ROADRUNNER UNITED

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Ziemlich einzigartig

2005 wurde zum 25. Geburtstag des Labels Roadrunner ein besonderes Album veröffentlicht: „Roadrunner United – The All-Star Sessions“. Um aufzuzählen, wer alles daran beteiligt war, bräuchte man noch einige weitere Seiten, aber man kann wohl sagen, dass es so ziemlich jeder war, der damals und auch bis heute einen Namen in der Metal-Szene hatte. Nun wird das Release erneut veröffentlicht. Wir sprechen mit Monte Conner über das Projekt, denn am Ende war es sein Verdienst, auch wenn er als Musiker selbst gar nicht dabei war.

Dass es das Projekt „Roadrunner United“ überhaupt gibt, ist hauptsächlich dir zu verdanken. Da du aber sonst eher hinter den Kulissen arbeitest – wer bist du eigentlich?

Ich bin Monte Conner, ehemals Senior VP A&R bei Roadrunner Records. Ich war von 1987 bis 2012 bei dem Label und habe neunzig Prozent aller Metalbands, die ihr aus dieser Zeit kennt, unter Vertrag genommen. Ich war auch derjenige, der Mitte 2004 das Konzept für „Roadrunner United“ entwickelt hat, nachdem der Eigentümer des Labels, Cees Wessels, mich gebeten hatte, mir etwas auszudenken, um das für 2005 anstehende 25-jährige Jubiläum auf angemessene Art und Weise zu begehen. Ich stand unter großem Druck, mir etwas ganz Besonderes einfallen zu lassen. Bis zum heutigen Tag ist das Album etwas völlig Einzigartiges. Niemand hatte je eine solche Platte gemacht und niemand hat es seitdem getan, obwohl einige es versucht haben, siehe etwa das „Nuclear Blast All-Stars“-Album. Ich würde es als den stolzesten Moment in meiner gesamten Karriere bezeichnen. Es hat mir auch gezeigt, wie es ist, schöpferisch tätig zu sein. Ich sage das, weil ich, als ich all die Kritiken dazu las, das Gefühl hatte, es ginge um mein eigenes Album. Ich nahm es daher alles sehr persönlich. Als ob jemand mein Kind bewerten würde, haha!

Wie erinnerst du dich heute an die Arbeit an „Roadrunner United“?
Es war eine sehr verrückte Zeit in meinem Leben, denn ich hatte weniger als ein Jahr Zeit, um das Konzept von „Roadrunner United“ zu entwerfen, bis es veröffentlicht wurde. Ganz zu schweigen davon, dass mein Vater im selben Jahr gestorben ist. Ohne Lora Richardson, die Projektkoordinatorin, die ich eingestellt hatte, um alles zusammenzuhalten, hätte ich die Frist nie einhalten können. Lora war fantastisch und arbeitete unermüdlich, um das alles zu schaffen. Sie war ein echter Drill-Sergeant und hielt alle Musiker auf Trab. Lora ist eine der wahren Heldinnen hinter dem „Roadrunner United“-Projekt. Leider ist sie 2011 gestorben. Rest In Peace, Lora.

An der Aufnahme des Albums waren viele Musiker beteiligt, und ich muss zugeben, dass es mich erstaunt, dass es überhaupt zustande gekommen ist! Es gibt so viel, das hätte schiefgehen können, wenn so viele Leute involviert sind. Hattest du während des Prozesses jemals Zweifel an der Idee?
Ich habe irgendwann nicht mehr mitgezählt, aber ich glaube, es waren 55 oder 58 Musiker dabei. Du kannst auf dem Produktaufkleber nachsehen, aber ich glaube, dass selbst dieser ein wenig daneben lag. Ja, ich hatte Zweifel, bis die vier Teamkapitäne anfingen, mir die ersten Mixe ihrer Tracks zu schicken. Ich wusste, dass sie qualitativ hochwertige Songs abliefern würden, aber ich hatte keine Ahnung, ob all diese verschiedenen Songs zusammenpassen und als ein zusammenhängendes Werk funktionieren würden. Natürlich beruhigte mich das Anhören der ersten Mixe und gab mir das Gefühl, dass es klappen könnte, aber erst als alle Songs fertig waren und das Album zusammengestellt und gemastert war und ich es zum ersten Mal komplett hörte, wusste ich zu hundert Prozent, dass ich es wirklich geschafft hatte. Nicht nur erfolgreich, sondern triumphierend! Das Album ist ein Volltreffer. Die einzigen beiden Tracks, die sich ein wenig vom Rest unterscheiden, sind „No way out“, das von Daryl Palumbo von GLASSJAW gesungen wird und eine Drum-Machine enthält, und „Enemy of the state“, bei dem Peter Steele von TYPE O NEGATIVE singt. Dieser Track ist einfach nur verdammt crazy, vor allem gesanglich. Deshalb musste ich ihn an den letzten Platz in der Sequenz setzen. Ich konnte ihn nirgendwo anders unterbringen.

