VIC BONDI

Foto© by Bob Hanham

Teil 2: Von Big Blue bis zur REDSHIFT-Challenge

Als Punk hat Vic Bondi – Frontmann von ARTICLES OF FAITH, aber auch von ALLOY, JONES VERY, DEAD ENDING, REPORT SUSPICIOUS ACTIVITY und neuerdings REDSHIFT – wichtige Beiträge zu mindestens zwei Dokumentarfilmen geliefert: „American Hardcore“ von 2006 und „You Weren’t There: A History of Chicago Punk 1977 To 1984“ von 2007. In „You Weren’t There“ blickt er an einer Stelle in die Kamera und fordert Steve Albini zu einem Kampf heraus, wobei er sich auf Dinge beruft, die Albini in den Achtziger Jahren getan und gesagt hat. „Ich glaube nicht, dass wir sehr lange durchhalten würden“, sagt er etwas bedrohlich und bezieht sich dabei auf Albinis zierliche Statur. Der Film wechselt zwischen diesen Worten und Albini, der ARTICLES OF FAITH als eine selbstgefällige Polit-Punkband abtut. Vic ist die ganze Sache jetzt peinlich, wie wir weiter unten besprechen, und er hat erstaunlich viel Respekt vor Albini.

Bondi hat auch eine ziemlich enge Beziehung zu Bob Mould von HÜSKER DÜ, für den Vic hier in Vancouver im Vorprogramm spielte, als ich ihn zum ersten Mal traf. Im Vergleich zu den letzten beiden Konzerten, die ich mit ihm im Rickshaw sah, war Mould jedoch ziemlich zurückhaltend; er hatte die Leute gebeten, maskiert zu bleiben, obwohl die Maskenpflicht in British Columbia aufgehoben war, und mischte sich auch nicht wie sonst unter die Leute, um Platten zu signieren oder mit den Fans zu plaudern. Er schaffte es trotzdem, COVID-19 zu erwischen, wahrscheinlich in Vancouver, und musste einen Auftritt in Seattle in der darauffolgenden Woche verschieben, um sich zu erholen, so dass Bondi zu Hause ein bisschen runterkommen konnte. Unser Folgegespräch, das das ursprüngliche E-Mail-Interview erheblich erweiterte, fand via Zoom statt.

Vic, auf dem neuen REDSHIFT-Album „Worst Timeline Possible“ gibt es einen Song namens „It can’t happen here“, der, wie ich annehme, nach dem Roman von Sinclair Lewis über den populistischen Faschismus in Amerika benannt wurde. Soweit ich den Text verstehe, scheint es um den versuchten Staatsstreich der Trump-Anhänger in Washington zu gehen.

Ja, und ich habe den Titel vom Buch von Sinclair Lewis übernommen. Ich hatte irgendwie gehofft, der Westen würde sich in der Unterstützung der Ukraine vereinigen, was er eigentlich ja auch getan hat. Aber das Problem ist, dass Putin die Republikaner in diesem Land in der Hand hat. Sollten die Republikaner bei den Midterms im Herbst 2022 die Mehrheit im Kongress gewinnen, wird die Hilfe für die Ukraine wahrscheinlich eingestellt. Ich wäre jedenfalls nicht überrascht, wenn sie sie verzögern oder versuchen, sie zu verhindern. Es gibt viele Leute in diesem Land, die größere Fans von Putin sind als von Joe Biden. Ich bin kein großer Fan von Joe Biden, aber verdammt noch mal, ich bin ganz sicher kein Fan von Putin. Ich hatte gehofft, dass der Angriff auf die Ukraine dafür sorgen würde, dass die Menschen, mit Ausnahme der Faschisten und Reaktionäre, zusammenrücken, alle taktischen Überlegungen vergessen und sich den großen Problemen stellen, um sie zu lösen, angefangen bei Putin und Russland und dann weiter zum Klimawandel und zu den Menschenrechten auf der ganzen Welt und zur Reform des Kapitalismus. Ich fange an zu glauben, dass wir ihn abschaffen müssen. Irgendwas müssen wir mit dem Kapitalismus auf jeden Fall machen, um den Weg, auf dem wir uns heute befinden, radikal zu ändern. Und ich weiß einfach nicht, ob wir das noch schaffen können. Es fällt mir schwer, mir das vorzustellen, denn wir haben den Zeitpunkt vielleicht bereits verpasst. Die letzte Chance könnte 2016 gewesen sein. Ich hatte linke Freundinnen, die sagten: Ich wähle Hillary nicht, es macht ja keinen Unterschied. Ob Demokraten oder Republikaner, das ist doch das Gleiche. Und ich sage: Schau mal, was im Moment passiert, das verdanken wir alles Trump. Die obersten Richter Brett Kavanaugh, Amy Coney Barrett und Neil Gorsuch sind alle von Trump ernannt worden, ein Drittel des verdammten Gerichtshofs ist von Trump. Bei der Wahl 2016 also die Hände in den Schoß zu legen oder für Jill Stein zu stimmen, hat dazu geführt. Die Frauen, die ich kenne, die das 2016 getan haben, sind direkt mitverantwortlich dafür. Und weißt du, es ist einfach falsch, es ist einfach falsch.

Hast du Hilary Clinton gewählt?
Ja, ich habe für Clinton gestimmt. Fuck!

Ich nehme an, dass Jello Biafra das auch getan hat – zumindest hat mir das Murray Acton von den DAYGLO ABORTIONS erzählt.
Und Noam Chomsky hat sich auch für Clinton ausgesprochen. Und es ist doch so, dass man seine Geschichte verstehen und den historischen Moment erkennen sollte, oder? Das war der Moment, in dem wir das hätten umkehren können, und wir haben es nicht getan, und jetzt weiß ich nicht, ob wir es noch schaffen können.

Gehst du davon aus, dass Trump wieder antreten wird?
Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Rolle spielt, ob er antritt oder nicht, denn Ron DeSantis wäre genauso schlimm, oder Josh Hawley. Und solange Putin im Kreml das Sagen hat, und vielleicht auch, wenn er es nicht hat, wird Russland diese bösartige Kraft in der Welt bleiben, die dem Westen Oligarchie und Kleptokratie aufzwingen will. Nicht nur sie, sondern auch die verdammten Saudis – dieses ganze ölgetriebene Imperium in der Wüste mit Frauen in Burkas. Diese Hurensöhne sind eine bösartige Kraft in der Welt, und ein großer Teil der Kommunistischen Partei Chinas ist eine bösartige Kraft in der Welt, richtig? Es gibt also einige wirklich abscheuliche Charaktere in sehr mächtigen Positionen in der heutigen Gesellschaft, und ich weiß nicht, wer den Rest von uns gegen die anführen kann. Joe Biden ist es sicher nicht. Ich respektiere die Tatsache, dass er ein anständiger Mensch ist, aber er hat einfach nicht das Feuer und die Leidenschaft, diese Dinge zu bekämpfen. Ich weiß nicht, wer das Zeug dazu hat.

Als Kanadier bin ich ein bisschen aus der Geschichte raus, aber ich hätte gern gesehen, dass es Bernie Sanders ist.
Ja, genau. Oder Wolodymyr Selenskyj. Dieser Typ hat das Zeug dazu, aber er kämpft gerade ums Überleben.

