STEFANIE MANNAERTS (BRUTUS)

Foto© by Christoph Lampert

My Little Drummer Girl Folge 73

Die einzigartige Synthese von Gesang und irrwitzigem Schlagzeugspiel macht den besonderen Reiz des musikalischen Schaffens von Stefanie Mannaerts aus. Ihre technischen Fähigkeiten, zwischen rhythmischen Rock- und brutalen Hardcore-Parts blitzschnell hin und her zu wechseln, machen ihr Spiel unverwechselbar und sind wesentliches Element im Sound ihrer Band BRUTUS. Daher war die Freude groß, dass wir uns mit Stefanie vor dem Konzert im Café Glocksee in Hannover treffen und ausführlich plaudern konnten.

Stefanie, gibt es in deiner Familie Geschichten, dass du schon als junges Mädchen auf den Küchengerätschaften deiner Eltern getrommelt hast?

Nein, tatsächlich nicht, weil ich als kleines Kind zunächst Klavier gelernt habe und eigentlich Pianistin werden wollte. Zum Schlagzeug bin erst gekommen, als ich schon 14 Jahre alt war. Meine Eltern führen seit 45 Jahren ein Musikgeschäft und wir wohnten in der Wohnung über dem Laden. Musik war also schon immer um mich herum und wenn das Geschäft Abends geschlossen hatte, konnte ich die verschiedenen Instrumente ausprobieren.

Wenn du aus einer so musikalischen Familie kommst, lief bestimmt bei euch zu Hause bestimmt auch sehr viel Musik?
Oh ja, mein Vater hörte viel amerikanische Singer/Songwriter-Sachen oder THE EAGLES, PINK FLOYD und sogar Dolly Parton. Meine Mutter interessierte sich mehr für Indierock wie QUEENS OF THE STONE AGE, aber grundsätzlich lief bei uns zu Hause immer Gitarren-orientierte Musik und nebenbei ein bisschen Dancemusic.

In welchem Alter hast du mit dem Klavierunterricht begonnen?
Da war ich gerade erst sechs Jahre alt. Wir hatten bei uns zu Hause ein altes Klavier herumstehen, das eigentlich nur dazu diente, Dinge darauf abzustellen und gut auszusehen. Mein Vater spielte Gitarre und meine Mutter war vom Piano auf Flöte umgestiegen. Eines Tages habe ich meine Mutter gefragt, ob sie mir nicht ein paar Sachen auf dem Klavier zeigen könnte, und sie hat mir dann einige einfache Songs beigebracht. So ging das einige Zeit und irgendwann habe ich meine Eltern gefragt, ob ich nicht Unterricht bekommen könnte. Meine Eltern haben mich nie zu irgendetwas gedrängt, weil sie der Meinung waren, dass der Impuls zur Musik von mir selbst ausgehen müsste.

Hast du auch mit deinen Eltern zusammen musiziert?
Nein, ich habe zwar zu Hause geübt und meine Mutter hat sich meine Fortschritte angehört, aber zusammen gespielt haben wir nicht. Ich war auf einem Musikkonservatorium und habe da eine klassische Ausbildung gemacht, zu der auch klassischer Gesang und Chorgesang gehörten. In dieser Zeit habe ich alles gelernt, was zu einer Ausbildung als klassische Konzertpianistin dazugehört.

Und dann war dir als Jugendliche das Klavier nicht mehr genug?
Mit 14 hatte ich eine Freundin, mit der ich viel zusammen abgehangen habe, und deren Zwillingsschwester hatte im Wohnzimmer der Familie ein Schlagzeug stehen. Ich habe sie einfach gefragt, ob sie mir zeigen würde, wie man Schlagzeug spielt, und sie hat mir ein paar einfache Rhythmen beigebracht. Ich bin dann nach Hause gekommen und habe meinen Eltern gesagt, dass ich gern Schlagzeug lernen würde. Meine Eltern waren unter der Bedingung einverstanden, dass ich erst den Abschluss am klassischen Piano fertig mache. Ich war damals in der Abschlussklasse am Konservatorium, habe die Ausbildung abgeschlossen und dann mit Schlagzeug begonnen. Klavier habe ich natürlich nebenbei weiter gespielt und nutze es auch heute noch, um Songs zu schreiben, denn am Schlagzeug gibt es natürlich keine Noten im eigentlichen Sinne.

Welche Musik hat dich zu dieser Zeit besonders inspiriert?
Ich glaube, ich war ungefähr 13 Jahre alt, als ich mir das Album „Bleed American“ von JIMMY EAT WORLD kaufte, und da habe ich entdeckt, dass ich auf Gitarrenmusik stehe. Wenn man sechs ist, steht man auf die SPICE GIRLS, später hört man die Musik, die die Eltern hören, als Jugendliche hört man zunächst schreckliche Musik und so dauerte es ein bisschen, bis ich lautere Gitarrenmusik für mich entdeckte. Als ich etwas älter war, stand ich dann auf deutlich härtere Musik und habe viel Post-Metal gehört.

