SUPERNICHTS

Wer sich mal einen "BRD Punk Terror"-Sampler von Nasty Vinyl genauer angehört hat, dem ist sicher aufgefallen, dass (neben den Rockern von NOVOTNY TV natürlich) nur eine Band nicht in dieses "Deutschpunks sind wir sowieseo"-Schema passt. Diese Band trägt den Namen SUPERNICHTS und ist cool. Zumindest scheint es so, führt man sich die flotten Punkrocksongs und die wirklich guten, deutschen Texte zu Gemüte. Mit Unterstützung vom Kölner Szenekenner Köbisch (Ein dickes "Dankeschön & Prost" wird wohl hier fällig) wurde SUPERNICHTS in Gestalt von Michael (Bass) und Frank (Gitarre, Gesang) unter fachmännischer Aufsicht von Chris Scholz (Ex-Ach du Scheisse-Präsident) ausgequetscht. Hier das Ergebnis.

Wer und was?

Frank: Ich bin Frank, ich bin der Gitarrist und teilweise singe ich auch.

Michael: Ich bin Michael, spiele Bass und mache den Background-gesang.

Ich habe mal gelesen, dass sich der Kern von SUPERNICHTS bei der Bundeswehr kennengelernt hätte...

Frank: Das hast du wahrscheinlich im "Ach du Scheisse" gelesen, und der Chris weiss intime Sachen über uns, die andere Leute nicht wissen. Das ist auch richtig, wenn man den Kern als unseren Sänger und mich bezeichnet, weil wir uns nämlich tatsächlich bei der Bundeswehr kennengelernt haben.

Michael: Ich sehe das natürlich völlig anders, weil ich mich auch zum Kern dazugehörig fühle. Die andere Hälfte hat halt Zivildienst gemacht.

Frank: Ich muss natürlich dazu noch sagen, dass das Wehrpflicht war und nicht ROA, Reserve-Offizier oder so was...

Michael: Der hat sich erst verpflichtet und dann doch keinen Bock mehr gehabt.

Ihr seid nicht mehr bei Nasty Vinyl, die die CD-Version vom ersten Album gemacht haben, sondern jetzt "komplett" bei Vitaminepillen. Gibt´s dazu was zu sagen?

Frank: Es gibt einen direkten und einen weiteren Punkt. Der direkte Grund ist, dass wir von den CDs, die über Nasty Vinyl liefen, ungefähr genau so viel verkauft haben wie von den LPs, die über Vitaminepillen liefen; und der weitere Grund ist, dass wir mit unserer Musik nicht so ganz in das Programm von Nasty Vinyl reinpassen.

Michael: Man muss auch ganz klar sagen, dass wir im Grunde die räumliche Nähe zu Ralf von Vitaminepillen schätzen und man so viele Sachen absprechen kann.

Und mit dem Vitaminepillen-Imperium seit ihr jetzt zufrieden?

Michael: Ja. Wir fühlen und besonders wohl da, weil da viele Bands unter Vertrag sind, die uns eher nahestehen. Das war bei Nasty Vinyl nicht so. Bei denen sind halt mehr so richtige Deutschpunksachen und wir fühlen uns da nicht so zugehörig.

Frank: Man auch noch mal dazu sagen, dass wir früher schon viel mit der KNOCHENFABRIK zusammen gemacht haben und damals hat schon ein Kontakt zu Vitaminepillen bestanden, deswegen haben wir auch die LP da gemacht. Für uns ist das auf jeden Fall jetzt praktischer.

Ihr habt gerade schon dieses "Deutschpunkproblem" angesprochen. Bei den Punks kommt ihr ja so gut wie gar nicht an...

Frank: Wir passen natürlich äusserlich gar nicht in das Klischee rein, aber ich glaube, dass unsere Musik, so ist es zumindest angelegt, einfach poppiger ist. Die üblichen Klischee-Texte fehlen bei uns auch komplett. Deswegen bieten wir wohl keine Identifikation für diese Leute. Da kann man halt nix machen.

Es gibt ja diesen "Stumpf ist Trumpf"-Sampler, wo ihr mit auf der CD-Version seid. Fühlt ihr euch da nicht missverstanden, wenn ihr neben VOLXSTURM, OHL und ATEMNOT auf einem Sampler auftaucht?