Du hast jetzt ein paar Songs über Corona geschrieben, wie „American virus“, eure Version von „Complete control“ von CLASH ... Also, ich habe ein paar Freunde, die sagen würden, dass Impfvorschriften und so weiter auch eine Form von Totalitarismus sind. Das sind Leute, die irgendwie verwirrt sind, dass von ihnen auf einmal verlangt wird, der mächtigen Pharmaindustrie und der Regierung zu vertrauen. Ich weiß nicht, ob du mit Leuten sprechen willst, die so denken.
Ja, das will ich: Werdet verdammt noch mal erwachsen! Also in der Welt, in der wir Punkrock spielten und eine große Klappe hatten, war alles totalitär und so weiter ... Nicht alles, was Konzerne tun, ist von Natur aus böse, aber verdammt viel ist es. Und nicht alles, was die Pharmaindustrie tut, ist von Natur aus böse. Aber alles, was die Sacklers und ihre Firma Purdue Pharma als Profiteure der Opioid-Krise taten, war es. Es geht also einfach darum, die Welt mit einem etwas differenzierteren Blick zu betrachten. Ich meine, ein Lichtblick der letzten sechs Jahre waren diese Impfstoffe, und es ist fast ein Wunder, wie schnell sie produziert wurden. So viele Menschen, die in Amerika gestorben sind, seit es die Impfstoffe gibt, hätten nicht sterben müssen. Das ist der Punkt, an dem ideologische Blindheit und Unreife in den Tod führen, wenn man nicht bereit ist, zu sagen: Nun, okay, ich bin nicht wirklich begeistert von der kapitalistischen Grundlage der modernen Medizin, aber verdammt, diese Impfstoffe sind ziemlich toll und sie bewahren meine Mutter davor, an COVID-19 zu sterben, also werde ich sie nehmen.

Es ist definitiv eine sehr kleine Minderheit von Leuten, die dagegen sind. Aber ich habe einige dieser Videos von Leuten wie dem Virologen Robert Malone gesehen. Er wirkt nicht wie ein Verrückter, er wirkt nicht wie ein Verschwörungsanhänger, er wirkt rational und vernünftig besorgt.
Nun, das ontologische und erkenntnistheoretische Problem bei Verschwörungstheorien ist, dass sie an derselben Stelle ansetzen wie die Wissenschaft. Jeder Mensch, der auf der Suche nach Mustern ist, oder jeder Mensch, der Muster erstellt, versucht, die Welt um sich herum mit den ihm zur Verfügung stehenden Informationen zu verstehen. Eines der Probleme ist also, dass niemand davor gefeit ist, auf eine Verschwörungstheorie reinzufallen, und auch nicht alle Verschwörungstheorien falsch sind. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Putin seine Agenten im Westen hat, um die demokratischen Prozesse im großen Stil zu stören und abzuschaffen. Angesichts der Fakten, zu denen wir Zugang haben, ist es halbwegs vernünftig, das zu glauben. Aber der Mensch sucht immer nach Mustern. Deshalb mache ich auch den Leuten, die über Big Pharma reden, keinen Vorwurf. Wir haben eine Freundin, die gegen Impfungen ist, weil ihre Kinder Autisten sind. Und die Zahl der Autisten steigt stark an; ich bin mir nicht sicher, was das Problem ist – ob es an der Umwelt liegt, ob es an den Impfstoffen liegt, die sie verabreichen ... Unsere Tochter hat zwar alle Impfungen bekommen, aber nicht alle auf einmal, weil wir das Gefühl hatten, dass man ein Kind nicht mit so vielen Viren auf einmal belasten kann. Aber jeder fängt im Grunde am gleichen Punkt an und versucht, sich einen Reim auf die Welt zu machen. Ich meine, niemand hat die Erfahrung gemacht, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Unsere Wahrnehmung sagt, dass die Sonne sich um die Erde dreht; sie geht hier auf und da unter. Das ist unsere Erfahrung. Wenn du also die Vorstellung akzeptierst, dass sich die Erde um die Sonne dreht, übernimmst du eine Reihe von Ideen, die du vielleicht gar nicht verstehst. Ich meine, ich kenne die Newtonsche Mechanik nicht wie meine Westentasche, also habe ich keine Ahnung, wie das eigentlich funktioniert. Aber ich akzeptiere es, so wie ich viele Aussagen der Wissenschaft als gesetzt hinnehme, auch durch die Art, wie mir die Wissenschaft in der modernen Welt präsentiert wird. Es macht dich also nicht gleich zu einem bösen Menschen, wenn du vom Weg abkommst und in Paranoia und Verschwörungsglauben abdriftest. Der Ausgangspunkt ist derselbe wie bei wissenschaftlichem Verständnis. Man versucht, sich einen Reim darauf zu machen, wie man die Welt mit begrenzten Informationen wahrnimmt. Ich denke, wirklich deprimierend ist das Ausmaß, in dem einige gesellschaftliche Akteure diese Anfälligkeit zu ihrem Vorteil ausnutzen. Das sind die aktiven Verbreiter von Desinformation: Fox News und Rupert Murdoch. Dieser Mann ist ein bösartiges Wesen für die Zivilisation. Ich werfe den QAnon-Anhängern nicht wirklich vor, dass sie glauben, es gäbe Pädophile im Keller der Pizzeria Comet Ping Pong in Washington, DC, Stichwort „Pizzagate“. Ich verabscheue vielmehr die Leute, die ihre begrenzte Fähigkeit, die Welt gut zu verstehen, missbrauchen und anstatt aufzuklären, die allgemeine Unwissenheit zu ihrem Vorteil ausnutzen.

Beim ersten Anhören dachte ich, die DEAD ENDING-Neufassung von „Complete control“ von THE CLASH könnte ein Protestsong über Corona-Maßnahmen sein, aber auch hier konnte ich nicht den ganzen Text verstehen. Worum geht es in dem Lied? Wie hast du selbst Corona erlebt?
Ich bin dreifach geimpft und habe die Zeit der Pandemie zu Hause verbracht, wie alle anderen auch. Die DEAD ENDING-Version von „Complete control“ handelt nicht speziell von der Corona-Politik und ist definitiv nicht gegen die Maßnahmen gerichtet. Ich habe es unabhängig vom Rest der Jungs aufgenommen, also dachte ich mir, ich aktualisiere den Text, um widerzuspiegeln, was wir alle durchgemacht haben. Ich wollte eher allgemein sagen „Das ist scheiße“ und nicht „Die Maßnahmen sind scheiße“. Gott bewahre, dass diese idiotischen Trucker [wie der „Freedom Convoy“, der einen Teil Ottawas lahmlegte und ähnliche Bewegungen in den USA inspirierte] ihn so aufgreifen. Aber du kannst nicht kontrollieren, wie die Leute deine Songs interpretieren. ARTICLES OF FAITH spielten mal eine Show in Deutschland, und während „Remain in memory“, einem Lied über eine Trennung, stand dieser Typ vor mir und machte jedes Mal den Hitlergruß, wenn ich „Remember me!“ sang. Niemand hätte die Intention eines Liedes jemals so falsch verstehen können.

Hast du ihn darauf angesprochen und versucht, das zu korrigieren?
Nein, ich meine, es war nur ein rechtsradikaler Spinner. Ich weiß nicht mehr, ob es in Mainz oder Trier war, irgendwo im westlichen Teil Deutschlands. Ich erinnere mich nicht mehr an die ganze Situation, aber ich habe ihn nicht darauf angesprochen. Wie kann man diesen Song nur so unglaublich falsch verstehen? Aber das kann man! Wenn man einen Song schreibt und ihn in die Welt setzt, gehört er einem sowieso nicht mehr wirklich.

