RADIATION KINGS

Bei dem Unterfangen, der geschätzten Leserschaft die drei Protagonisten dieses Interviews namens Christian (Gitarre/Vox), Zapp (Schlagzeug/Vox) und Jochen (Bass) auf möglichst subtile Weise näherzubringen, stellte sich unweigerlich die Frage, inwieweit es ratsam wäre, auf die geographische Affinität der Herrschaften zu jener unlängst landauf landab medial multipel repräsentierten Heimat diverser Klingenmanufakturen sowie ihre Vergangenheit in diversen Bands dieser Metropole anzuspielen, insbesondere wenn nämliche Themen in der nachfolgend abgedruckten Konversation ohnehin angesprochen wurden, was vorliegendes Intro quasi zu einer reinen Zeilenverschwendung verkommen ließe. Viel wichtiger ist doch, daß drei gestandene Männer, die in Textzeilen wie "Don't you know that Brian Jones was killed by THE ROLLING STONES" die Wahrheit knallhart auf den Punkt bringen, sich nicht schämen zuzugeben, aus Elvis-Karaoke-Darbietungen auf SPD-Bürgerfesten ein gerüttelt Maß an Glückseligkeit saugen zu können und beim Hören von ÄRZTE-Platten auch mal ganz still und heimlich ein Tränchen wegdrücken. Es sind nunmal die kleinen Freuden im Leben, die den Unterschied machen. Und der Jochen hat wirklich schicke Bowlingschuhe!

O.k., die ganze Wahrheit von A-Z, bitte.

Christian: Die ganze Wahrheit ist folgende: der Zapp saß rum und schrieb Stücke und hat die mit verschiedenen Leuten gemacht und ich gehörte auch dazu und dann hat sich das so ergeben, daß wir das öfters gemacht haben, und dann hab´ ich auch noch ´n paar dazu gemacht und dann haben wir ´nen Bassisten gehabt, der leider den gasförmigen Zustand bevorzugte und deshalb nicht mehr bei uns spielen kann, und nachdem der sich aufgelöst hatte, kam der Jochen dazu, den wir alle kennen und schätzen aus langjährigen Erfahrungen in diversen Bands, und das ist die ganze Wahrheit.

Mir ist zu Ohren gekommen, daß ihr bei Gründung der Band eine spezielle musikalische Zielrichtung im Auge hattet.

Zapp: Am Anfang ja, da hat mich der Engelhardt in dieser Solinger Disco mal gefragt, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm mal ein bißchen Krach zu machen. Und dieser Krach sollte dann so in etwa in Richtung der genialen STOOGES gehen, weil sowas hier ja noch nicht allzu verbreitet ist. Mittlerweile haben wir uns das aber gar nicht mehr so bewußt auf die Fahne geschrieben.

Christian: Gestern Abend bei der JET BUMPERS Record Release Party im Underground habe ich gesagt, daß wir flotten Rhythm & Blues spielen. Das fand' ich eigentlich ganz treffend.

Das hat Stil! Wie war nochmal die Umschreibung, als ihr im Mono gespielt habt? Soul-Punk?

Christian: So hat uns der Jenz bei unserem ersten Konzert im Kotten angekündigt und das haben andere Leute dann direkt übernommen.

Zapp: Ich finde das mit dem Soul auch gar nicht schlecht. Ich denke mal, daß man irgendwo zwischen OTIS REDDING und den STOOGES so eine Art magischen Schnittpunkt finden kann.

Und in welche Richtung entwickeln sich die RADIATION KINGS jetzt, wo die bewußte Anlehnung an die STOOGES erstmal gefrühstückt ist?

Zapp: Das wissen wir nicht, deswegen wird es jetzt ja auch erst richtig interessant. Wir waren ja auch nicht ausschließlich auf die STOOGES fixiert. Es ging halt um diesen ganzen Detroit-Kram, natürlich auch MC 5, denn die werden ja immer gerne im Tandem mit den STOOGES genannt...

Christian: Und die SAINTS natürlich!

Die Australien-Fraktion.

Zapp: Genau, RADIO BIRDMAN, FUN THINGS usw. Aber mittlerweile denkt man beim Songschreiben gar nicht mehr an andere Bands.

Beim Detroit-Sound denkt man ja auch eher an mittelschnelle, rocklastige Klänge, wohingegen ihr tempomäßig ja doch ganz ordentlich zur Sache geht.

