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RED CITY RADIO

Paradise

Nachdem sie mit ihren letzten Alben und EPs den hymnischen Punkrock quasi durchgespielt haben, machen sich RED CITY RADIO nun in neuer Besetzung daran, ihren heimlichen Vorbildern Tribut zu zollen. Dabei ist mit „Paradise“ ein Album entstanden, das wie ein Heilmittel gegen den tristen Winter und vor allem eine angespannte, ja stressige Lage wirken könnte. Die Band um Sänger Garrett Dale greift auf jene Talente zurück, die sie schon bei „The Dangers Of Standing Still“ von der Masse abgehoben haben: stellenweise bis zu vierstimmiger Gesang und punkige Rocksongs, die großes Hymnenpotenzial besitzen. Zwölf Songs, die so hart zum Mitgrölen einladen, dass die Sehnsucht nach Konzerten immer größer wird, je länger die Clubs geschlossen bleiben müssen. Wer „Paradise“ hört, ist nicht allein. Das liegt zu einem großen Anteil sicher an der rauhen, aber warmen Stimme Dales, der zwischen Verzweiflung und Niederlagen auch immer wieder Hoffnung durchblitzen lässt. Songs wie der Opener „Where does the time go?“, der nur aus einer, sich immer wiederholenden Songzeile besteht, oder „Love a liar“ mit seinem THIN LIZZY-Gitarrenriff, sind nur zwei Beispiele, wie entfesselt RED CITY RADIO an diese zwölf Songs herangegangen sind. Gitarrist Ryan, der vor sechs Jahren als Bassist von NOTHINGTON per Schnellverfahren zu seinem neuen Job gekommen ist, erzählt im Interview davon, wie stolz die Band aus Oklahoma auf ihr neues Album und die bandeigene Entwicklung ist. Vor allem aber bestätigt er den Eindruck, dass die vier sich von Genre-Nachbarn wie HOT WATER MUSIC oder auch GASLIGHT ANTHEM entfernt und ihre Unbeschwertheit (wieder-)entdeckt haben. Daran scheint auch das neuste Bandmitglied Derik seinen Anteil gehabt zu haben, da die Band nicht müde wird zu betonen, dass sich nun die wohl stärkste RED CITY RADIO-Formation gefunden habe. Und das kann man auch hören. Das erste „echte“ Album seit fünf Jahren ist keine Pandemie-Platte geworden. Es ist vielmehr ein Anstoß, sich an manchen Stellen auch einfach mal selber zu entschleunigen und dem ganzen Wahnsinn sowie der Hektik um uns herum zu entkommen. Ob das mit oder ohne die Hilfe von Drogen funktionieren kann, lassen RED CITY RADIO erst mal offen. Die Schattenseiten, wie den Kater nach der versoffenen oder durchgemachten Nacht sowie die Kopfschmerzen, haben sie auf jeden Fall auch kennen gelernt. Songs wie „Apocalypse, please!“ oder das bluesige „Fremont Casino“ wirken wie Spiegelbilder einer Zeit, in der eigentlich mehr schief- als gut läuft. „Paradise“ ist etwas ganz Besonderes für diese Band, die sich vorgenommen hat, niemals stillzustehen. Dass unter diesen Voraussetzungen zwölf Songs entstanden sind, die so verdammt gut und unverkrampft klingen, zeigt, wie fantastisch RED CITY RADIO doch sind.