Gab es damals Schlagzeuger, die für dich eine Art Vorbild waren?
Nein, ich wollte nie wie jemand anderes klingen, weil ich wusste, dass ich das gar nicht erreichen könnte, aber Taylor Hawkins von den FOO FIGHTERS fand ich schon großartig. Ich war mit meinen Vater auf einem Konzert der FOO FIGHTERS und von da an war mir klar, dass ich Schlagzeugerin in einer Band werden wollte.

Hast du damals Schlagzeugunterricht gehabt oder hast du dir alles selbst beigebracht?
Ich hatte in der Schule Schlagzeugunterricht, aber das war sehr traditioneller Unterricht mit Marimbas, Percussion und den typischen Grundlagen auf der Snare, wie Paradiddle und andere Übungen. Das war sehr langweilig, aber zum Glück hatte ich nach zwei Monaten bereits meine erste Band, in der ich dann viel mehr gelernt habe. Der Gitarrist hat mir bei den Proben gezeigt, wie ich was zu spielen habe, und die Arbeit in der Band hat mich schnell vorwärts gebracht. Der Unterricht in Schule ging aber parallel weiter, da ich auf einem Musikgymnasium war, und mit 17 habe ich mein erstes Instrument Piano gegen Schlagzeug getauscht, weil ich von da an besser Schlagzeug als Piano spielte.

Wann hast du das erste Mal in einer Band gespielt?
Ich hatte gerade erst mit dem Schlagzeugspielen angefangen, als eines Tages ein Kunde im Laden meinen Vater fragte, ob er einen Schlagzeuger kennen würde. Der Typ hatte eine Band und sie hatten fest gebuchte Auftritte, aber ihr Drummer war nach Mexiko abgehauen. Mein Vater erzählte ihm, dass er eine Tochter hat, die gerade erst mit dem Schlagzeugspielen angefangen hat, aber wenn er wollte, würde er mich fragen. Ich war natürlich interessiert und so kam ich zu meiner ersten Band und den ersten Auftritten. Für mich als junges Mädchen war das natürlich sehr aufregend und die Konzerte verliefen auch entsprechend chaotisch.

Hast du damals schon daran gedacht, irgendwann einmal in einer Band zu singen?
Nein, überhaupt nicht. Das ist erst bei BRUTUS passiert. Vorher habe ich nie in ein Mikrofon gesungen, sondern immer nur in der Schule im Chor. Auch bei BRUTUS hatte ich zu Beginn nicht daran gedacht zu singen. Wir probten bereits seit einen Jahr und waren immer noch auf der Suche nach einem Sänger. Ich sagte zu Peter und Stijn, dass wir unbedingt einen Sänger oder eine Sängerin finden müssen, weil mich die Proben ohne Gesang anfingen zu langweilen. Stijn hat dann ein Mikrofon gekauft und mich gefragt, ob ich nicht zu unseren Songs die Backingvocals ausprobieren wollte. Das hat mich erst mal geärgert, weil ich mir nicht vorstellen konnte, Backingvocals zu singen, wenn wir nicht einmal einen Sänger haben. Ich habe dann doch für ein paar Wochen ein bisschen mit dem Gesang experimentiert und dann kamen Peter und Stijn zu mir und haben mir offenbart, dass sie keinen anderen Sänger haben wollen. Mit uns Dreien hat die Band gut funktioniert und so haben wir beschlossen, dass wir es dabei belassen wollen. Und so hat das alles angefangen.

Hast du von Beginn an schon deine eigenen Texte geschrieben?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe damals immer noch gedacht, ich wäre ausschließlich die Schlagzeugerin. Mit dem Schreiben der Texte habe ich erst viel später begonnen und die ersten Versuche waren wohl auch nicht so besonders gut. Ich glaube, dass man in eine Sache erst im Laufe der Zeit hineinwachsen muss. Neun Jahre später weiß ich, über welche Themen ich schreiben möchte und über welche nicht. Außerdem ist Englisch auch nicht meine Muttersprache, was die Sache nicht immer einfacher macht.

War es für dich schwierig, als du die ersten Male bei euren Shows gleichzeitig singen und Schlagzeug spielen solltest?
Oh ja, definitiv. Ich habe es am Anfang wirklich gehasst und wollte das nicht machen. Das war so anstrengend für mich, wenn wir auf Tour waren. Ich musste immer ruhig sein und mich um meine Stimme kümmern, damit sie auf Tour nicht zu Schaden kam. Ich war damals noch sehr jung, und wenn man jung ist, dann ist man schnell von allem und jedem genervt. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich ein Idiot war und unbedingt mit den Jungs Musik machen wollte. Also habe ich mich zusammengerissen, habe angefangen zu üben und aufgehört, mich zu beschweren.

