DRITTE WAHL

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Klare Worte aus dem Norden

Ein harter Schlag traf die Rostocker DRITTE WAHL im Januar 2005, als ihr langjähriger Freund und Gründungsmitglied Marko "Busch'n" Busch nach einer schweren Erkrankung verstarb. Sehr lang war die Kondolenzliste auf ihrer Homepage dritte-wahl.de, aber schon kamen die sympathischen Drei mit einem neuen Album um die Ecke. Ein wieder einmal ausverkauftes Gastspiel in der Moritzbastei Leipzig und bisher nur ein einziges Interview im Ox brachten mich dazu, den Fischköppen mal ein paar Fragen zu stellen.


Wie habt ihr den Tod von Busch'n verkraftet?


Wir hatten eine richtig schlimme Zeit. Mit Busch'n haben wir ja nicht nur einen Mitmusiker, sondern, und in erster Linie, einen sehr guten Freund verloren. Es ist verdammt hart, einen Menschen so vergehen zu sehen! Wir haben aber schon, als Busch'n noch lebte, über die Zukunft geredet. Er ist sehr offen mit dem Thema Tod umgegangen und wir haben gemeinsam überlegt, was wir wohl machen, wenn er es nicht schafft. Er hat uns ermuntert weiterzumachen. Und letztlich wusste er sogar, wer sein Nachfolger werden könnte. Stefan war unser und Busch'ns Wunschkandidat. Mit dem neuen Album haben wir noch gemeinsam angefangen. Busch'n kannte alle Songs und wir haben sie noch zusammen einstudiert, in der Hoffnung, dass wir "Fortschritt" gemeinsam aufnehmen können. Leider wurde sein gesundheitlicher Zustand immer schlechter und so ist er nur noch einmal am Bass und einmal im Chor zu hören. Nach seinem Tod war es schwierig, mit der Platte weiterzumachen. Busch'n hat unseren Sound sehr geprägt. Auf der anderen Seite war es gut, eine ausfüllende Beschäftigung zu haben. Wir haben uns gesagt: "Wenn schon nicht mit, dann eben für Busch'n!". Live sieht man ihn natürlich ab und an noch über die Bühne springen, wenn man die Augen schließt. Stefan klingt am Bass und Gesang schon sehr ähnlich, ohne ihn zu kopieren. Achtzehn Jahre gemeinsames Musizieren vergisst man eben nicht so schnell.

Wo kommt Stefan her und konnte er sich schon in die neuen Songs einbringen?

Stefan ist ein langjähriger Freund und dem einen oder anderen vielleicht schon als Gitarrist der CRUSHING CASPARS bekannt. Er kommt aus der Nähe von Rostock und wird hoffentlich lange bei uns bleiben. An der neuen Platte hat er noch nicht mitgewirkt, aber ich denke, dass er in Zukunft schon seine Akzente setzen wird.

Ihr seid schon immer eine politische Band gewesen. Auf der neuen Scheibe ist ein Song, der sich sehr kritisch mit religiösen und fanatisch-idiotischen Selbstmordattentätern auseinandersetzt.

Ich finde es einfach feige und gemein, wahllos irgendwelche Menschen umzubringen, nur um politische oder religiöse Ziele durchzusetzen! Die Damen und Herren sollten sich doch lieber mit ihren direkten Gegnern - also Entscheidungsträgern aus Politik, Religion und Wirtschaft - auseinandersetzen. Dazu fehlen aber scheinbar Grips oder Mumm. Man hört ja heute fast jeden Tag von solchen Anschlägen und ich muss schon sagen, dass mich das etwas ängstlich stimmt. Ein Gegenüber, das keine Angst vor dem Tod hat, ist schwer einzuschätzen.

"Rastermann" ist ein typischer DRITTE WAHL-Text, auch wenn Reggae-Tunes von euch bisher eher selten zu vernehmen waren. Ska gab es ja schon öfters von euch, wie kam's?

