TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN

Foto© by Björn Stork

Jeder Atemzug ist ein Geschenk

Vor ein paar Monaten stieg Sänger Dennis bei den RYKER’S aus. Kurze Zeit später wurde bekannt, dass er bei TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN ans Mikro gehen würde – nicht als Nachfolger Matzos, der die Band gegründet hat, sondern als dessen Ergänzung. Nun bringt die Band mit wohl zwei der wichtigsten deutschen Hardcore-Sängern mit „Fokus“ eine neue Single raus, auf der sie das erste Mal gemeinsam zu hören sind. Ich konnte die beiden zusammen interviewen und neben den ganzen Neuigkeiten gibt es eine spannende Antwort auf die Frage, wie man positiv denken und so mehr Freude am Leben haben kann.

Dennis, du bist mit einem Paukenschlag bei TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN gelandet. Wie kam es dazu und warum hast du die RYKER’S verlassen, die jetzt wieder mit ihrem Originalsänger unterwegs sind?

Dennis: Ich habe RYKER’S aus privaten Gründen verlassen. Ich freue mich für die Jungs, dass sie nach meinem Ausstieg Hubse wieder rekrutieren konnten, denn alles andere hätte wahrscheinlich nicht mehr so gut funktioniert. Matzo und ich hatten direkt die Idee, ein neues Projekt zu starten, aber da das zeitlich und organisatorisch alles eher schwierig geworden wäre und ich ohnehin von Anfang an immer mal wieder bei TAUSEND LÖWEN involviert war und die anderen Jungs auch nichts dagegen hatten, hat es sich jetzt so ergeben.

Es gab neben dem Einstieg von Dennis noch einen weiteren Line-up-Wechsel. Euer Gitarrist Basti, in dessen Studio ihr auch immer aufgenommen habt, ist ausgestiegen. Was hat nicht mehr gepasst bei euch?
Matzo: Es hat sich in der Corona-Lockdowns so ergeben, dass Basti beschlossen hat, sich mehr auf andere Projekte zu konzentrieren. Insgesamt ist das ja für viele eine Zeit gewesen, in der im Privaten, aber auch im Beruflichen vieles neu strukturiert werden musste. Da kann es eben auch dazu kommen, dass Konstellationen zeitlich nicht mehr passen und man anderes priorisiert.

Nehmt ihr eure Musik auch weiterhin bei Basti im Studio auf?
Matzo: Da wir in Wuppertal in unserem Proberaum auch ein eigenes Studio haben, nehmen wir dort im DIY-Modus auf.

Für Basti ist nun Daniel eingestiegen. Wie ist er dazugestoßen?
Matzo: Daniel hat schon lange mit unserem anderen Gitarristen Tim zusammen Musik gemacht. Die beiden sind als Gitarristen ein sehr eingespieltes Team. Nach dem Treffen mit der kompletten Band im neuen Line-up und den ersten gemeinsamen Proben war direkt klar, dass die aktuelle Konstellation optimal ist.

Nun seid ihr zwei Sänger, was man ja eher aus dem HipHop-Bereich kennt. Wie kamt ihr auf die Idee?
Dennis: Die Idee ist gar nicht so neu. Matzo und ich haben ja bei STILL SCREAMING schon einige Jahre zusammen gesungen. Daher fühlt es sich für uns vollkommen normal an. Davon abgesehen schreien ziemlich viele von Matzos Texten förmlich nach einem zweiten Sänger. Ich schätze, hier kam einfach zusammen, was zusammengehört.

Würdet ihr sagen, ihr ergänzt euch nur musikalisch? Wann und wie habt ihr euch kennen gelernt?
Dennis: Matzo und ich ergänzen uns in unglaublich vielen Bereichen, auch außerhalb der Musik. Wir sind seit über 15 Jahren befreundet und Matzo ist nicht umsonst der Patenonkel meiner kleinen Tochter. Wo und wie wir uns genau kennen gelernt haben, würde hier den Rahmen sprengen. Wir haben jedenfalls noch am gleichen Abend beschlossen, eine Band zu gründen.

Warst du bereits an den Texten der neuen Platte beteiligt?
Dennis: Die Songs, bei denen noch etwas gefehlt hat, habe ich ergänzt und die Texte, die schon geschrieben waren, haben wir gemeinsam noch mal feingeschliffen. Also ja. Wobei das Grundgerüst von Matzo schon recht stabil war.

Warum bringt ihr nun nur eine Single raus? Ich denke, dass alle eine neue LP erwartet haben.
Dennis: Weniger ist manchmal mehr. Besonders in solch schnelllebigen Zeiten wie diesen.
Matzo: Wir fanden zudem schon beim letzten Album, dass das LP-Format ziemlich anstrengend ist. Uns liegt die 7“ einfach mehr. Kurz und auf den Punkt.