Es gibt auch ein paar Dinge, die ich bei dem DEAD ENDING-Song „American virus“ nicht verstanden habe, etwa „he’s ten for ten“. Worauf bezieht sich das?
Trump wurde gefragt, wie er den Umgang seiner Regierung mit der Epidemie bewerten würde, und er sagte, er würde sich selbst eine 10 geben.

Und dann „triaging people red and blue“, gemeint ist die Bevorzugung von Republikanern gegenüber Demokraten beim Zugang zu medizinischer Versorgung – ist das wirklich passiert?
Ja. Zu Beginn der Pandemie, als Trump das Sagen hatte, wurden die Mittel umverteilt von den blauen, also den von Demokraten regierten Staaten, hin zu den roten, also denen in republikanischer Hand. Das hat mich wirklich sprachlos gemacht. Eine andere Sache war diese ganze Hydroxychloroquin-Nummer. Sie haben dieses „Schlangenöl“, in das sie finanziell investiert hatten, als Lösung für unser Problem angepriesen. Schließlich sind sie miese Abzocker, die meisten Republikaner sind nichts als miese Abzocker. Also ja, es war ziemlich erstaunlich. Es tut mir leid, aber die Demokraten sind viel zu schnell bereit zu vergeben und zu vergessen. Sie verstehen nicht, was hier auf dem Spiel steht. Einige dieser Leute gehören in den Knast. Sie sollten für das, was sie während der Pandemie angerichtet haben, im Gefängnis sitzen!

Das denke ich schon seit den Tagen von Bush, Cheney und Rumsfeld. Wenn man sie nicht ins Gefängnis steckt, bedeutet das nur, dass die Republikaner sich beim nächsten Mal, wenn sie an die Macht kommen, nur ermutigt fühlen, es noch weiter zu treiben.
Das ist richtig.

Kommen wir zu Bob Mould, den du gerade auf seiner Solo-Tour begleitest. Er war auch der Produzent der beiden ARTICLES OF FAITH-LPs. Wie kam damals diese Zusammenarbeit zustande?
Ich kenne Bob schon seit vierzig Jahren. Ich kann mich nicht mehr an unsere erste Begegnung erinnern, aber an das erste Mal, als ich ihn und HÜSKER DÜ live sah. Es war wahrscheinlich Ende 1981 in einer runtergekommenen Punkrock-Kneipe in Chicago namens O’Banion’s. Sie spielten im Vorprogramm der REPLACEMENTS, es war bitterkalt und die Bar hatte keine Heizung. Das waren die HÜSKER DÜ der „Land Speed Record“-Ära. Ich hatte sie noch nie zuvor gehört, aber als sie auftraten, verschwamm alles zu reinem Klang. Einfach eine Wand aus Lautstärke und Lärm. Ich brauchte vier oder fünf Songs, bis ich merkte, dass der Gesang vom Schlagzeuger kam. Es war mehr Performance-Kunst als Rock’n’Roll, ich war sofort süchtig danach. Eine fantastische Band. In der Folgezeit wurde ich Zeuge ihrer Entwicklung zu einer spektakulären Rock’n’Roll-Band, denn danach spielten wir viele, viele Male mit HÜSKER DÜ, und sie waren immer innovativ und setzten neue Maßstäbe für das, was Hardcore alles sein kann. Nachdem sie in Kalifornien waren, um „Zen Arcade“ aufzunehmen, machten sie auf dem Rückweg einen Zwischenstopp in Chicago, und ich werde nie vergessen, wie Bob die Platte auf der Anlage bei uns im Haus, im Big Blue, spielte. Wir wussten alle, das war genial.

Was genau war das Big Blue?
Big Blue war ein zweistöckiges Stadthaus in der North Seminary Avenue in Chicago. Der Besitzer des Big Blue war Paul, der Chef der Firma, für die ich arbeitete. Das war eine Firma, die Wohnungen renovierte. Dave Shield, der Bassist von ARTICLES OF FAITH, und ich, wir arbeiteten in diesem Renovierungstrupp in Chicago. Das heißt wir gingen in alte Wohnhäuser, rissen alles ab bis auf die Grundmauern und bauten sie dann neu auf. Es liegt etwa sechs Blocks vom Wrigley Field entfernt und es wurde das Hardcore-Haus von Chicago, weil Paul die oberen Stockwerke an ARTICLES OF FAITH, an Dave und mich, vermietete. Ein Apartment teilten sich Dave und Joe, unser Gitarrist, das andere unser Drummer Bill Richman und ich. Und dann gab es noch einen gemeinsamen Dachboden, wo ARTICLES OF FAITH probten. Die untere Etage war fast nie vermietet, weil oben ständig dieser lärmende Haufen Leute war, die Punkrock spielten, so dass das Haus bis auf unser Stockwerk meist leer stand. Es war in keinem guten Zustand, es war die ganze Zeit, in der wir dort wohnten, in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwahrlosung. Jeder übernachtete dort oben auf dem Dachboden, auch viele, viele Bands, die du kennst, schliefen da auf dem Fußboden: BIG BOYS, HÜSKER DÜ, REPLACEMENTS, SOUL ASYLUM, wer auch immer in der Stadt war.

Haben die kanadischen SUBHUMANS dort auch übernachtet?
Nein, sie haben nie bei uns übernachtet, D.O.A. auch nicht. Aber wir hatten kanadische Bands hier. STRETCH MARKS haben, als sie in Chicago spielten, glaube ich, bei uns geschlafen. Sie kamen aus Winnipeg und es sind etwa zwölf Stunden Fahrt ...

Wie bist du eigentlich ins Vorprogramm von Bob gekommen?
Bob hatte mich ein immer mal wieder gebeten, für ihn zu eröffnen, zuletzt kurz vor der Pandemie in Seattle. Doch das ist jetzt das erste Mal, dass ich mit ihn auf einer längeren Tournee begleite, und ich fühle mich sehr geehrt, dass er mich gefragt hat. Aber einer der besten Momente meines Lebens war, als HÜSKER DÜ mich 1985 im Paradise in Boston für eine Zugabe von „Ticket to ride“ auf die Bühne holten.

Woher kommt der Name ARTICLES OF FAITH? Hat das etwas mit den gleichnamigen Glaubenssätzen der mormonischen Kirche zu tun?
Ich bin kein Mormone und habe von diesem religiösen Zusammenhang erst viel später erfahren. Der Name kam von dem gleichnamigen Song, den wir geschrieben hatten, in dem es darum ging, wie soziale und politische Indoktrination zu Religion wird. Zu dieser Zeit nannten wir uns noch DIRECT DRIVE. So hieß die Band, die unser Gitarrist Joe Scuderi und ich auf dem College gegründet hatten. Als wir nach Chicago zogen, traten wir zuerst unter diesem Namen auf, aber wir entwickelten einen neuen Sound und wollten auch einen neuen Namen, der dazu passte. Also entschieden wir uns für den Namen dieses Songs. Rückblickend eine gute Wahl, denn so politisch AOF sicher waren, so ausdrucksstark war die Band auch, was Gefühle anging. Manchmal wird unser zweites Album „In This Life“ als Vorläufer von Emo bezeichnet und der Name spiegelt auch das wider.