Wie schaffst du es, dass deine Stimme den Tourstress über Wochen hinweg übersteht?
Ich wärme die Stimme jeden Abend sehr gründlich auf, trinke viel Wasser und rauche auf Tour nicht. Außerdem helfen mir meine In-Ears sehr viel. Wenn du normale Earplugs verwendest , nützt dir das gar nichts, weil du alle Geräusche leise hörst und dann nur noch lauter schreist. Auf meinen In-Ears habe ich gar kein Schlagzeug, weil das sowieso immer laut ist, sondern nur Gitarre, Bass und Gesang. Vor einigen Jahren habe ich auch einige Stunden bei einer Gesangstrainerin genommen, weil ich es leid war, bei Konzerten immer meine Stimme zu verlieren. Die hat mir dann gesagt, dass ich viel zu laut singen würde, und ich habe gelernt, etwas leiser zu singen. Ich singe heute zwar auch noch zu laut, aber ich kann meine Stimme jetzt besser kontrollieren.

Siehst du dich heute als Schlagzeugerin und als Sängerin?
Ja, seit der letzten Platte habe ich mich daran gewöhnt, auch Sängerin zu sein. Es fällt mir aber immer noch schwer, meine eigene Stimme zu hören und ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der sich selbst gerne singen hört. Aber heute weiß ich, dass meine Stimme eben so klingt, wie sie klingt und damit kann ich mich jetzt gut arrangieren. Ich habe ja Piano und Schlagzeug studiert und war da immer eine Perfektionistin. Ich wäre nie auf eine Bühne gegangen, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, ich wäre nicht gut genug. Bei dem Gesang hatte ich aber jahrelang das Gefühl, es würde nicht reichen. Ich habe viel und hart geübt und seit ungefähr einem Jahr habe ich jetzt das Gefühl, mein Gesang ist okay. Ich kann immer noch viel lernen, aber ich bin jetzt immerhin ganz zufrieden mit meiner Stimme.

Magst du es, im Tonstudio neue Songs aufzunehmen?
Wenn wir mit der Band im Studio ein neues Album aufnehmen, fühlt es sich an, als ob man zur Arbeit geht. Vorher haben wir stundenlang im Übungsraum die Songs geprobt und konnten uns dabei viel Zeit lassen, aber wenn es dann ins Studio geht, ist man fokussiert und hat einen Job zu erledigen. Es ist zwar ein Job, der Spaß macht, aber es ist anstrengend und nach einer Studiosession möchte ich am liebsten eine Woche lang nichts tun. Zum Glück sind wir für unsere Aufnahmen immer gut vorbereitet und brauchen für die einzelnen Songs nicht zu viele Durchläufe. Eine neue Platte wird immer dann gut, wenn du nicht erst im Studio anfängst, die Songs zu proben, sondern wenn alles läuft wie am Schnürchen und du dich auf den eigentlichen Sound konzentrieren kannst.

Gibt es Schlagzeuger, die dich in den letzten Jahren besonders inspiriert haben?
Also, Dave Turncrantz von RUSSIAN CIRCLES finde ich großartig und ebenso Pieter de Wilde von RAKETKANON. Das ist jetzt zwar doof, das zu sagen, aber mein Freund Joris trommelt bei STAKE und ist auch ein klasse Drummer. Ich mag Drummer, bei denen man das Gefühl hat, sie müssten keine Sekunde überlegen, was sie da tun. So wie zum Beispiel bei John Bonham von LED ZEPPELIN, bei dem die Musik einfach ganz natürlich aus ihm herausfließt. Ich selbst ertappe mich immer wieder dabei, dass ich beim Spielen zu viel nachdenken muss.

Übst du nur mit der Band zusammen oder auch viel für dich allein?
Nein, wir proben mit der Band so häufig, dass ich keine Lust und Zeit habe, auch noch allein zu üben. Es macht mir auch keinen Spaß, allein Schlagzeug zu spielen. Da verliere ich nach einer Stunde die Lust und werfe die Drumsticks in die Ecke. Wir proben normalerweise vier Tage in der Woche und das ist dann auch wirklich genug. Ich habe ja auch nicht die Absicht, die beste Studioschlagzeugerin zu werden, sondern möchte in einer Band spielen und dafür ist es gut so, wie es jetzt ist.

Hast du neben der Band noch Zeit für andere Aktivitäten?
Die Band nimmt natürlich viel Zeit in Anspruch, aber ich gebe nebenbei noch Band- und Schlagzeugunterricht für Kinder. Wenn ich diejenige sein kann, die bei Kindern den Wunsch erweckt, in einer Band spielen zu wollen, dann macht mich das sehr glücklich. Früher habe ich regelmäßig jede Woche Schlagzeugunterricht gegeben, aber inzwischen beschränkt sich das auf Sommercamps für interessierte Kinder. Außerdem spiele ich noch in meiner zweiten Band RUMOURS Keyboard und das auch schon seit acht Jahren. RUMOURS sind das komplette Gegenteil von BRUTUS, weil es da keine Gitarren und kein Schlagzeug gibt und ich außerdem nicht die Sängerin bin. Durch die beiden Bands habe ich das große Glück, Vollzeitmusikerin sein zu können und muss nur immer die Terminpläne der beiden Bands im Auge behalten. Aber die anderen haben ja auch ihre Jobs und da funktioniert das eigentlich immer sehr reibungslos.