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DINOSAUR JR.

Sweep It Into Space

Einmal mehr verfluche ich meine privilegiert Situation, Wochen vor Release ein Album hören zu dürfen, um darüber zu schreiben. Die Platte auch über drei, vier Wochen wieder und wieder zu hören, trotzdem das Schreiben der Rezension bis zur letzten Sekunde vor dem Drucktermin herauszuzögern, weil ... weil! Ist ein Album erst mal raus, ist es leicht eine Meinung dazu zu haben – hunderte Fans hören mehr als einer, entdecken Aspekte und Details, die man selbst nicht im Blick hatte, es sind schon Interviews erschienen, in denen die Musiker Hintergründe erläutern. Und gerade eine Band wie DINOSAUR JR. macht es mir gleichermaßen schwer wie leicht: seit Ende der Achtziger begleiten mich J, Lou und Murph, sind mit ihrer Musik sowas wie große Brüder – immer da, mal nah, mal entfernter. „Give a Glimpse of What Yer Not“, das Vorgängeralbum, kam tatsächlich schon 2016, fast fünf Jahre hat sich das Trio mit dem Nachfolger Zeit gelassen? Nein, geplant war der Release des 2019 aufgenommenen Album bereits für Mitte 2020 ... aber bekanntlich kam alles anders. Fast erstaunt bin ich nach einem Blick in die Bandbiografie, dass die unerwartete Reunion echt schon 2005 war ... damit sind Lou Barlow, J Mascis und Murph tatsächlich in der Neuauflage länger ein stabiles Team als in der Frühphase, die nur von 1984 bis 1989 dauerte, aber die genreprägenden Alben „Dinosaur“ (1985), „You’re Living All Over Me“ (1987) und „Bug“ (1988) hervorbrachte, mit denen sie, wie HÜSKER DÜ aus dem Hardcore kommend, den US-Gitarrenunderground auf eine neue Spur setzten. „Sweep It Into Space“ ist nun das zwölfte Album, und im Grunde kann ich mein Urteil auf diese frohe Botschaft reduzieren: Alles wie immer. Js Stimme hat sich nicht verändert im Alter, sie knarzt, sie säuselt, und sein Gitarrenspiel ist so markant und explizit wie eh und je. Drummer Murph schiebt das Ganze von hinten an, nachdrücklich und entspannt, und Lou Barlow am Bass und teils auch am Gesang macht Druck, ist seit der Reunion der Beweis, dass er zwar gefühlt immer einen Schritt hinter J steht, aber ohne ihn DINOSAUR JR. eben – siehe die Jahre, da die Band faktisch Mascis’ Solo-Ding waren – nie so klangen wie mit ihm. Mit „I ain’t“ geht das Album archetypisch los: „Wie klingen eigentlich DINOSAUR JR?“ – „So!“ Und dann „I met the Stones“, das losgeht, als könne man gleich – nein, nicht die Stones – erwarten, sondern JUDAS PRIEST und „Turbo lover“ – sehr knackiger Gitarrensound! „Garden“ ist dann – vermute ich – eine Barlow-Komposition, er singt auch, und es klingt so elegisch, schwelgerisch, wie man das von dessen Solo- und SEBADOH-Platten kennt. Tolle Orgeluntermalung – ein erhabener, erhebender Song. Und dann „Take it back“, eine seltsame, fröhliche Kneipennummer, die wohl auch akustisch funktionieren würde, mit Pianobegleitung. Hoffen wir auf eine Tour irgendwann 2022 ...