naja, Jello lässt sich eben über diesen Komplex aus, denn wenn man, ganz übertrieben, bei jedem Witz dazuschreiben muss, dass es ein Witz ist, hast man einerseits den Witz ruiniert und andererseits den Intellekt desjenigen, der sowas liest, beleidigt. Uns hat es jedenfalls sehr gefreut, dass Jello bereit war, mit uns zusammenzuarbeiten, denn wir alle bewundern ihn natürlich alle seit den DEAD KENNEDYS.“
Was es mit dem wörterbuchresistenten Albumtitel auf sich habe, frage ich Herrn Holland zum Abschluß noch, nicht ohne vorauszuschicken, dass ich wohl wisse, wie langweilend diese Frage normalerweise ist. „Kein Problem“, meint der, und doziert folgendes: „Ixnay ist ein Wort aus dem Hispano-Slang Südkaliforniens, den wir „Pig Latin“ nennen. Die Kids picken sich ein Wort raus, etwa „ring“, nehmen den ersten Buchstaben weg, hängen ihn hinten wieder an und packen „ay“ dazu. Aus „ring“ wird also „ingray“. Mit etwas Übung kannst du damit ganze Sätze formulieren, und das hat den Vorteil, dass Uneingeweihte, vor allem natürlich Erwachsene, keinen blassen Schimmer haben, was da geredet wird. „Ixnay“ ist also usprünglich „nix“, und in Schweinelatein heißt das soviel wie „jemanden loswerden“. „Hombre“ ist spanisch für „Mann“, womit der Satz dann soviel heißt wie „Get rid of The Man“. „The Man“ bezeichnet die Autoritäten ganz allgemein, so dass eine Übersetzung in richtiges Englisch lauten könnte „Fuck authority“.