BOVVER BOYS

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Borderland is Bovverland

Mit „Tooled For Trouble“ erscheint dieser Tage bei Sunny Bastards das neueste Album der Aachener Oi!-Kultband BOVVER BOYS. Und mit Kultband meine ich nicht nur, dass die Jungs jede Menge Leute inspiriert oder beeinflusst haben, sondern dass sie sich in ihrer sechzehnjährigen Bandgeschichte auch zwischendurch immer mal wieder rar gemacht haben – wie sich das für eine anständige Kultband gehört. Vor allem auf das Veröffentlichen von Tonträgern trifft das zu: So ist „Tooled For Trouble“ dann auch „erst“ das zweite Full-Lenght-Album der BOVVER BOYS aus dem Borderland, die 1992 von Rainer (Bass), Steve Aggro (Gitarre und Gesang) sowie Tom Borderland (Schlagzeug) gegründet wurden. Mittlerweile ist man zu fünft und neben einem neuen Album gab es im November auch mal wieder die Gelegenheit, sich von den Livefähigkeiten der Herren zu überzeugen. Aus gegebenem Anlass stellte ich also Schlagzeuger und DJ Tom Borderland einige Fragen zum neuen Album und fand heraus, warum sich die BOVVER BOYS als eine der ersten Oi!-Bands des Landes trauten englisch zu singen und wer oder was überhaupt ein Borderland ist.

Thomas, soweit ich weiß, gibt es euch als Band ja seit 1992. Kann man nach so langer Zeit noch nachvollziehen, was einen ursprünglich mal dazu bewegt und inspiriert hat, eine Band zu gründen?

Ja, damals haben wir als Trio angefangen. Bis auf Rainer, der zu diesem Zeitpunkt bei der Ska-Band QUICKSTEPS spielte, hatten Stephan und ich keinerlei Banderfahrung. Der Antrieb war eigentlich, selber was zu machen und auf der Bühne zu stehen, um so unsere eigenen Vorstellungen von Oi!- und Punkrock-Musik zu verwirklichen. Zu diesem Zeitpunkt sah es musikalisch in Deutschland ja recht düster aus, angesichts dessen, was es in Sachen Bands mit Skinhead-Background gab. Rumpel- und Prollpunk sowie schlechte Onkelz-Klone mit aufgesetzter Härte dominierten ja bis auf wenige Ausnahmen das Erscheinungsbild der so genannten Oi!-Szene hierzulande. Für uns war von Anfang an klar, dass wir stil- und soundmäßig etwas komplett anderes machen wollten. Klassischer 77er-Punkrock und die frühen britischen Oi!-Bands sollten bei uns Pate stehen. So waren dann auch unsere ersten Songs Coverversionen von THE EJECTED, THE BOYS, LAST RESORT und THE BUSINESS, eben all diesen Bands, mit denen wir in den 80ern groß geworden sind.

In eurem Bandinfo lese ich, dass ihr mit euren Texten „das Leben im Borderland“ kommentiert. Wie würdest du sagen, unterscheidet sich das Leben im Borderland – vor allem auf die Szene bezogen– vom Leben im Rest von Deutschland?

Dazu muss ich wohl erst mal den Begriff „Borderland“ erklären. Borderland ist ein von uns in einem Song eingeführtes Synonym für die Dreiländerregion mit Deutschland, Holland und Belgien rund um Aachen. Gerade hier gab es durch grenzüberschreitende Bergbau- und Industriekultur viele Berührungspunkte mit unseren Nachbarn, was Mentalität und Lebensauffassung betrifft. Außerdem denke ich, dass die gemeinsam erfahrene französische Besatzung in der Zeit Napoleons maßgeblich das Lebensgefühl hier wie auch anderswo im Rheinland geprägt hat, nicht umsonst wird Aachen ja als französischste Stadt Deutschlands bezeichnet. Ein niederländischer Freund von mir meinte mal, es sei das „burgundische“ Lebensgefühl, das uns verbindet. Wie wirkt sich das jetzt auf die Szene bezogen aus? Schwierige Frage, aber die Punk- und Skinhead-Szene hat hier immer schon grenzüberschreitend und mit viel Austausch funktioniert und sich so gegenseitig inspiriert und befruchtet. Es gibt und gab hier ja eigentlich immer auch Bands mit Mitgliedern aus allen drei Ländern. Ich denke, dieses Leben ohne nationale Schranken im Kopf unterscheidet die „Oiregio“ schon vom Szeneleben in Restdeutschland.