Na ja, "Free hash" war ja auch schon ein Reggae-Stück. Ich hatte den Text mit dem Rastermann-Refrain und da musste doch irgendwie ein Reggae draus werden.

Ihr hört sicher oft den Vorwurf: DRITTE WAHL ist mir zu plakativ! Das habt ihr ja ganz gut auf der neuen Scheibe im gleichnamigen Song verarbeitet. Andererseits ist gerade dieser geradlinige Ausdruck in euren Texten eine eurer Stärken, oder?

Es gibt halt Leute, die machen es so, und andere gehen die Sache wieder anders an. Wir machen Texte so, weil wir es nicht anders wollen und vielleicht auch nicht anders könnten. Ich finde es aber gut, dass andere Bands ihre Meinungen und Anliegen mehr verpacken. So ist halt für jeden Tag und jeden Anlass das Passende am Start!

Ihr bekommt sicher noch öfters "Kommerz!"-Rufe zu hören. Aber in jedem kleinen AJZ könnt ihr ja auch nicht mehr spielen, da sicher zu viele Leute kommen. Wie seht ihr diese Entwicklung als Band, die ja auch mal ganz klein begonnen hat?

Wir spielen auch noch kleine Konzerte, teilweise ohne Werbung, um den Rahmen nicht zu sprengen. Ich finde beides reizvoll: Größere Hallen haben meist den besseren Sound und mehr Platz auf der Bühne, in kleineren Klubs dagegen sind die Konzerte intensiver und man steht als Musikus mittendrin. Schön, dass wir beides machen können. Mit dem Kommerzvorwurf ist das eh so eine Sache. Jede Band die auch nur ansatzweise erfolgreich wird, bekommt das zu spüren, aber Bands brauchen natürlich auch etwas Geld, um zu existieren, für Probenraum, Instrumente, Bus und so weiter. Wenn man dann noch anfängt, Platten zu produzieren, dann hat das natürlich auch mit Geld zu tun. Die Aufnahmen kosten oft nicht wenig und das Pressen und etwas Werbung wollen auch bezahlt sein. Ich denke, jede Band muss sich fragen, wie weit sie gehen will und was für sie akzeptabel bleibt. Wir verkaufen live unsere Shirts und unsere CDs und LPs immer noch für 10 Euro und der Eintritt für unsere Konzerte liegt fast immer im einstelligen Eurobereich. Nun, am Ende muss sich jeder Musikfreund und natürlich auch jede Musikfreundin fragen, ob der Weg einer Band noch der seine/ihre ist.

Seht ihr live oder in den Verkaufszahlen ein Nord-Süd- oder gar ein Ost-West-Gefälle?

Nein. Vielleicht kommen in Thüringen und Sachsen etwas mehr Leute zu den Konzerten, aber im Grunde fahren wir überall gern hin.

Ihr seid im vergangenen Jahr mal wieder mit Wattie und THE EXPLOITED unterwegs gewesen. Wie läuft das und wie kommt ihr im Ausland an?

Das war ja die zweite Tour mit EXPLOITED und wir sind den Jungs natürlich dankbar, dass sie uns noch mal mitgenommen haben. Diesmal lief es für uns richtig gut. Wir haben allerdings auch etwas englisch gesungen. Das klingt im Ausland vielleicht doch noch etwas vertrauter.

Wie viele Platten setzt ihr mittlerweile ab? Welchen Anteil hat dabei das Vinyl?

Wir haben bei "Halt mich fest" von 2001 etwa 10.000 Platten und CDs verkauft. Der Vinylanteil liegt da bei circa zehn Prozent. Bei der letzten Platte "Fortschritt" kann man das noch nicht sagen - die ist ja erst seit gut vier Monaten draußen, aber die limitierte Erstauflage von 5.000 CDs ist schon weg.

Mit eurem eigenen Label Dritte Wahl Records habt ihr ja schon einige Schritte zur Selbständigkeit vollzogen. Was macht ihr sonst noch neben der Band?

