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UNDERDOG # 63

Das Underdog widmet sich immer ausführlich einem Thema, dieses mal Punk und Subkulturen in Südostasien. Da ich mich für die Ox-Reihe „Punk und Religion“ auch ein bisschen mit muslimisch geprägtem Punk beschäftigt habe, freut mich das sehr. 65 von 78 Seiten der Ausgabe decken den Themenkomplex inhaltlich und methodisch sehr breit ab. Den Anfang machen eine auf Online-Recherche basierende Einleitung und ein Überblick zur islamischen Punk-Szene in Indonesien. Der Exkurs zum Taqwacore passt hier nicht ganz rein, da er in erster Linie ein amerikanisches Phänomen und von amerikanischen Kulturmuslimen geprägt war, gehört aber der Vollständigkeit halber schon in den Kontext. Darauf folgt ein Interview mit Diana Ringelsiep und Felix Bundschuh über ihren Film „A Global Mess“, wobei die Szenen Südostasiens aus europäischer Wahrnehmung beschrieben werden. Ebenfalls interviewt wird die Hamburger Band NARCOLEPTIC, die ihre Tour in Thailand, Malaysia, Singapur und Indonesien filmisch festgehalten und als Dokumentation mit dem Titel „Komunitas“ veröffentlicht hat (kann man auch beim bösen A auf Prime sehen). Mika Reckinnen (Trust Fanzine, Alleiner Threat) kommt auch zu Wort und lässt seinen Aufenthalt auf den Philippinen Revue passieren. Pinoy Punk! Wusste ich noch nichts drüber, von daher für mich der interessanteste Teil. Insgesamt eine schlüssige Herangehensweise aus mehreren Perspektiven mit einer angenehmen Detailverliebtheit (viele Bandnamen, Nennung von autonomen Projekten, Schlüsselfiguren der Szenen). Die Widersprüche zwischen Anti-Patriarchat, Anarchismus und Auflehnung einerseits sowie religiöser Prägung, Sexismus und faschistischen Tendenzen andererseits werden benannt, gegenüber gestellt und hinterfragt. Die sehr akademisch-wissenschaftliche Herangehensweise hat Vor- und Nachteile: es gibt viele Quellenangaben, um bei Interesse weiter zu surfen. Bei sprachlichen Verklausulierungen wie „Andere in Jakarta ansässige Bands sind TENGKORAK [...], die den Islam als ideologische Grundlage übernehmen und diese in die subkulturellen Szenen transportieren“ lassen mich aber schmunzeln. TENGKORAK sind „islamistische Aktivisten mit einem Faible für den IS“ hätte da gereicht. Den Abschluss machen die wie üblich detaillierten Fanzine-Besprechungen. Keine Schnellschüsse, hier wird wirklich intensiv gelesen und begründet kritisiert. Gutes Heft, danke dafür!