JONES VERY war ein seltsamer Name für eine Band. Mein Freund Adam Kates spekulierte, nachdem er JONES VERY in Toronto gesehen hat, es könnte eine Art Anti-Drogen-Sache sein, so wie „Jonesing“ für einen Schuss. Aber wie ich auf Wikipedia gelesen habe, war Jones Very ein unitarischer Geistlicher ...
Jones Very war eine reale Person, ein Dichter, aus dem Kreis um Ralph Waldo Emerson, nah am Wahnsinn. In der Zeit, als ich die Band gründete, habe ich viel über Transzendentalismus gelesen und hatte die völlig lächerliche Vorstellung, ich könnte „transzendentalistischen Rock“ machen – was im Nachhinein eine der dümmsten Ideen war, die ich je hatte. Aber der Name passt irgendwie gut zu dem Post-Punk-Sound der Band. Allerdings gab es damals eine ganze Reihe von „Jones“-Bands, also war ich wohl doch nicht so clever, wie ich dachte.

Eine Hardcore-Band waren JONES VERY jedenfalls nicht. Keine Ahnung, ob du irgendwann genug von Hardcore hattest. Ihr Album „Words And Days“ von 1989 erinnert mehr an MISSION OF BURMA als an ARTICLES OF FAITH.
Ich denke, sowohl JONES VERY als auch ALLOY waren eher Rockbands. Vor allem ALLOY waren eine reine Rock’n’Roll-Band. Das basierte zum Teil auf meinen Experimenten mit der Gitarre, vor allem bei JONES VERY, so etwas hatte ich vorher noch nie gemacht. Aber es war nicht meine bewusste Absicht, Post-Punk zu machen. Um Post-Punk ging es mir auf meinem Soloalbum „The Ghost Dances“ von 1988 – da wollte ich bewusst etwas völlig anderes ausprobieren. Warum sollte ich auch immer nur dasselbe machen?

Ich will jetzt nicht auf Religion herumreiten, aber ich finde, der Titel des JONES VERY-Albums „Words And Days“ könnte glatt aus der Bibel stammen, oder? Woher kommt er?
Nun, es gibt einen gleichnamigen Song darauf, „Words and days“, und ... meine Muse ist nicht nur politisch, sondern auch irgendwie historisch, so dass ich immer versuche, den Zeitgeist einzufangen. Es geht darum, einen Ausdruck für den Augenblick zu finden. So wie die Zeile „In hell, they watch heaven on television“ aus dem Song „Yesterday in the western world“, verstehst du? Ich habe also versucht, einen Moment in der Zeit zu treffen und ihn in Worte zu fassen, und so sind es die Worte und die Tage, worauf sich die Musik bezieht.

Ich liebe diese Zeile. Das ist großartige Poesie.
Diese Platte ist vermutlich entschieden zu anspruchsvoll. Ich habe auch das Cover entworfen, und weil ich an den Texten gearbeitet hatte und Jones Very ein transzendentalistischer Dichter war, dachte ich mir: Okay, lass uns ein Albumcover machen, das nur aus den Songtexten besteht. Und natürlich ist es konzeptionell großartig. Und dann, in der Realität, denken die Leute: Was zum Teufel ist das? Da ist ja gar kein Skelett, das mit einem Dämon kämpft! Das will man auf einem Albumcover sehen, weißt du, insofern ist diese Platte wahrscheinlich viel zu verkopft.

Ich habe Jello Biafra einmal in einem Interview gefragt, ob er irgendwelche religiösen Überzeugungen oder einen religiösen Hintergrund habe, und er meinte, das ginge mich nichts an. Und das war völlig okay! Ich bestehe nicht darauf, wenn man darüber nicht reden will. Aber da zieht sich eine Spur durch deine Karriere, es gibt bei AOF einen Song namens „Sin and redemption“, auf dem JONES VERY-Album heißt ein Stück „Jesus“ ... Bist du religiös erzogen worden?
Nein, bin ich nicht. Ich meine, ich hatte so eine halbwegs protestantischer Erziehung. Da war meine ehemals katholische Großmutter, die mir vom nahenden Weltuntergang und den sieben Siegeln erzählte, und dass das Land letztendlich den Preis für seine Sünden zahlen würde. Und mein rassistischer Großvater, der mir erzählte, dass es einen Rassenkrieg geben wird. Somit habe ich von meinen Großeltern diese Art von antinomischer, heterodoxer protestantischer Einstellung mitbekommen, die besagt, dass es da draußen einen Gott gibt, der nur darauf wartet, dir deinen Arsch zu versohlen. Ich weiß nicht, ob da noch mehr dran war. Den einzigen formalen Religionsunterricht hatte ich kurze Zeit, als wir auf einem Stützpunkt in Puerto Rico lebten [Vics Vater war bei der US-Marine] und meine Mutter uns zur Sonntagsschule brachte. Ich erinnere mich, dass wir in der Methodistenkirche beim Singen von „Onward Christian soldiers“ mitmachten, was auf einer US-Marinebasis in einem Kolonialland immer eine tolle Sache ist. Aber ich weiß es nicht. Ich habe später als Doktorand offiziell Religionsgeschichte studiert. Einer meiner Doktorväter war David Hall, der Dekan der theologischen Fakultät an der Harvard University, und von ihm habe ich viel über protestantische Religion und Puritanismus gelernt. Er steht in einer Reihe mit den großen amerikanischen Historikern des Protestantismus, Perry Miller und Edmund Morgan. Er vermittelte mir also ein akademisches Verständnis des Puritanismus, das ich in meinem Leben oder in meiner Karriere aber nie genutzt habe. Trotzdem habe ich damals viel über Religion gelernt, und ich hatte einige Lehrer, die mir umfassende Kenntnisse vermittelten, auch über Katholizismus und die Jesuiten. Aber ich war nie ein praktizierender religiöser Mensch. Als meine Frau und ich eine Weile in Pittsburgh lebten, dachten wir, wir sollten mal in eine unitarische Kirche gehen, um die Gemeinde kennen zu lernen und uns da vielleicht einzubringen Und wir gingen zu ein paar Treffen der Unitarier, aber es gab nicht genug Böses in dieser Kirche für mich, haha. Ich konnte wirklich keine Religion praktizieren, ohne dass es eine gewisse Anerkennung des Bösen gibt und ein Gefühl dafür, dass ein Teil des Sinns von Religion darin besteht, sich gegen das Böse zu wappnen und darauf vorbereitet zu sein, es zu bekämpfen. Und das gibt es weder im Universalismus noch im unitarischen Universalismus. Es war mir also viel zu ökumenisch. Ich brauche Satan und das Böse darin, sonst ist es für mich nutzlos.

Hatte das irgendeinen Einfluss auf deine politische Einstellung?
Wahrscheinlich schon. Ich meine, ich denke, mehr als alles andere, instinktiv für mich ... weißt du, wenn man in einer Soldatenfamilie aufwächst, macht man diese sehr seltsame Erfahrung. Meist ist der Vater ein ziemlich dominanter Charakter. Mein Vater leitete einen Marine-Luftstützpunkt in Corry Field in Pensacola, Florida. Da gab es etwa 35.000 Marinesoldaten, die ihm unterstellt waren. Er hatte eine Menge Leute unter seinem Kommando, also war er eine ziemlich einschüchternde Autoritätsperson. Aber das Problem, das man mit Autoritätspersonen wie meinem Vater hat, wenn man in einem militärischen Haushalt aufwächst, ist, dass es immer eine weitere Autorität hinter ihnen gibt. Sie repräsentieren also diese Autorität, aber dann zieht die Familie alle zwei Jahre um, ob man das will oder nicht, und in vielerlei Hinsicht ist ihr Leben nicht ihr eigenes, und das wird einem sehr schnell klar. Sie müssen sich immer vor jemand anderem verantworten. Ich habe also immer ein gewisses Misstrauen gegenüber Autoritäten. Und ich glaube, viele andere Menschen mit militärischen Hintergrund in der Familie haben dasselbe Misstrauen gegenüber Autoritäten, weil sie als Kind die Erfahrung gemacht haben, dass ihr Leben ständig aus den Fugen gerät, egal, was ihr großer, starker Vater zu ihnen sagt und vertritt. Das war immer so. So kommt man an einen Punkt, an dem man immer nach der Autorität hinter der Autorität sucht und nicht mehr darauf vertraut, dass die Autorität sich selbst richtig vertritt. Man ist ihr gegenüber sehr misstrauisch. Das ist wahrscheinlich das Wichtigste, was ich aus meiner Kindheit mitgenommen habe und was die Musik beeinflusst hat, die ich für den Rest meines Lebens gemacht habe.