Gehe ich recht in der Annahme, dass ihr zu den Niederländern EVIL CONDUCT ein besonders enges Verhältnis habt – nicht nur, da ihr auf eurem aktuellen Album auch ihr „No pain, no gain“ covert?

Das stimmt. Han und Ray von EVIL CONDUCT gehören seit weit über 20 Jahren zu unseren Freunden. Neben den Bands hatten und haben wir viele gemeinsame Unternehmungen, sei es als DJs und Veranstalter von Allnightern, die Zusammenarbeit bei unseren damaligen Fanzines Aggro und Bootboys Revenge, gemeinsame Ausfahrten zu Scooter-Runs oder einfach auch nur, um mal ein Bier zusammen zu trinken. Sicherlich waren EVIL CONDUCT damals auch ein Anstoß für uns, die BOVVER BOYS zu gründen, und sie standen uns immer mit Rat und Tat zur Seite. Von Ray habe ich damals ja auch mein erstes Drumset und ersten Schlagzeugunterricht bekommen. Wir haben auch den ersten Deutschlandauftritt der Jungs organisiert, umso mehr freut es uns natürlich, dass es hier momentan so gut und erfolgreich für die drei läuft. Bei unseren Cover von „No pain, no gain“ sind Han und Ray ja auch neben Andreas von den URBAN REJECTS am Gesang beteiligt. Für uns war das einfach mal die Möglichkeit, dieser Band unseren Respekt zu zollen und auch den gemeinsamen Tätowierer-Background der drei Sänger zu betonen.

Auf „Tooled For Trouble“ gibt es ja mit „Downtown“ einen sehr Rockabilly-lastigen Track. Nun weiß ich ja, dass Harti bei den PHANTOM ROCKERS aktiv ist/war und dann war da noch was mit irgendwelchen TEENAGE ASTRO DICTATORS? Erläutert das doch bitte noch mal kurz ...

Ja, „Downtown“ hatten wir schon damals für unsere erste EP aufgenommen. Leider lief aber im Presswerk einiges schief, so dass es nicht mit draufgekommen ist. Wir haben eigentlich schon immer mit Rockabilly- und Country-Elementen in einzelnen Songs experimentiert. Da haben wir uns gedacht, wir machen mal eine amtliche Neuaufnahme dieses Songs. Unser „neuer“ Gitarrist Harti, der nun auch schon etliche Jahre mit an Bord ist, hat ja seine musikalischen Wurzeln in der Rockabilly- und Psycho-Szene der 80er und setzt so mit seinem Spiel die nötigen Rock’n’Roll-Akzente in unserem Sound. Bei den Europatouren der PHANTOM ROCKERS hilft er auch noch ab und an aus. Anfangs war es recht schwierig, da er so viele andere Bandprojekte nebenbei am laufen hatte, aber BOVVER BOYS ist nun seine Hauptband geworden. Bei den TEENAGE ASTRO DICTATORS haben Jörg und ich unsere Vorliebe für Bands wie die RAMONES, MISFITS, 3-D INVISIBLES, ANGRY SAMOANS sowie alte SciFi- und Horrorfilme ausgelebt. Leider waren wir damit für die derzeit angesagte Horrorpunk-Welle etwas zu früh dran, so dass dieses Projekt jetzt erst mal auf Eis liegt. Rainer hat nebenbei immer in irgendwelchen Ska-Bands gespielt und Stephan hat ja als Gitarrist bei den URBAN REJECTS noch eine erstklassige Oldschool-Oi!-Band am Start.

