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GUM BLEED

Punx Save The Human Race

„Es ist Zeit, wieder auf die Straße zu gehen und zu kämpfen“, antwortet Sänger Dee im Interview in dieser Ausgabe auf meine Frage nach den Motiven für das neue Album „Punx Save The Human Race“. Das hitverdächtige dritte Studioalbum der sympathischen Pekinger GUM BLEED ist gerade bei Ring Of Fire erschienen und bietet abwechslungsreichen wütenden, kämpferischen und reflektierten Hardcore und Punkrock, der hymnisch komponiert ist und wirklich was zu sagen hat. Kein Blatt vor den Mund zu nehmen, erfordert in China nach wie vor Mut. Chapeau! Vom erfrischenden, aber sehr reduzierten Hardcore der frühen Jahre ab 2006 hat sich die Band endgültig emanzipiert, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. Die zehn neuen Songs schließen musikalisch unmittelbar an die „City Of Heroes“-LP (2014) an. Die Band hat einen eigenständigen Sound kreiert, der mal an die RAMONES erinnert und den frühen britischen Punkrock und mal THE CUASUALITIES an die Wand spielt. Eindringlich, aber frei von Pathos beschwören die Lyrics angesichts des globalen Aufstiegs antidemokratischer Bewegungen und Regierungen ein selbstbestimmtes, solidarisches, demokratisches und diskriminierungsfreies Miteinander. Das Album ist zugleich eine Kampfansage an Autoritarismus und Menschenverachtung und eine Solidaritätsadresse an alle, die dagegen aufbegehren. Das Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche Songs. Ich kann nur kurz auf die Highlights eines starken Albums eingehen: Der trashige Opener „Off the hooks“ beschreibt die Wiederbesinnung des Selbstzufriedenen auf seinen widerständigen Impetus. Der Punkrock-Song „Leave tonight“, eine Hymne auf die Freiheit, scheint dazu im Widerspruch zu stehen. Beschrieben wird dort die Flucht des Protagonisten vor Erniedrigung. „Data rights“ problematisiert Big Data und die Aufrüstung des Überwachungsstaates im Kampf gegen die Corona-Pandemie. „Punx save the humnan race“ ist wieder eine Hymne auf die zwischenmenschliche Solidarität und den Kampf gegen Unterdrückung. Kritik an der Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber der Welt, in der sie leben, formuliert „No one really cares“ und zeigt Haltung: „Don’t give up ourselves but dare to touch the flame / Go through that storm, we gonna reach the shore“. Trashiger Hardcore dominiert die Songs „Pay the price“, eine Hommage an Julian Assange und eine Ode an die Meinungsfreiheit, und „Crush ’em all“. Deutlicher kann die Hoffnung, das System zum Einsturz bringen zu können, nicht besungen werden. Mit einer Punkrock-Version von „Heart of a hero“, die die eigenen Resilienz gegen Unterdrückung und Überwachung feiert, klingt ein bemerkenswertes Album aus. „Punx Save The Human Race“ wird die Menschheit nicht retten. Es macht die Welt aber für 36 Minuten erträglicher.