Was hat dein Vater von ARTICLES OF FAITH gehalten?
Zuerst hat er es gehasst! Ich meine, ich habe das College verlassen, um Punkrock zu spielen. Das kam bei meinen Eltern nicht sehr gut an, und etwas in mir dachte sich: Na ja, fick dich! Ich meine, ich bin sowieso für meinen Lebensunterhalt selbst aufgekommen. Ich beendete das College, indem ich auf dem Bau arbeitete. Na ja, nicht wirklich auf dem Bau, ich habe wie schon gesagt in diesem Bautrupp gearbeitet. Auf diese Weise habe ich mir das College finanziert. Aber meine Eltern waren sehr unglücklich darüber, dass ich das College abgebrochen hatte, um Punkrock zu spielen. Und der Schlagzeuger von ARTICLES OF FAITH, Virus X [Bill Richman], war zudem ein bekennender Kommunist. Ich weiß nicht mehr, wie mein Vater an diese Information gekommen ist, aber das hat ihn so verärgert, dass er, als AOF das erste Mal an die Ostküste fuhren und bei meinen Eltern übernachten wollten, er die Band nicht in seinem Haus wohnen lassen wollte. Er sagte: „Nun, du kannst hier bleiben, aber deine Band nicht.“ Und ich sagte: „Nun, ich bleibe nicht hier, wenn du meine Band nicht da haben willst!“ Es war also ein Streitpunkt. Aber später, am Ende von ARTICLES OF FAITH, 1985, spielten wir in Richmond und meine Eltern lebten im Norden von Virginia und sie fuhren nach Richmond, um die Show zu sehen. Und mein Vater meinte: „Das war verdammt energiegeladen, verdammt energiegeladen!“ Das war die Meinung meines Vaters über ARTICLES OF FAITH: verdammt energiegeladen. Ich schätze, wir haben das Gütesiegel bekommen.

Ich muss dich nach „Bad attitude“ fragen, dem ersten Song, den ich von dir gehört habe, und zwar im Soundtrack des Films „American Hardcore“. Du wiederholst die Worte „Bad attitude“ so oft, bis es witzig und irgendwie auch lächerlich wird.
Als ich aufwuchs, habe ich so oft gehört, ich würde eine schlechte Einstellung an den Tag legen, dass es für mich zu einer Art Mantra wurde. Da es mit Abstand der beliebteste AOF-Song ist, schätze ich, dass es wohl vielen anderen ähnlich erging.

Der Bandbiograf und Punk-Romanautor Chris Walter erzählte mir, er habe ARTICLES OF FAITH in Winnipeg gesehen, und meinte, dass ihr damals in Sachen Feminismus politisch ziemlich fortschrittlich wart. Er sagte: „Wir waren Neandertaler im Vergleich zu AOF, aber es war Winnipeg, was erwartest du?“ Da war zum Beispiel eine Frau in der Szene, der ihre Freunde den Spitznamen „Make My Dick Hard“ gegeben hatten, und anscheinend hast du ihnen für diesen sexistischen Spitznamen was aufs Maul gegeben.
Nun, ich weiß nicht, ob ich auf so etwas einfach reagiert hätte, da müssten sie schon etwas etwas Schlimmeres getan haben. Aber es gab schon ein paar Gelegenheiten, bei denen ich gesehen habe, wie Jungs Dinge getan haben, die mir nicht gefallen haben, und dann muss man einfach eingreifen und das abstellen. Ich bin der festen Überzeugung und war es schon immer: Wenn man mitbekommt, dass jemand missbraucht wird, egal, ob Frau oder Mann, dann muss man sich einmischen.

Das ist der Aspekt, der mir an „American Hardcore“ und „You Weren’t There“ am wenigsten gefallen hat.
Zumindest die Art und Weise, wie die Szenen in beiden Filmen dargestellt werden: es ist wirklich ein Jungs-Club.
Das war es auf jeden Fall. Ich habe das Gefühl, dass es nach 1985/86 besser wurde, als die zweite Welle des Punk aufkam und natürlich die dritte Welle mit den BIKINI KILL-Sachen und der ganzen Olympia, WA-Fraktion. Es war großartig zu sehen, wie Frauen die Szene eroberten: Mädchen an die Front! Fantastisch. Bei ARTICLES OF FAITH haben wir mit vielen starken und selbstbewussten Frauen zusammengearbeitet. Die letzte Platte, die wir gemacht haben, kam auf dem Label von Jill Heath aus Toronto heraus – sie war dort eine Rockkonzert-Veranstalterin. Wir als Band hatten also nie ein Problem mit starken Frauen. Also würde ich sagen, dass es in der Szene immer viele starke Frauen gab, auch wenn Hardcore ein reiner Männerclub war. Sie waren vielleicht nicht in den Bands, aber sie waren immer ein Teil der Szene, veröffentlichten Fanzines, organisierten Shows und halfen den Bands. Als die BAD BRAINS mal bei uns übernachteten, wurde es ziemlich unerträglich, das waren wirklich sexistische Typen. Sie sagten Daves Freundin, sie solle in die Küche gehen und für uns kochen, und wir meinten nur: „Lasst diesen Scheiß!“ Das war nicht cool. Aber im Allgemeinen, obwohl es eine sehr homosoziale Jungswelt war, gab es eine Menge Frauen in der Szene, und meistens wurden sie mit einem ziemlichen Maß an Respekt behandelt, würde ich sagen. Ich hatte mal kurze Zeit einen Job bei der Börse von Chicago, und ich würde eindeutig behaupten, dass die Art, wie Frauen in der Hardcore-Szene behandelt wurden, um Längen besser war als die, wie man in den Achtziger Jahren auf dem Börsenparkett oder in den Vorstandsetagen der amerikanischen Unternehmen mit Frauen umging. Es gab sicher vieles, das in dieser Szene falsch lief, aber sie war dem Rest der Gesellschaft in Bezug auf Frauen in vielerlei Hinsicht weit voraus. Es war verdammt viel fortschrittlicher.

