Foto

MARTIN REV

See Me Ridin’ / Strangeworld

Martin Rev, Jahrgang 1947, war die andere Hälfte von SUICIDE, deren Ende mit dem Tod von Alan Vega am 16. Juli 2016 gekommen war. SUICIDE, die für mich noch vor KRAFTWERK die wichtigste Pionierband in Sachen elektronischer Musik sind, gründeten sich 1970 in New York, waren Punk, bevor andere überhaupt das Wort kannten. Vega war die Stimme von SUICIDE, Rev der Klangkünstler, der Mann an den Tasten, der auch solo einige Alben veröffentlichte. Das erste, titellose kam 1980, „Clouds Of Glory“ erschien 1985 auf New Rose, „Cheyenne“ 1991 auf Marilyn. „Clouds Of Glory“ und „Cheyenne“ wurden, nachdem sie lange Jahre nicht mehr erhältlich waren, 2019 von Bureau B neu aufgelegt. Nun hat das Hamburger Label für die eklektischeren Bereiche der Populärmusik sich auch an die Neuauflage von zwei weiteren Rev-Solowerken gemacht. „See Me Ridin’“ erschien 1996 auf dem New Yorker ROIR-Label, das schon sehr früh mit SUICIDE (aber auch BAD BRAINS) verbunden war. Man sollte meinen, ROIR-Boss Neil Cooper hätte gewusst, worauf er sich bei Rev einlässt, aber selbst Cooper war überrascht von Revs Neuinterpretation der R&B- und Doo-Wop-Musik aus dessen Kindheit und Jugend in New York, der dieser in einem Akt der Reduktion und Verfremdung einen originären, dem Erbe von SUICIDE entsprechenden Mantel überwarf. Incredibly strange music? Könnte man so sagen, aber schocken kann das nur, wem SUICIDE zu hart sind. Fast schon konventionell mutet demgegenüber „Strangeworld“ aus dem Jahr 2000 an, das auf dem finnischen Label Puu bzw. Säkhö erschien. Auch hier drückt das Doo-Wop-Element noch durch, aber insgesamt entspricht die Klangfarbe mehr dem, was man sonst von Rev kennt und erwartet. Faktisch ist das gesamte musikalische Schaffen von Rev, der am 18. Dezember 1947 geboren wurde, von einer einzigartigen Klangfarbe geprägt, dem unverwechselbaren Umgang mit elektronischen Tonerzeugungswerkzeugen – die verschiedenen Alben sind nur changierende Klangfarben. Mich wird Rev nie aufhören zu faszinieren, seit ich SUICIDE mit 18 in Berlin für einen kurzen 20-Minuten-Auftritt live erleben durfte.