In wieder einem ganz anderen Genre – grob gesagt: NDW – wildert ihr ja mit dem UNITED BALLS-Cover „Pogo in Togo“. Wie kamt ihr auf die Idee beziehungsweise wart ihr euch da sofort einig, dass das mit aufs Album muss?

Mit „Pogo in Togo“ sind wir irgendwie alle groß geworden und so war es klar, dass wir das mal ins BOVVER BOYS-Soundgewand stecken wollten. Der Song ist halt ein Klassiker und funktioniert auch live ganz gut. Eine weitere Coverversion von „Chaos“ oder „Borstal breakout“ wollten wir den Leuten auf unserer Schallplatte ersparen. Wir haben uns schon immer an Coverversionen versucht, die eigentlich nicht ins typische Schema einer klassischen Oi!-Band passen. Sei es Garagenrock wie „Wild man“ von den TAMRONS, „The witch“ von den SONICS oder auch mal ROSE TATTOO, Link Wray, Elvis Presley, SOCIAL DISTORTION, CREEDENCE CLEARWATER REVIVAL und sogar New Wave wie GRAUZONE. Da haben wir keine Berührungsängste.

Der Haupteinfluss ist dann aber doch 77er Punk und Oi! Ich frage dich jetzt mal nicht, welche der alten englischen Bands euch am meisten beeinflusst hat, sondern welche du dir heute noch angucken kannst und welche eher nicht.

Sicher, bei diesen alten Sachen liegen unverrückbar unsere musikalischen Wurzeln. Alte Helden, die nochmals auf Tour gehen, das ist immer eine zweischneidige Sache. Entweder ist es eine peinliche bis traurige Nostalgie-Show und es gibt bestenfalls eine schlappe neue LP zur Tour, oder sie schaffen es wirklich, mit einer gesunden Mischung aus alten und guten neuen Songs zu überzeugen. COCK SPARRER scheinen da ja alles richtig gemacht zu haben. 999, THE BOYS und THE LURKERS überzeugen mich auch jedes Mal live. PETER AND THE TEST TUBE BABIES und die U.K. SUBS sind auch eigentlich immer eine Bank und die VIBRATORS sowie THE OPPRESSED haben uns live positiv überrascht. Über die Negativbeispiele schweige ich mich an dieser Stelle aber aus, da wird sicher jeder so seine eigenen Erfahrungen gemacht haben.

Wie oft kommt denn so ein „Monday morning hangover“, wie ja einer der Titel auf dem neuen Album heißt, bei euch noch vor? Ich will euch jetzt nicht älter machen als ihr seid, aber ihr habt ja auch Jobs und Familien, nehme ich an. Und allein aus der Tatsache abgeleitet, dass ihr in den 16 Jahren eures Bestehens gerade das zweite Album veröffentlicht habt, spekuliere ich mal, dass beides bei euch zeitweise einen höheren Stellenwert eingenommen hat als die Musik, oder?

Mit der Band müssen wir zum Glück nicht unseren Lebensunterhalt verdienen. Mit Job sowie Familie sind wir aber alle schon schwer eingespannt, und unsere Familien sind uns halt auch wichtig. Trotzdem hat die Band einen hohen Stellenwert für uns, gerade auch als Ausgleich zum Alltagstrott. Unsere Kinder und Freundinnen beziehungsweise Frauen freuen sich natürlich auch, wenn der Papa mal am Wochenende nicht mit der Band unterwegs ist und Montag morgens auch mal nicht mit schwerem Hangover nach stundenlanger Rückfahrt seinen Pflichten nachkommt, aber sie zeigen sich schon verständnisvoll, wenn wieder eine Tour ansteht. Hinzu kommt noch unsere Studiofaulheit, irgendwie schaffen wir es, die Termine immer so vor uns her zu schieben oder ganz zu vernachlässigen. Ich persönlich habe mehr Spaß an Live-Auftritten als an Studioarbeit und mit dem neuen Album im Rücken sind wir ja für die nächsten acht Jahre gut gewappnet, haha. Aber im Ernst, so lange wollen wir uns mit den nächsten Aufnahmen doch nicht Zeit lassen, dann wären wir ja auch schon alle um und über die 50.