Lass uns über „American Hardcore“ und „You Weren’t There“ und Steve Albini sprechen. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Interviewpartner in einem Dokumentarfilm von einem anderen zu einem Kampf herausgefordert wurde. Ist dabei etwas herausgekommen?
Nichts. Ich meine, ich bin kein großer Fan von „You Weren’t There“, und ich bin auch kein Fan davon, Albini zu drohen, ihm den Arsch zu versohlen. Das Ganze ist jetzt vierzig Jahre her, und seit ich in dieser Dokumentation aufgetaucht bin, sind auch schon zwanzig Jahre vergangen oder so. Es ist ziemlich dumm für einen Mann mittleren Alters, so etwas zu sagen. Ich bin nicht besonders begeistert davon. „You Weren’t There“ ist die reinste Hardcore-Nostalgie mit einer einzigen Botschaft: „Wir hatten diese tolle Szene. Ihr wart nicht dabei! Fickt euch!“ Und das ist eine wirklich unhöfliche Aussage gegenüber Leuten, die sich so eine Doku ansehen. Das ist wirklich nicht punkig. Ich meine, der ganze Sinn von Punk und Hardcore war es, seine eigene Szene zu schaffen und seine eigenen Erfahrungen zu machen, und die Leute zu beschimpfen, weil sie nicht da waren, das ist einfach dumm. Bei „American Hardcore“ ist es das gleiche Problem, das betrifft einen Großteil dieser Punk-Nostalgie. Wenn sich jüngere Leute für die Musik interessieren, finde ich das großartig, und sie können den Geist davon übernehmen, aber sie müssen nicht unbedingt die Form oder das Genre übernehmen. Meiner Meinung nach sollten sie ihre eigenen Formen finden. Sie sollten ihre eigene Szene erschaffen.

Albini hat darin eine Sache gesagt, die für mich überhaupt nicht passte, nämlich dass es bei ARTICLES OF FAITH nur darum ging, dem politischen Weltbild der Punk- oder Hardcore-Szene zu entsprechen. Das schien mir wirklich falsch zu sein.
Das ist wirklich falsch. Albinis Kritik an ARTICLES OF FAITH, wie auch der Konflikt zwischen EFFIGIES und uns, drehte sich also darum, bekennendermaßen links zu sein. Was wir auch waren. Aber wir waren nicht MDC oder DEAD KENNEDYS, wir haben nicht von der Bühne aus gepredigt. Sowohl Dave Dictor als auch Jello Biafra unterbrechen ihre Songs und halten dem Publikum Vorträge. Wir haben das nie getan. Keiner unserer Songs war explizit politisch, du weißt schon, „Fuck Reagan“ oder „Fuck the police“, nichts dergleichen. Wir waren ein bisschen schräg in der Art, wie wir die Dinge darstellten. Das Problem war, wenn die Leute mit mir über Politik sprechen wollten, war ich gerne bereit, mich mit ihnen darüber zu unterhalten. Ich sprach also über Politik, und Albini hasste das verdammt noch mal. Zu der Zeit war Albini außerdem keine große Nummer in Chicago, er war eigentlich eine Art Nebenfigur. Er war ein Student am Northwestern College und hatte diese Band, BIG BLACK, die eigentlich nur ein Abklatsch von GANG OF FOUR war – die erste EP „Lungs“ war nichts anderes. Er war also keine große Nummer in der Szene. Die großen Nummern in der Szene waren die EFFIGIES und ARTICLES OF FAITH. Die EFFIGIES waren eine Midtempo-Oi!-Band aus Evanston, die wie englische Oi!-Jungs aussahen, und ARTICLES OF FAITH waren aus der Chicago selbst, mit einer linksgerichteten Haltung. Und so spaltete sich die Szene in eine linke und eine rechte Gruppierung. Aber letztendlich waren Albinis Geschäftspraktiken verdammt rechtschaffen. Ich meine, er hat als Musiker das Richtige getan, was die Art und Weise angeht, wie er sein Geschäft führte und wie er sein Engagement in der Musikindustrie gestaltete. Er hat sich diese Hardcore-Ethik wirklich zu Herzen genommen, und das rechne ich ihm hoch an. Ich kann mir auch vorstellen, dass seine politische Einstellung heute der meinen viel näher ist, als er zugeben würde, wenn er sich überhaupt dazu äußern würde. Und in vielerlei Hinsicht ist er der aufrichtigere Linke, denn er hat sein Linkssein tatsächlich praktiziert, während ich mal für Microsoft gearbeitet habe, haha. Da gibt es also einen großen Unterschied in Bezug auf die Art und Weise, wie er es gelebt hat und wie er es gesagt hat. Aber auf der anderen Seite ist eine Menge, was er gemacht hat, ziemliche Idiotenmusik oder sogar reaktionär. Ich weiß, dass das nicht unbedingt seine Absicht war. Sie war nicht rechtslastig. Seine Absicht war immer, die Leute zu schockieren. Bei RAPEMAN ging es darum, die Leute mit diesem Namen zu schockieren [dessen Ursprung eine gleichnamige durchaus satirische wie bizarre japanische Comic-Reihe ist]. Aber tut es das auch wirklich? Und warum? Weil du damit die falschen Leute triffst. Diejenigen, die sich am ehesten über eine Band namens RAPEMAN aufregen, sind womöglich Frauen, die vergewaltigt wurden.

Aber er schwelgt auch irgendwie in dieser Verruchtheit. Das ist die Sache. Ich habe nichts gegen BIG BLACK, musikalisch gesehen. Aber Songs wie „Fists of love“, in denen es um „Fistfucking or wifebeating or whatever“ geht, wie er es in den Linernotes formuliert ...
Er war immer ein bisschen seltsam ... Ich weiß nicht, ob er verheiratet ist und eine Familie gegründet hat oder so. Ich weiß nichts über Steve Albini. Ich habe ihn und seine Karriere nicht verfolgt. Ich bin kein großer Fan von seiner Musik. Ich finde seine Produktionen klingen ein bisschen zu blechern. Ich mag seinen Sound nicht wirklich, aber ich habe ein paar ziemlich tolle Sachen gelesen, die er geschrieben hat, und ein paar tolle Interviews, die er gegeben hat, vor allem in den letzten paar Jahren. Es ist interessant, Trump hat wirklich eine Menge Grenzlinien neu definiert und einige Leute haben sich jetzt für die Seite entschieden, auf der ich schon immer war. Ich will also nicht sagen, dass das eine schlechte Sache ist.

Vielleicht liege ich ja falsch, aber mir scheint, dass DEAD ENDING in politischer Hinsicht viel offensiver und direkter waren als ARTICLES OF FAITH.
ARTICLES OF FAITH waren auch immer sehr direkt. Ich denke, ein Unterschied besteht darin, dass bei ARTICLES OF FAITH das Persönliche politisch ist, deshalb gibt es Songs wie „Five o’clock“. „Five o’clock“ ist nicht offensichtlich politisch. Es geht um meine Erfahrung, um fünf Uhr morgens zur Arbeit in diese Bar zu gehen und Klopapier und Scheiße aus den Toiletten zu kratzen, was ich eine Zeit lang gemacht habe. Und das Politische daran ist die Wut darüber, dass du gezwungen bist, unter solch miserablen Umständen zu arbeiten.

Das gefällt mir. Mir gefällt, dass in einem Song wie „What we want is free“ nicht ein einziges Mal gesagt wird, was man eigentlich genau will.
Das stimmt. Es will nicht belehren, und DEAD ENDING wollten auch nie belehren. Es klingt alles nur ein bisschen eindeutiger, denke ich. „Ivanka wants her orange back“ ist wahrscheinlich in vielerlei Hinsicht der Höhepunkt von DEAD ENDING. Oder „Class war“. Diese Single ist wahrscheinlich auf gewisse Weise der repräsentativste DEAD ENDING-Moment.

