PROJEKT SCHWARZ ROT

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Wer immer nur getreten wird, tritt irgendwann zurück

PSR sind eine Punkband mit Anspruch. Es gibt sie seit 1989 und sie existieren bis heute. Die aus der Münchner Gegend stammende Drei-Mann-Kapelle drückt ihre Wut und ihren Schmerz mit einer gesunden Portion Zynismus in klassischem, doch zeitgemäßem deutschsprachigen Punkrock aus. Wie es nach vier regulären CDs – „Jammerland“, „Risse“, „Wände“ und „Pathos“ – und einem Punker-Casting bei SAT1 um die Band, Mao und die KPdSU bestellt ist, wollte ich von Sänger und Bassist Axel in einem Interview per Skype erfahren. Die CDs „Jammerland“ und „Risse“ gibt es auf der Bandpage übrigens als Free Download.

Es war lange ein Rätsel, was PSR eigentlich bedeutet. Auf einem RAZZIA-Konzert wurdet ihr als die Vorband „Pissen Scheißen Rauchen“ angekündigt. Am Anfang des Sets hast du klargestellt, dass ihr nicht so heißt, hast aber sonst nichts weiter dazu gesagt. Habt ihr euren Namen mit Absicht geheim gehalten?


Wir hießen erst „Gut gekotzt ist halb gefrühstückt“ nach einem Zitat aus einem Werner-Comic. Wir sind damals in einem Gymnasium aufgetreten und durften aber unter diesem Namen nicht spielen, da die Lehrer pikiert waren. Deshalb haben wir uns dann „Das Projekt“ genannt. Dann waren wir furchtbar bekifft und fanden PROJEKT SCHWARZ ROT ganz witzig, haben aber relativ schnell die Kurzform PSR genommen. Ich meine, wenn man sich als Erwachsene PROJEKT SCHWARZ ROT nennt, geht es ja kaum plakativer. In den darauf folgenden Jahren kam aber zunehmend der Name wieder raus, irgendwann hat es mich auch nicht mehr gestört, weil man uns einfach unter dem Namen kennt. Aber heute würde ich nicht auf die Idee kommen, mich PROJEKT SCHWARZ ROT zu nennen.

Seit der CD „Pathos“ sind ja bereits sechs Jahre vergangen. Wird es von euch bald etwas Neues geben?

Ja, an der neuen CD arbeiten wir jetzt schon länger, die Hälfte der Songs sind fertig geschrieben. Jetzt ist gerade eine Unterbrechung, weil unser neuer Gitarrist Ritz eine Kneipe übernommen hat und schrecklich viel zu tun hat.Wir haben vor, dass die CD im Herbst 2014 fertig ist. Aber man hat es ja auch nicht mehr so eilig heutzutage.

Schon damals in den Neunzigern fand ich, dass ihr aus der Masse der Deutschpunk-Bands weit herausragt. Und wenn ich mir eine Band wie TURBOSTAAT heute anschaue, dann denke ich, es hätte bei euch auch was Größeres werden können.

Ja, das mag sein, möglicherweise. Nur die Frage ist halt, was will man? Mir ist wichtig, dass man authentisch bleibt und sein Ding durchzieht und wir das machen, was wir machen wollen. Das haben wir immer gemacht und machen es heute noch. Ob auf unseren Konzerten 100 oder 1.000 Leute sind, ist dann letztendlich zweitrangig. Lieber kommen 100 und die kaufen uns das ab, weil es echt ist. Nichts gegen TURBOSTAAT, um Himmels willen, sie sind eine wunderbare Band, aber nur in Richtung Mainstream zu gehen und uns zu verändern, das wollten wir nie.

Deine Texte wirkten auf mich immer eher metaphorisch, außer bei dem Lied „Polizei“ auf dem uralten Sampler „Munich Nightmare Compilation“ von 1991 ...

Haha, das war eine ziemlich plumpe Geschichte. Das ist ganz witzig, wenn man 16 und strunzbesoffen ist.

Du hast dich früher schon geweigert, den Song zu spielen.

Es ist einfach ein doofer Song, ich meine, „Bulle Bulle Reiter, wenn er fällt, dann schreit er“ ist einfach ziemlich dämlich.

„Bullenschweine“ von SLIME ist aber auch super ...

Die haben auch viele dämliche Lieder. Macht aber nix.

Liege ich denn richtig, wenn ich sage, du schreibst in Metaphern und knallst es den Leuten nicht direkt vor den Latz?

Ja, das siehst du richtig und das ist auch nach wie vor so und das wird auch auf der neuen CD so sein. Ich versuche immer, ein gewisses Grundgefühl zu vermitteln, und es ist mir wichtig, dass es für den Hörer interpretationsfähig bleibt und ich dadurch Denkanstöße geben kann. Ich bin weder der Messias, noch kann und will ich jemandem sagen, was konkret richtig oder falsch ist. Letzten Endes kann ich es auch nicht anders, direkte Texte zu schreiben ist nicht mein Ding.

Der Refrain „Wer immer nur getreten wird, tritt irgendwann zurück“ ist so ein Beispiel.

Siehst du, was ich damit gemeint habe, werde ich niemals verraten. Und das ist ja auch Sinn der Sache.

Beim Hören fällt auf, dass dein Bassspiel keine normale Begleitung ist, vielmehr kommen hier oft eigenständige Elemente raus, bis hin zu eigenen Soli.

