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TY SEGALL

Harmonizer

Niemals war der zeitliche Abstand zwischen zwei Alben länger bei Ty Segall, dem ADHS-Wunderkind der Garagenoise-Szene, der tatsächlich zwanzig Monate gebraucht hat, um den Nachfolger zum 2019er Album „First Taste“ aus dem Hut zu zaubern. Das hatte selbstverständlich gute Gründe, denn zunächst musste Ty sein Studio zu Ende bauen, und mit „Harmonizer“ landet nun die erste Produktion aus diesem ebenso betitelten Studio in Läden und bei Streamingdiensten. Ein Album mit typischer Segall-Brachialität, nicht zuletzt bei den bratenden Sägezahn-Gitarrenriffs, das sich mit ungewöhnlich verdichteten Sounds, komprimierten Beats (nicht selten auch elektronisch erzeugt) und ausufernden Synth-Schüben weit abseits üblicher Garage-Produktionen bewegt. Man spürt, dass hier jemand alle seine Möglichkeiten erstmal auf Funktionalität testet. Tys Experimentierwut ist hier kaum zu begrenzen, wie ein Kind tobt er sich mit Co-Producer Cooper Crain (tätig auch für CAVE und die BITCHIN BAJAS) aus, dreht an jedem Knopf des neuen Mischpults mindestens einmal und schaltet jeden Effekt mindestens einmal ein und wieder aus. Da bedarf es schon ungewöhnlich starken Songmaterials, um einigermaßen unbeschadet aus dem Sound-Wirrwarr herauszukommen. Doch ein abgebrühter Haudegen wie Segall ist Profi genug, um bei aller Verspieltheit nicht den Song aus den Augen zu verlieren, er verzettelt sich niemals, liefert stattdessen so etwas wie zeitgenössischen Garage-Prog, bedient sich aller Tricks, kann allerdings nicht wirklich mit so etwas wie einem Hit aufwarten, was vermutlich auch gar nicht intendiert war.