Frank: Dazu muss ich sagen, dass der Rüdiger von Teenage Rebel Records ein bisschen unpolitische Sachen macht und er legt es auch auf Spass an. Diese Richtung finden wir grundsätzlich in Ordnung. Wir fühlen uns auch nicht missverstanden, weil die Version von "Fäkalienmachine" ist so schrottig und müllig, dass die einfach auf so ein Teil draufpasst. OHL sind zum Beispiel so peinlich, dass das in diesem Kontext schon wieder o.k. ist. Es ist offensichtlich, dass das ein Schrott-Sampler ist, aber trotzdem ist er im Vergleich mit "ernsten" Samplern, wo wir drauf sind, ganz gut.

Michael: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass bis auf ein paar Aussetzer von einigen Skinbands, vor allem aus dem Osten, wie OB zum Beispiel, ich viele Sachen von dem Sampler gut finde und gar nicht verstehe, warum das jetzt schlecht sein soll. Ich denke jetzt gerade an diese Münchener Band SORTITS, das ist zum Beispiel ein super Song. Der Text von unserem Lied ist natürlich ernst gemeint, doch was die Leute daraus machen, müssen sie selbst wissen. Wenn der Rüdiger jetzt also sagt, das wäre ein Scheiss-Text, dann ist das ok.

Frank: Wir fühlen uns auch gar nicht so unwohl auf dem Sampler, weil da ja auch ein paar Raritäten drauf sind. FEHLGEBURT zum Beispiel sind irgendwo witzig und irgendwie auch Historie, und wenn da jetzt unsere Fäkalienmaschine mit dabei ist, ist das ja eigentlich nicht schlecht.

Kann man in Zeiten von TOCOTRONIC und Konsorten eigentlich noch vernünftige, deutsche Texte schreiben?

Michael: Schwierig.

Frank: Es ist schon schwierig, aber TOCOTRONIC belegt noch längst nicht alles. Ich glaube, dass unser Sänger Bert einige Texte hat, die philosophisch über die von TOCOTRONIC hinausgehen.

Michael: Das Problem bei solchen Bands ist, dass die alles scheisse finden. Wir haben einen anderen Ansatz, wir möchten halt persönliche Texte machen. Es ist immer schwierig Texte zu schreiben. Ich habe keinen Bock über Bullenschweine zu singen, weil´s mich persönlich einfach nicht interessiert darüber einen Text zu machen. Was man später singt, muss auch aus einem heraus kommen. Bei den Texten ist mir wichtig, dass ich keine Indoktrination machen, ich will nicht sagen "Hey Leute, ich hab´ recht und ihr müsst alle meine Meinung haben" wie das zum Beispiel bei Texten à la "Bullenschweine" oder "Nazis raus" ist. Ist es nicht sinnvoller eine persönliche Erfahrung aufzuarbeiten? Die Leuten können das ja nachvollziehen und sich dann ihre eigene Meinung bilden.

Haltet ihr dieses ganze Parolengeschrei denn für gefährlich?

Michael: In meinem Alter sage ich nicht mehr "Bullenschweine" oder "Terrorstaat", damit kann ich nichts mehr anfangen. Ich finde es aber gefährlich, bei 14- oder 15jährigen, die ja hauptsächlich diese Musik hören. Die sagen dann "Hey, der hat recht, genauso isses" und darauf habe ich keinen Bock.

Frank: Als ich damals DAILY TERROR und CANALTERROR gehört habe, da habe ich genau gewusst, da gibt es Leute, die machen sich Gedanken über Sachen, über die sich viele Leute keine Gedanken machen. Die denken halt auch mal gegen den Strich, aber das war alles, was ich daraus entnommen habe.

Michael: Das ist auch das Problem bei SUPERNICHTS. Man muss sich die Arbeit machen, die Texte irgendwie zu interpretieren. Darauf setzte ich auch, dass die Leute sich Gedanken machen. Wir sind halt nicht so leicht zu konsumieren. Bei KNOCHENFABRIK ist es zum Beispiel so, dass die ein paar Lieder im Programm haben, die ziemlich eindeutig sind und deswegen kommen die Leute auch zum Konzert. Obwohl der Song "Grüne Haare" (Anm.: Ein wahrlich zynischer Punksmasher aus dem Hause KNOCHENFABRIK) meiner Meinung nicht ernst gemeint ist, aber die Leute nehmen´s ernst und das ist das Gefährliche. Das ist einfach zu eindeutig.