Das hat zwei Gründe. Zum einen bin ich gar kein Bassist, obwohl ich schon lange Bass spiele – ich bin von Haus aus Gitarrist. Bass hab ich gar nicht gelernt. Also spiel ich Bass, wie ich Gitarre spiele. Außerdem muss der Bass für mich teilweise die Gitarre ersetzen, wenn nur eine in der Band ist. Zum anderen hab ich einfach keinen Bock auf Begleitbass und Bass-Soli kommen eh immer zu kurz.

Damals bei Impact Records hattet ihr Vertragsprobleme und seid ewig dem Geld hinterhergelaufen, wozu ihr auf der Platte „Wände“ ein entsprechendes Statement abgegeben habt. In einem Ox-Interview hat der OHL-Sänger gesagt, dass er auch nie Geld von denen bekommen hat, es ihm aber egal war, da das Wichtigste war, dass Platten rauskamen. Wie siehst du das nach den ganzen Jahren?

Die Wut ist nach der ganzen Zeit natürlich weg. Das Problem war nicht primär, dass wir kein Geld bekommen haben, sondern dass andere an uns verdient haben und uns als Band nichts davon abgegeben haben. Das nenne ich dann Abzocke. Es ist bestimmt kein Vermögen zu verdienen gewesen, das ist klar. Wenn die gesagt hätten, die würden das kostenlos machen und das Geld irgendwohin spenden, wäre es uns auch egal gewesen, aber so war es einfach ungerecht. Und da ist es egal, ob es Geld oder ein Sack Äpfel gewesen wäre, das muss man aufteilen.

Wie kam es, dass eure LP „Risse“ auf Plastic Bomb Records erschienen ist?

Impact und Plastic Bomb waren ziemlich gut befreundet, die CD hat Impact gemacht, die LP in limitierter Auflage dann Plastic Bomb, in rot-schwarzem Vinyl, haha. Wir hatten zu denen ganz guten Kontakt, auch nachdem wir uns mit Impact gestritten hatten.

Bei euch muss man zwangsläufig auf die Politik kommen. Dass ihr schwarz seid, wissen wir ja. Was ist rot an euch?

Na ja, in so Schubladen darf man ja auch nicht denken. Ich spreche für mich, die anderen sehen es aber wahrscheinlich auch so, dass wir in erster Linie Freidenker sind. Schwarz-Rot bedeutet für mich, dass ich kein Mitglied irgendeiner Partei bin, dass ich frei Schnauze das mache, was ich will. Das Rot in mir sehe ich am ehesten so, dass ich eine gewisse Gerechtigkeitsgrundeinstellung habe. Aber was ist schon Rot? Ich bin sicher kein Anhänger der KPdSU oder der KPD und auch kein Freund des Stalinismus oder Maoismus. Wie gesagt wollten wir uns mit dem Namen abgrenzen, nur die Frage was rot an uns ist, kann ich nicht beantworten, weil ich diese Kategorisierungen albern finde.

Da denke ich an euren Refrain „Lang lebe die Revolution“...

... natürlich, das muss man sein Leben lang machen und es ist die einzige Möglichkeit, die Leute davon abzuhalten, völlig durchzuknallen. Man braucht immer einen Gegenpol. Und der zum Pol der Ordnung ist am besten der Pol der Unordnung. Das ist für mich oder uns eine Pflicht, unsere Träume dagegen zu halten und für Unordnung zu sorgen.

In eurem Lied „Auferstanden aus Ruinen“, das ihr auf der „Pathos“-CD einspielt, geht es ja um ein „Vaterland“. Kann es deiner Meinung nach wirklich ein starkes, positives, tatsächlich gutes und solidarisches „Vaterland“ geben, wie es in der alten DDR-Hymne besungen wird?

Den Vaterlandsbegriff lehne ich für mich als negativ ab. Warum wir das Lied gemacht haben? Anfangs hat mich die Band dafür geschlagen. Eschi, unser Drummer, hat gesagt, dass es eine Scheißidee ist. Ich hab dann unseren damaligen Gitarristen Günter gefragt, ob er dabei ist, und der hat gesagt: „Ja ja“. Und dann haben wir das Lied gespielt und das Ganze dann auf die Spitze getrieben. Nicht umsonst ist auch das Lied „Mao Zedong auf Marihuana“ drauf, auf dem Cover der wahnsinnig pathetisch brennende Stern, und eben die Nationalhymne der DDR. Viele meinten, dass wir sie verarschen wollten, manche meinten, wir seien zu pathetisch. Nur den Zwischenweg, das, was wir oder besser ich machen wollte, das haben die meisten nicht verstanden. Ist aber auch in Ordnung. Ich liebe diese CD und höre sie mir eben alleine an.

Du trittst als Axel Le Rouge auch solo mit Akustikklampfe auf, du hast ja schon erwähnt, dass du eigentlich Gitarrist bist.

Ich mach das, weil ich bei PSR ein paar Dinge einfach nicht machen kann, weil die da einfach nicht hinpassen. Das ist dann so ein bisschen Ying und Yang. Bei Le Rouge geht es mir um das Punk-Tabuthema Gefühl. Nimm das von vorhin – ich versuche hier das gesellschaftliche Problem auf das Ego jedes Einzelnen zu fokussieren. Ich könnte das von PSR nicht solo machen und umgekehrt. Ich hab das von Le Rouge im Bauch. Genauso wie ich das im Bauch hab, was ich bei PSR mache.