Du wechselst ja ziemlich oft die Band, was schlecht fürs Geschäft sein muss. Besonders wenn man bedenkt, dass ARTICLES OF FAITH der Name ist, mit dem man dich hauptsächlich verbindet ...
Das ist auch gut so, denn ARTICLES OF FAITH waren eine großartige Band, und ich bin wirklich stolz darauf, dazugehört zu haben. Aber wir haben eine bewusste Entscheidung getroffen. Unsere letzten Shows haben wir 2010 beim Riot Fest in Chicago gespielt. Zu diesem Zeitpunkt war ich 50. Bill, unser Schlagzeuger, war 55, Joe 56. Als Dave diese beiden Shows spielte, hatte er sich den Rücken verrenkt und hatte starke Schmerzen. Bill, unser Schlagzeuger, war auch ständig vereist. Aber ARTICLES OF FAITH waren eine sehr physische Band. Ich meine, wirklich sehr körperlich. Wenn man sich auf YouTube alte Videos anschaut, sieht man, dass wir ständig in Bewegung sind, die Musik ist sehr körperlich und sehr intensiv. Die zweite Show, die wir beim Riot Fest gespielt haben, war fantastisch. Es war wahrscheinlich die beste Show, die ich je in meinem Leben gespielt habe. Es war eine perfekte Show, obwohl Dave verletzt war und Bill große Schmerzen hatte. Aber wir haben so gut gespielt; wir haben den Laden wirklich auseinandergenommen. Und danach haben wir viel darüber gesprochen, auf Tour zu gehen und weiter zu machen, und dann kam ich zurück nach Seattle und fragte mich: Warum? Denn wenn man auf Tour geht und sechzig Tage unterwegs ist, wird es immer auch ein paar Abende geben, die nicht so gut laufen. Das garantiere ich dir. Vielleicht bist du wirklich schlecht, weil du dich nicht wohl fühlst oder so etwas, und du wirst körperlich zu kämpfen haben, denn es ist eine Sache, in unserem Alter ein paar Shows zu stemmen, aber eine andere, jeden verdammten Abend mit dieser Intensität zu spielen. Ich hatte einfach das Gefühl, dass wir die Leute enttäuschen würden. Wir würden das, was wir waren, irgendwann ins Lächerliche ziehen. Und im Nachhinein, wenn ich sehe, wie Greg Ginn das Erbe von BLACK FLAG ruiniert hat oder was aus den DEAD KENNEDYS ohne Jello wurde, ich meine ... ich wollte so etwas nicht. Und ich würde nie und nimmer mit jemand anderem in dieser Band spielen, denn diese Jungs waren ein wesentlicher Bestandteil dieses Sounds. Es war nicht meine Band, es war unsere Band, also war das nie eine Option. Ich denke, in gewisser Weise waren die beiden anderen vielleicht genauso glücklich mit dieser Entscheidung. Letzten Endes waren wir alle damit einverstanden, ich denke, es war die richtige Entscheidung, denn wir haben uns als Band nie über zum Gespött gemacht und auch nicht als Team. Und die anderen Bands, in denen ich mitgespielt habe, hatten alle eine eigene Gruppendynamik und gehen alle ein bisschen anders an die Sache heran. Ich kann so mit anderen Leuten diese großartige Erfahrung teilen, Musik zu machen, etwas aus dem Nichts zu erschaffen, was eine wunderbare Sache ist. Ja, ich schätze, es ist schlecht fürs Geschäft, aber ich habe mit Musik nie meinen Lebensunterhalt verdient [Vic arbeitet in der Software-Branche; mehr dazu auf vicbondi.com] und einer der Vorteile davon ist, dass ich nicht wirklich Kompromisse eingehen muss, was ich mit der Musik machen will. Ich muss nicht die Hits spielen. Scheiß drauf, ich spiele, was ich will.

Ist REDSHIFT die einzige Band, die du im Moment hast? DEAD ENDING sind abgehakt für dich?
Nein, DEAD ENDING nicht und REPORT SUSPICIOUS ACTIVITY auch nicht. Falls J. Robbins mich anruft und sagt „Lass uns noch eine Platte machen“, würde ich sagen „Klar, wann?“, ich würde nicht nein sagen. Aber J. ist im Moment ziemlich beschäftigt, er tourt mit JAWBOX und macht großartige Solosachen. Sein letztes Soloalbum war fantastisch, also weiß ich nicht, ob er RSA noch braucht. Was DEAD ENDING angeht: Jeff Dean spielt in hundert Bands und kann machen, was er will, und Derek Grant ist bei ALKALINE TRIO. Wenn diese Jungs mich anrufen wurden und sagen „Komm nach Chicago, lass uns ein Album aufnehmen“, würde ich sagen: „Okay, ich sitze schon im Flugzeug.“ Es ist nur so, dass wir das noch nicht gemacht haben. Die EP, die wir jetzt gemacht haben, das lag an Jeff, der sagte: „Ich habe diesen Song, wir sind mitten in dieser Pandemie, Vic. Lass uns das machen.“ Und ich sagte: „Ja, klar!“

Wir reden über die DEAD ENDING-7“ „American Virus“?
Ja. Diese Bands sind also nicht wirklich aktiv, aber ich würde morgen wieder mit jedem von diesen Jungs loslegen. Ich würde wieder mit ALLOY spielen, wenn es einen guten Grund für uns gäbe, oder mit JONES VERY. Ich meine, ich würde sogar mit ARTICLES OF FAITH wieder ins Studio gehen.

Wie ihr es 2010 getan habt ...
Ja, genau. Als wir uns für das Riot Fest noch mal zusammengetan haben, haben wir ganz bewusst die Entscheidung getroffen, dass wir nicht nur eine nostalgische Live-Show spielen, sondern auch eine Reihe neuer Songs schreiben, um der Band wieder etwas Feuer und Energie zu verleihen. Und deshalb haben wir diese Platte gemacht, „New Normal Catastrophe“. Es uns ging nicht ums Geld oder eine gewisse Wehmut, sondern darum, dass ein paar Jungs, die lange nichts mehr miteinander gemacht hatten, wieder zusammenkommen und etwas von ihrem ursprünglichen Spirit wiederaufleben lassen. In dieser Hinsicht war die Platte ziemlich wichtig. Ich bin froh, dass wir diese Platte gemacht haben; ich denke, es ist eine gute Platte. Ich denke, sie kann mit den klassischen ARTICLES OF FAITH-Sachen mithalten. Aber ich würde nicht unbedingt auf die Idee kommen, das spielen zu wollen, was wir wahrscheinlich nicht mehr spielen könnten: Hardcore! Ich möchte nicht mit ARTICLES OF FAITH auftreten, wenn wir „Buy this war“ und „Wait“ spielen müssten. Ich glaube nicht, dass ich „Wait“ in meinem Alter überhaupt noch spielen könnte. Ich bin nicht abgeneigt, wieder was mit ARTICLES OF FAITH aufzunehmen, es wäre interessant, es zu versuchen, aber ... Wenn man sich die letzte GANG OF FOUR-Platte anschaut, die Andy Gill gemacht hat, da hat er mit ein paar Sachen experimentiert ... Aber ich weiß nicht, ob die Fans das wirklich wollen. Leute, die ARTICLES OF FAITH mögen, mögen die klassischen ARTICLES OF FAITH. Und daran ist nichts auszusetzen. Und wenn ich musikalische Experimente will, muss ich das nicht mit ARTICLES OF FAITH tun. Ich kann es auch mit RSA und DEAD ENDING tun. Mit REDSHIFT sowieso. Also, warum sollte ich so was machen? Du hast doch die Platten. Das ist genug.