Frank: Wir passen auch rein musikalisch nicht da rein. Wir sind viel zu rockig. Wir fahren halt weder die Deutschpunk- noch die Hardcore- oder die Poserschiene. Wir wollen eigentlich nur harten Pop machen.

Wo liegen eigentlich eure musikalischen Einflüsse?

Frank: Das ist eine gute Frage, denn man hört unseren Platten auch an, dass wir alle verschiedene Einflüsse haben. Ich habe irgendwann angefangen Heavy Metal zu hören, darüber bin ich in die Gitarrenecke gekommen. Über Wave bin ich dann zum Punk gekommen. Ich habe also mit DAILY TERROR angefangen und hab dann aber auch begriffen, dass melodischere Sachen wie BAD RELIGION oder NOFX auch ein bisschen was hergeben, wobei ich aber auch die ganzen Crypt-Sachen gut finde. Und bei ihm ist das...

Michael: ...Dürfte ich für mich selber reden? Ich hab´ in meiner Jugendzeit alles mögliche gehört, natürlich auch Heavy Metal und auch diese fürchterlichen Art-Rock-Klamotten wie GENESIS oder so Kram, mit 15 fand ich das super. Nachher stellt man fest, dass es nichts bringt, dass es einen nicht befriedigt. Dann hab ich irgendwann mit Indie angefangen, und das war ´ne echt grosse Erleuchtung in diesen Kreis reinzukommen und zu sehen, dass es Bands gibt, die mit wenig Spieltechnik super Songs machen, und das ist im Grunde genommen auch mein grosser Einfluss. Diese Punkrockklamotten kamen erst später. Bei David, unserem Schlagzeuger, ist es so, dass der ein Deutschpunker ohne Ende ist. Der hört auch nichts anderes ausser Deutschpunk. Bert, der Sänger, kommt eher aus dieser Gruftie-Schiene, das hört man auch ein bisschen an den Texten. Unsere Musik ist also eine Mischung aus Heavy Metal, Deutschpunk, Indie und Gitarrenmusik.

Wie sieht´s denn so mit dem Punkrockumfeld in Köln aus?

Michael: Wir haben natürlich hier mit der KNOCHENFABRIK ein Kollektiv. KNOCHENFABRIK ist übrigens eine Band, die in Deutschland ihresgleichen sucht, aber es ist schon so, dass man immer besser sein will.

Besser als die KNOCHENFABRIK?

Michael: Genau. Man sagt halt, die neue Platte von denen ist ein Hammer, aber trotzdem möchte ich noch besser sein. Das ist so eine Art sportlicher Wettkampf.

Wenn ich mir das alles so anhöre, bleibt noch die Frage, ob ihr euch in der "Szene" überhaupt wohlfühlt?

Michael: Wir sind eigentlich der Meinung, dass die Musik, die wir machen, eigentlich ganz andere Leute interessieren sollte. Das Problem ist, dass wir in einem bestimmten Alter sind, wo wir keine 15jährigen mehr hinter dem Ofen vorlocken können. Ich kenne ´ne Menge Leute in unserem Alter, die finden´s gut - und die Jugendlichen können damit nichts anfangen.

Frank: Wir sind mit der Punkszene gross geworden und die ist auch eigentlich gar nicht schlecht.

Michael: Was nervt ist, dass viele Leute nicht verstehen können, dass wir uns erdreisten mit ganz normalen Klamotten auf die Bühne zu gehen.

Hey Chris, du bist ja quasi der Mentor der Band. Wie wär´s mit einem Abschlussstatement?

Chris: Ich finde, die haben gekriegt, was die verdient haben, weil wer sich schon so nennt, der hat´s nicht besser verdient. Was ist das überhaupt für ein scheiss Diktiergerät? Meins muss ich nur in den Raum halten und dann wird alles aufgenommen...