Jochen: Kommt drauf an. Für die VAGEENAS-Fans, die heute Abend hier waren, waren die meisten unserer Stücke wahrscheinlich eher zu langsam.

Zapp: Das Gute an der Band ist, daß ich jetzt zum ersten Mal tief singen kann. Bei meinen vorherigen Bands hat das wegen der Stücke irgendwie nie richtig hingehauen.

Hast du vorher überhaupt mal richtig Lead gesungen, abgesehen von den HEEBIE JEEBIES?

Zapp: Bei den VAGEENAS habe ich ab und zu mal ein Stück gesungen und bei den HEEBIE JEEBIES haben wir halt nur Coverversionen gespielt. Da war man immer auf einen Zeitabschnitt von vier, fünf Jahren Musikgeschichte festgelegt, aus dem man covern durfte, wenn man nicht als stillos gelten wollte. Gegenwärtig ist, glaube ich, gar nichts mehr stillos.

Zum Glück!

Jochen: Au ja, laß uns ´nen Anti-Stil kreieren!

Es ist ja auch nicht so, daß sich hier in der Gegend gegenwärtig haufenweise Bands mit der Vorgabe gründen würden, wie die STOOGES zu klingen.

Zapp: Es ging uns dabei ja auch nicht so sehr um die Musik, sondern eher um die Einstellung. Wenn man sich hundertprozentig auf Punk Rock festlegt, dann finde ich das genauso einengend wie Wiener Walzer. Wir wollen die STOOGES ja nicht kopieren, aber das war halt eine Band, die ´ne coole Einstellung zur Musik hatte. Die haben einfach gemacht, worauf sie Bock hatten, und haben sich im Laufe der Zeit unheimlich verändert.

Ok, Christian, jetzt kommt der unausweichliche Vergleich. Ich finde, die RADIATION KINGS klingen doch ´ne ganze Ecke anders als die JET BUMPERS.

Jochen: Juhuuuu, juhuuuu! Wir haben letztens von irgendwelchen Leuten, die sich berufen fühlen, in Fernsehsendungen über Musik zu berichten, an den Kopf geworfen bekommen, daß wir uns wie eine 1:1-Kopie der JET BUMPERS anhören würden. Wenn man selber Musik macht, ist es natürlich immer schwierig zu sagen, ob so eine Aussage nicht vielleicht doch gerecht-fertigt ist, aber das war für mich echt nicht nachvollziehbar.

Ich denke mal, die Stärke der JET BUMPERS sind die einprägsamen Melodien, die dazu noch sehr druckvoll rübergebracht werden, wohingegen ihr ´ne ganze Ecke rauher und energischer klingt.

Christian: Schwer zu sagen. Ich für meinen Teil kann auch gar nicht anders spielen, weil ich soviel ROLLING STONES höre. Da geht's auch immer nur um drei Akkorde und da ist nunmal nicht viel mit Melodie. Aber wenn du sagst, daß wir rauher klingen, dann finde ich das schon ok. Irgendwie habe ich aber auch gar keine Lust, das miteinander zu vergleichen.

Jochen: Obwohl sich der Vergleich schon aufdrängt. Außerdem ist das für alle Leute eh wieder nur die Solingen-Klitsche, die ja mittlerweile anscheinend schon zum Ruhrgebiet gehört.

Das ist wirklich behämmert! Die meisten Solinger Bands klingen schließlich ziemlich verschieden.

Jochen: Eigentlich schon, aber viele Leute werfen das immer wieder in einen Topf. Ist natürlich auch einfach, denn eine gewisse inzestuöse Beziehung besteht schon. Wir haben ja auch schon in diversen Bandkonstellationen zusammengespielt.

Rock´n´Roll dürfte wohl das Rückgrat der meisten Solinger Bands bilden, aber die Ausformungen sind ja nun doch relativ unterschiedlich.