Krel und ich jobben mal hier, mal da und Stefan arbeitet beim DRK.

Ihr werdet im Tourbus sicher nicht nur Deutschpunk hören? Welche Musik hat euch in der letzten Zeit beeindruckt und beeinflusst?

Wir hören momentan wieder viel altes Zeug. AC/DC, JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN, MOTÖRHEAD, aber auch so Klassiker wie DEAD KENNEDYS, DIE TOTEN HOSEN, SLIME, TOXOPLASMA. Dazu gesellen sich Aufnahmen von MASSIVE ATTACK, AIR, PINK FLOYD, POTHEAD und so weiter. Eigentlich alles, was man so kennt.

Wer ist für den plattdeutschen Text im letzten Lied auf der neuen Platte verantwortlich? Euch Küstenbewohnern ist das bestimmt geläufig, aber der Rest in Deutschland wird das sicher nicht verstehen. Steht ihr auf alte Dialekte?

Das war noch Busch'ns Idee und mein Vater, der auch Krels Vater ist, hat den Text übersetzt. Er kennt das Plattdeutsche noch von früher. Ich kann es zwar größtenteils verstehen, aber sprechen kann ich es nicht. Es ist natürlich schade, wenn solche alten Sprachen aussterben - und das in nur zwei Generationen! -, aber vielleicht ist es auch der Lauf der Welt. Ich würde mich nicht wundern, wenn hier in 200 Jahren alle Englisch reden.

Für das Rock Hard seid ihr immer noch die "linken Onkelz", obwohl ihr ja damit sicher nicht viel anfangen könnt. Außer dem leicht metallischen Einschlag in euren Arrangements gibt's doch nun wirklich nicht viele Gemeinsamkeiten, oder sind das immer noch Nachrufe wegen des gemeinsamen Festivalauftritts vor einigen Jahren?

Ich habe mich noch nie sonderlich für die Onkelz interessiert. Es gibt genügend geile Bands auf diesem Planeten, dass ich wirklich auf so zweifelhafte Musikanten verzichten kann. Ich weiß auch nicht, ob wir uns so ähnlich sind, aber da der Vergleich öfters und nicht nur vom Rock Hard kommt, scheint da ja was dran zu sein. Wir haben 1996 auf dem Wacken-Open-Air gespielt und da sind die Onkelz auch aufgetreten. Unser Konzert war nachmittags um 14.00 Uhr und das der Onkelz abends und ich weiß nicht einmal, ob am selben Tag. Wir hatten an dem Abend noch einen Gig in Thüringen und sind gleich nach dem Spielen wieder los - also keine Zeit für eine Bandfreundschaft.

Ihr habt jetzt sieben deutschsprachige Alben, eine englische Best-Of-Compilation, das Nebenprojekt HEIN BUTT, zwei Livealben und einige Singles veröffentlicht. Was kommt als nächstes, eine DVD?

Ja, noch vor dem Sommer 2006 wollen wir eine Live-DVD veröffentlichen. Wir haben dazu unseren Auftritt im AJZ Chemnitz im Jahre 2005 mitgeschnitten. Für den Herbst haben wir eine CD mit unseren Singles geplant. Teilweise sind die heute gar nicht mehr zu bekommen. Dazu sollen auf dieser CD/LP auch einige seltene Aufnahmen aus früheren Jahren zu hören sein.

Stichwort "Ideale": Ihr seid locker über 30 und immer noch reichlich auf Tour. Was treibt euch immer wieder raus in die Ferne?

Wir sind halt immer noch gerne zusammen unterwegs. Wir verstehen uns sehr gut und was gibt es Schöneres, als mit Freunden zu verreisen? Die Getränke sind frei und es kommen immer noch viele Leute zu unseren Konzerten. Ich hoffe schon, dass wir das noch eine Weile so machen dürfen. Dazu kommt natürlich, dass wir auch Familien haben, die uns weg lassen. Gerade wenn man Kinder hat, ist das keine Selbstverständlichkeit.

Locke aus Leipzig