Gab es damals irgendwelche Probleme bei der Arbeit an dem Album?
Das einzige Problem, mit dem ich zu kämpfen hatte, war der Zeitmangel, wie ich bereits erwähnt habe. Außerdem hat sich außer Dino von FEAR FACTORY keiner der Teamkapitäne wirklich an die Regeln gehalten. Jeder Kapitän sollte vier Songs schreiben und eine Kernband von fünf Musikern zusammenstellen, einschließlich sich selbst. Robb Flynn von MACHINE HEAD sollte also zum Beispiel vier Songs mit einem Team von fünf Musikern plus einem Sänger für jeden Track schreiben. Das wären also fünf Musiker und vier Sänger. Insgesamt also neun Personen. Neun mal vier Teamkapitäne bedeutet 36 Personen insgesamt, aber an „Roadrunner United“ haben gut 20 weitere Leute mitgewirkt. Das liegt daran, dass die Kapitäne, als sie anfingen, mehr Musiker hinzufügen und nicht bei allen Liedern die gleichen Mitspieler haben wollten. Sie wollten für noch mehr Abwechslung sorgen und diejenigen auswählen, die sie für einen Song für am besten hielten, oder einfach mit ein paar ihrer Freunde oder Helden zusammenarbeiten. Es war wie im wilden Westen, haha! Und es verursachte höhere Kosten. Ganz zu schweigen von der zusätzlichen Arbeit für Lora, die alle Flüge buchen und alles unter einen Hut bringen musste.

„Roadrunner United“ ist ziemlich einzigartig. Gibt es irgendwelche Vorbilder oder Veröffentlichungen, die die Idee zu dieser Platte inspiriert haben?
Ziemlich einzigartig? Ich würde sagen, vollkommen einzigartig! Das einzige Vorbild für mich war im Wesentlichen das PROBOT-Album von Dave Grohl. Ich habe „Roadrunner United“ immer als eine Turbo-Version des PROBOT-Albums betrachtet, eben mit viermal so vielen Musikern, da Dave Grohl im Grunde fast alle Instrumente selbst spielte und nur bei jedem Track einen anderen Gastsänger einsetzte. Aber die meisten Leute, mit denen ich spreche, halten das PROBOT-Album sowieso eher für ein Dave Grohl-Soloalbum mit Gästen.

Ich habe das Gefühl, dass andere Genres, etwa HipHop und Rap oder elektronische Musik, viel offener für Features oder die Zusammenarbeit mit verschiedenen Leuten sind. Warum ist das bei Metal und Rock anders?
Dem kann ich nicht zustimmen. Metalbands haben schon seit Ewigkeiten Gäste und Kollaborationen mit anderen Musikern, ob Metal oder nicht, gemacht. Schau dir eine Band wie SOULFLY an oder ANTHRAX, die mit PUBLIC ENEMY zusammenarbeiteten, oder AEROSMITH, die einen Track mit RUN DMC aufnahmen. Ich könnte dir noch zig weitere Beispiele nennen.

Es ist schon ein paar Jahre her, dass „Roadrunner United“ veröffentlicht wurde – welcher Track kommt dir als Erstes in den Sinn, wenn du daran denkst, und warum?
Zwei Stücke. Der eine ist „The dagger“, weil es ein so großartiger Track ist, weshalb ich ihn als Opener des Albums genommen habe. Der andere ist „The end“, den ich als Hauptsingle des Albums ausgewählt habe, weil er eine tolle Refrain-Hook hat und sich einfach wie eine Single anfühlt.

Du hattest damals vier „Teamkapitäne“ – Joey Jordison von SLIPKNOT, Matthew Heafy von TRIVIUM, Dino Cazares von FEAR FACTORY und Robb Flynn von MACHINE HEAD. Bei einem neuen „Roadrunner United“-Album, wer wären heute deine Teamchefs?
Das ist eine lustige Frage, über die man nachdenken kann. Ein paar Leute, die ich in Betracht ziehen würde, wären Max Cavalera, Mike Portnoy oder John Petrucci von DREAM THEATER und Adam Dutkiewicz von KILLSWITCH ENGAGE. Ich habe Adam Dutkiewicz eigentlich gebeten, Teamkapitän auf dem ursprünglichen „Roadrunner United“-Album zu werden, aber er war zu beschäftigt und hat abgelehnt, also habe ich Matt Heafy gewählt. Im Nachhinein scheint Matt eine offensichtliche Wahl zu sein, aber er war damals noch sehr jung und TRIVIUM waren auch keine große Band ... noch nicht. Er war also eine sehr ungewöhnliche Wahl zu dieser Zeit, aber er hat großartig abgeliefert, ganz zu schweigen davon, dass er ganz unterschiedliche Stile für seine vier Songs verwendet hat. Ich meine, schau dir nur den Song an, den er für King Diamond geschrieben hat, der wohl der beste KING DIAMOND-Song seit den klassischen Roadrunner-Alben ist.