Musikalisch und textlich ist „Fokus“ nicht mehr ganz so düster wie eure letzte LP „Zwischenwelt“. Habt ihr das bewusst geplant?
Dennis: Es gibt viele Menschen, denen die letzten Jahre ziemlich zugesetzt haben. Daher war es tatsächlich eine bewusste Entscheidung, uns mehr auf die positiven Dinge im Leben zu fokussieren.
Matzo: Fokus ist hier genau das Stichwort. Wenn wir unser Leben selbst gestalten möchten und uns nicht von dem ganzen Negativen beherrschen lassen wollen, dann müssen wir selbst den Fokus auf die positiven Dinge lenken. Selbst wenn es die Kleinigkeiten im Alltag sind, die wir oft als vermeintlich selbstverständlich wahrnehmen.

Du hast mir vor ein paar Monaten mal geschrieben, man müsse „Geburtstagsdepris einfach gnadenlos positiv wegdenken“. Jetzt bin ich aber gespannt, wie so etwas funktioniert – den Knopf habe ich bei mir noch nicht gefunden.
Matzo: Sehr oft nehmen wir die schlechten Dinge stärker und prägender in uns auf als die positiven. Wenn man zum Beispiel ein Feedback mit drei guten und einer schlechten Bewertung bekommt, hinterlässt der negative Aspekt meistens einen tieferen Eindruck. Man kann jedoch den Fokus selbst legen und die positiven Erfahrungen bewusst erlebbarer und nachhaltiger machen. Wenn man sie – zum Beispiel das Empfinden von Liebe, Stärke, Zufriedenheit, Glück oder Verbundenheit – wirklich bewusst wahrnimmt, bei ihnen verweilt und sie nicht einfach flüchtig vorbeiziehen lässt, prägen sie sich als echte Erfahrung und nachhaltiges Gefühl in uns ein. Jeder Atemzug ist neu und jeder Atemzug ist ein Geschenk. Mit diesem Bewusstsein können wir Stück für Stück eine innere Stärke aufbauen, durch die wir ausgeglichen, zufrieden und mit Akzeptanz allem begegnen, was das Leben bringt. Das ist nicht immer einfach, aber wie jede Art von Training macht regelmäßige Übung den Meister.

Der Song „Kompass“ ist für euch recht ungewöhnlich, finde ich. Der Refrain ist ähnlich clear wie bei einer Deutschrock-Band. Was war da los?
Dennis: Aus meiner Sicht hat das mit Deutschrock nicht das Geringste zu tun. Es ist lediglich ein melodisch gesungener Refrain in einem punkigen Hardcore-Song, der sich im Songwriting und vor allem aus den Emotionen, die wir mit dem Text verbinden, einfach so ergeben hat. Der Begriff Deutschrock-Band ist grausam.
Matzo: Ich hätte jetzt auch eher an Bands wie PENNYWISE oder auch an unseren Song „What we have“ von der Split-Single mit LASTLIGHT gedacht.

Die Texte wirken für mich auch nicht mehr so metaphorisch, sondern viel klarer.
Dennis: Klares Jein von meiner Seite.
Matzo: Teilweise ist das so. Wie es zum Beispiel im Text von „Arroganz“ zu lesen ist: „Wieso ich keine Lust mehr hab Metaphern zu verwenden, sollte jedem klar sein, der versteht, wie spät es ist.“ Das rührt daher, dass zu manchen Themen einfach mehr Klartext notwendig erscheint.

Matzo, du arbeitest mit Flüchtlingen aus der Ukraine und hast Erfahrungen mit jenen, die vor ein paar Jahren aus Syrien kamen. Wie sieht deine Arbeit aus und mit welchem Hintergrund machst du sie?
Matzo: Ich bin selber nicht mehr im Clearing Haus tätig. Das Haus gehört aber zu dem Bereich, den ich verantworte, daher habe ich trotzdem noch Einblick in die Arbeit vor Ort. Dort sind unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus der ganzen Welt. Sie kommen nicht nur aus Syrien und der Ukraine, sondern aus den verschiedensten Ländern. Oft sind dort zehn oder mehr unterschiedliche Nationalitäten gleichzeitig. Aus meiner Zeit vor Ort kann ich sagen, dass die Arbeit zwar anstrengend sein kann, aber auch sehr viel Freude macht. Es ist vor allem immer schön zu sehen, wenn sich Jugendliche weiterentwickeln, neue Perspektiven für ihr Leben finden und sich ein neues Leben aufbauen können. Zudem ist die kulturelle Vielfalt sehr bereichernd.

Wenn wir allein die beiden heftigen Kriege in Syrien und der Ukraine betrachten – bemerkst du einen Unterschied, wie die Menschen von dort auf dich wirken?
Matzo: Das ist so individuell wie jeder einzelne Mensch. Es kommt sehr darauf an, was die Betroffenen alles gesehen, erlebt und erlitten haben. Manche sind lange auf der Flucht gewesen, haben Angehörige verloren oder andere schreckliche Dinge erlebt. Auch die persönliche Charakterstruktur und die Möglichkeiten, die eigenen Ressourcen zu entdecken und zu fördern, und das jeweilige Umfeld, spielen eine wesentliche Rolle. Auch das kann nicht verallgemeinert werden. In Neuseeland verwenden sie in den Sozialen Diensten in Bezug auf alle Menschen – egal welchen Geschlechts, welcher Herkunft, mit oder ohne Behinderung – nur noch den Begriff „unique“. Das finde ich sehr treffend. Jeder Mensch ist einzigartig.