Zapp: Das kommt auch immer darauf an, wie man Rock´n´Roll versteht und wie wichtig er für einen ist. Wenn eine Band sagt, sie möchte Musik spielen, deren Wurzeln im Rock´n´Roll liegen, dann finde ich das ok, aber ich persönlich hätte mittlerweile keine Lust mehr, in einer Band zu spielen, die sich einem bestimmten Stil verschrieben hat. Bei uns kommt das eigentlich mittlerweile ganz gut ins Rollen. Der Sexy... äh... der Christian schreibt ziemlich viele Stücke, ich mache ´ne Menge Sachen, und der Jochen fängt damit jetzt auch noch an, da treffen echt tausend Dinge aufeinander, das sind schon Welten. Ich finde das echt wunderbar! Ich habe auch daran gedacht, mit der Band mal eine Weltreise zu machen, so wie Peter Maffay.

Christian: Schön mit exotischen Instrumenten und so.

Jochen: Jedenfalls gibt's hier keinerlei musikalische Engstirnigkeiten. Keiner hat hier den Anspruch, ausschließlich ´77- oder was weiß ich für Musik zu spielen.

Christian: Jeder hat halt auch seine eigene Art, sein Instrument zu spielen und macht das meines Erachtens auch ganz gut, in dem Sinne, daß genug Platz für jeden da ist und alles nicht so eng wirkt.

Wie sieht das denn jetzt mit ,ner Platte aus?

Zapp: Die kommt demnächst auf Drake Willock Records.

Jochen: Wir haben auch schon ein schönes Cover.

War das die Aktion, wo der Typ in Düsseldorf bei der Sixties-Designausstellung eine Privatvorstellung für euch veranstaltet hat?

Zapp: Genau, wir haben ´nen kleinen Deal mit einem Museumsdirektor gemacht.

Jochen: Und der Deal lautete, du bekommst eine Platte und wir nerven dich dafür drei Wochen lang.

Christian: Von dem Deal hat er zwar vorher nichts gewußt, aber wir haben das eisenhart durchgezogen.

Und wie waren die bisherigen Live-Erlebnisse? Ihr habt ja sogar schon mit TURBONEGRO gespielt.

Christian: Der Auftritt mit TURBONEGRO war von der Publikumsresonanz her echt ok, aber die beste Show war beim Rocket Meier im Bergischen Land.

Zapp: Müller heißt der!

Christian: Meier, Müller, Schmitz... auf jeden Fall waren wir beim Rocket und da war so ein Typ, der war schon vor dem ersten Akkord jenseits von Gut und Böse und hat alle meine Effektgeräte zerstört, mir das Mikro in die Fresse gehauen und mehrere Kabel abgefuckt. Den hatten wir allerdings selber mitgebracht.

Zapp: Der wurde dann anschließend vom örtlichen Kick-Box-Komitee herausbefördert und bearbeitet. Schöne Grüße auch noch an die Jungs. Außerdem hat er zum Schluß noch sämtliche Autos in Waldbrühl mit JET BUMPERS-Aufklebern vollgekleistert.

Christian: Und er hat mir die ganzen Elvis-Sampler, die ich mitgebracht hatte, vollgekotzt. Nach der Show sind jede Menge Leute zu mir gekommen und haben gesagt, daß der Typ ja wohl ein völliges Arschloch gewesen sei. Denen hab' ich dann nur gesagt, daß ich den Typen selber mitgebracht habe.

(Auf einmal stimmen alle drei einen Song von der neuen ÄRZTE-Platte an.)

Zapp: Die neue ÄRZTE-Platte ist großartig!

Christian: Wir verneigen uns vor dieser Platte. Als ich die das erste Mal gehört habe, war ich schockiert und jetzt muß ich fast immer weinen, wenn ich sie höre.

Alle im ÄRZTE-Chor: Meine Freunde glauben nicht an Gott. Meine Freunde gehören aufs Schafott. Sie leugnen seine Existenz, sind ganz tolle Satan-Fans.

Christian: Das hören wir gleich wieder im Auto. Ich hoffe, ich breche dann nicht mit einem Heulkrampf hinterm Steuer zusammen.

Jochen: Ich bin ÄRZTE-Fan der zweiten Stunde, seit der "Debil" bin ich dabei. Ich habe die "Westerland"-Tour gesehen und ich liebe die Band. Ich hab' mich echt wie so ein blöder vierzehnjähriger Teenager benommen, als wir auf dem Geheim-Konzert in der Kantine waren und der Farin zwei Meter entfernt an mir vorbeilief.

Zapp: Das war suuuper! Das hat nur zwanzig Mark gekostet. Und die haben pünktlich angefangen.