Ich kenne die anderen Jungs von REDSHIFT gar nicht. Sind darunter irgendwelche Mitglieder aus früheren Bands?
Nein, es ist wahrscheinlich die eigenständigste Band, in der ich seit langem gespielt habe. Mike Catts ist der Bassist und Adam Gross ist der Schlagzeuger, und keiner von beiden kommt aus der Hardcore- oder gar der Alternative-Rock-Szene. Mike ist Jazz-Lehrer, er ist Jazz-Bassist; er spielt Stand-up-Bass im Vito’s in einem traditionellen Jazz-Dreiergespann, und Adam spielt in einer Rhythm’n’Blues-Band, einer Tower-of-Power-artigen Band namens BATTLESTAR KALAKALA. Er ist wirklich so etwas wie ein „funky Drummer“. Ich lernte diese Jungs kennen, als ich mal wieder etwas Neues ausprobieren wollte. Es gibt hier in Seattle eine Theatertruppe namens 14/48, und vor der Pandemie riskierte ich es, als Mitglied des Orchesters bei einem ihrer Projekte mitzumachen. Und so saß ich mit ihnen vor der Bühne und spielte Gitarre, obwohl ja ich kein ausgebildeter Musiker bin. Alle anderen Beteiligten schon, auch Adam und Mike. Sie können Noten lesen. Und die Regie legte uns Katy Perry- und Kelly Clarkson-Songs vor, die wir spielen sollten. Ich musste mir die Stücke immer erst einige Male anhören, bevor ich sie spielen konnte. Ich habe mir die Griffe nach und nach ertastet, um herauszufinden, wie ich das auf der Gitarre umsetzen kann. Aber ich wollte das schaffen, weil ich mich an etwas wagen wollte, das komplett außerhalb meiner Komfortzone liegt, und das mich als Gitarrist herausfordert, das mich dazu zwingt, besser zu spielen, als ich es eigentlich kann. So lernte ich Mike und Adam kennen. Und das Tolle an REDSHIFT ist, dass es eine ständige Herausforderung ist, wenn ich mit Musikern ihres Kalibers spiele und der einzige Gitarrist in der Band bin. Ich versuche immer, etwas zu finden, das neu und aufregend klingt und anspruchsvoll genug ist, um mit Mike und Adam mitzuhalten. Und ich glaube, für die beiden bedeutet REDSHIFT andererseits, das Gehirn mal auszuschalten und Musik nicht als künstlerische Disziplin zu betrachten, sondern jetzt auf ihren Bauch zu hören, denn ich bin ein sehr intuitiver Musiker. Das Wunderbare daran ist, wenn wir das beides zusammenbringen, entsteht etwas ziemlich Einzigartiges. Die Platte kommt imn Oktober 2022 auf Boss Tuneage. Ich glaube, sie könnte den Leuten wirklich gefallen. Bisher sind die wenigen Auftritte, die wir in Seattle gespielt haben, super gut angekommen; ich kann mich an keine Band erinnern, die von Anfang an so gutes Feedback bekam. Wir sind offensichtlich in etwas hineingestolpert. Es ist ziemlich aufregend.

Ich war etwas schockiert, als ich sah, dass die ARTICLES OF FAITH-Diskografie bei Alternative Tentacles derzeit out of print ist.
Ja, da gibt es ein Problem. Ich muss das mit Jello klären. Das Ding ist, dass der Geschäftsführer von Alternative Tentacles, Dominic Davi, kürzlich einen Schlaganfall hatte, und ich möchte A/T und Dominic nicht belasten, während er sich erholt. Ich habe also weder mit ihm noch mit Biafra irgendwie Stress. Aber wir müssen diese Sache wirklich klären, denn ich finde es eigentlich auch nicht akzeptabel, dass ARTICLES OF FAITH bei A/T ausverkauft ist.

Es gibt auch noch ein zweites Akustik-Album, das du gerade auf Bandcamp veröffentlicht hast ...
Ja, „In Hope And Fear“. Ich habe es auf Bandcamp veröffentlicht, aber die Tracks klingen scheiße; die Audioqualität ist einfach super schlecht. Und jetzt habe ich tatsächlich die originalen Zwei-Zoll-Bänder gefunde und werde sie digitalisieren, neu abmischen und die Platte richtig herausbringen. Das mache ich hauptsächlich, weil meine Tochter das unbedingt will. Meine Tochter ist Musikerin in New York City und sie hat einen ganz anderen Stil als ich. Sie ist in einer Band namens VICTORY SEEDS. Aber sie mag meine akustischen Sachen wirklich, weil sie hauptsächlich akustische Musik spielt, also drängt sie mich immer wieder dazu, „In Hope And Fear“ zu veröffentlichen. Also werde ich es tun. Ich habe „In Hope And Fear“ 1987 aufgenommen. Für mich ist es eine sehr optimistische Platte. Es ist ein bisschen wie die JONES VERY-Sachen und die sind eigentlich alle sehr „heiter“, außer vielleicht die letzte Platte. Die ist auch ziemlich düster. Damals war ich viel optimistischer, was vieles angeht. Ich war 27 Jahre alt, das Leben lag vor mir und ich war ziemlich glücklich. Ich meine, du weißt ja, dass ich mich immer über Politik aufgeregt habe, aber wie gesagt, ich bin nicht wirklich ein depressiver Mensch. „In Hope And Fear“ enthält also viele optimistische Töne, und ich glaube, das ist ein Grund, warum Sophie es auch mag: Sie mag es, wenn ihr Vater optimistisch ist.

Mir gefallen deine akustischen Sachen auch sehr.
Ich habe wirklich viel Spaß dabei. Die letzte Show, die ich mit Bob Mould hier in Seattle spielen wollte, wurde ja verschoben, weil er an COVID-19 erkrankt ist. Also spiele ich weiterhin akustisch hier im Haus. Ich mag die Strenge des akustischen Spiels. Ich habe auch wirklich Spaß am Singen; ich mag es, meine Stimme zu fordern. Meine Stimme ist fast einen ganzen Ton tiefer geworden. Früher habe ich in F gesungen, und jetzt singe ich in Es. Je älter ich geworden bin, desto tiefer und kräftiger ist meine Stimme geworden, und ich genieße es, sie ein bisschen auszuprobieren.

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Diskografie

ARTICLES OF FAITH: „Give Thanks“ (LP, Reflex, 1984) • „In This Life“ (LP, Lone Wolf, 1986) • „Core“ (LP, Bitzcore, 1991) • „Complete Recordings Vol. 1 1981-1983“ (LP, Alternative Tentacles, 2002) • „Complete Recordings Vol. 2 1983-1985“ (LP, Alternative Tentacles, 2002) • „New Normal Catastrophe“ (12“, Alternative Tentacles, 2010) Vic Bondi: „The Ghost Dances“ (LP, Wishingwell, 1988) JONES VERY: „Words And Days“ (LP, Hawker, 1989) • „Radio Wave“ (LP, Bitzcore, 1991) • „New Life For Lies“ (LP, Jade Tree, 1992) EIDOLON: „Sanctuary“ (LP, Jade Tree, 1992) ALLOY: „Eliminate“ (LP, Bitzcore/Bloom, 1992) • „s/t“ (LP, Engine, 1993) REPORT SUSPICIOUS ACTIVITY: „s/t“ (LP, Alternative Tentacles, 2005) • „Destroy All Evidence“ (LP, Alternative Tentacles, 2008) • „Leviathan“ (LP, Artic Rodeo, 2017) DEAD ENDING: „Shoot The Messenger“ (LP, Alternative Tentacles, 2017) REDSHIFT: „Worst-Timeline-Possible“ (LP, Boss Tuneage, 2022)