Sebnitz - Bärendienst des frisch gestressten Antifaschismus für rechte Propaganda?

Manfred Rouhs, Kölner Neonazi, Herausgeber der rechten Theorieschrift und des Onlineportals »Signal« - dem ein Versandhandel für rechtsradikale Rockmusik und rechtsextreme Bücher angeschlossen ist -schrieb zum Mord eines Vietnamesen an einem Skinhead im sächsischen Bernsdorf Mitte Dezember: Das »Motiv« des Täters »war offensichtlich inländerfeindlicher Hass, zu dem er durch die gegen Skinheads gerichtete Hetze der Massenmedien aufgestachelt wurde.« Rouhs blendet in seiner »Berichterstattung« aus, dass der Tote und seine Freunde vorher Naziparolen riefen und Ausländer - auch den späteren Messerstecher - anpöbelten. Er behauptet viel lieber, »der vietnamesische Jugendliche lauerte drei Skinheads am Rande des Bernsdorfer Weihnachtsmarktes auf und stach unvermittelt mit einem Küchenmesser zu.« Und zwar nur, weil ihn die »Hetze der Massenmedien aufgestachelt« hatte. Darauf, dass diese Option besteht, muss man erst einmal kommen. Rouhs kann!

Vorlage für seine Argumentation lieferte niemand geringeres als der »Aufstand der Anständigen«, auch oder erst recht derselbe in den Medien. Zeitweise agitierten diese fast hysterisch und verwechselten Mutmaßungen mit einer fundierten Berichterstattung gegen den Rechtsradikalismus. Was gemeinhin der Aufklärung dienen sollte, leistete bald darauf schon der rechten Propaganda diverse Bärendienste. Gerade der thüringische »Fall Sebnitz« legt den Finger in die Wunde des ganzen Anstandsaufstand - da lohnt es, einen Gedankengang von Wolfgang Schäuble (CDU) zu Ende zu denken: rechte wie linke Extremisten verhalten sich zueinander wie Transformatorenspulen; sie putschen sich gegenseitig auf und die Mitte kann schlimmstenfalls nur tatenlos zusehen. Vergessen hatte der ehemalige Innenminister der Bundesrepublik allerdings zu erwähnen, dass eine Art »Extremismus der Mitte« mit zieht. Beim extremen »Fall Sebnitz« zeigte sich extrem, dass diejenigen, die vorgeben, im Sinne der Menschlichkeit durch die Medienwelt zu hetzen, der extremistischen Rechten eher eine ganze Batterie von Bällen zuspielten. Denn wie höhnte der unter dem Pseudonym »Garfield« schreibende Autor im einstigen Vorreiter des rechten Internetauftritt, dem »Thule-Net«, nachdem ein neues gerichtliches Gutachten im Januar belegte, Joseph Kantelberg-Abdulla war nicht umgebracht worden: »Das Thule-Netz und andere Patrioten hatten von Anfang an Zweifel an der BRD-Version angemeldet. Jetzt mussten auch die BRD-Lizenzmedien ihre Lüge eingestehen.« Bei beginnender Medienhysterie hatte derselbe geschrieben: »Es klingt zwar blödsinnig, aber das allein hält die [Medien] nicht davon ab, [...] gebetsmühlenartig diese Absurdität zu wiederholen, vermutlich um die Pogromstimmung gegen „Rechts” am Leben zu halten.«

Was nur wenige Medienvertreter Kraft ihres Amtes taten, das »Thule-Net« machte es - freilich nur aus politischen Gründen. Es blickte gezielter hinter die Kulissen, fragte am 25. November 2000: »Wenn die Zeugen die Wahrheit sagen, dann hätten sie sich strafbar gemacht, weil sie dem Jungen nicht zur Hilfe kamen. Obendrein hielten sie es nicht für nötig, sich [...] bei der Polizei zu melden - warum nicht?« Wie könne es sein, dass von 300 zur Tatzeit »niemand etwas bemerkt hat, obwohl 50 „Neonazis” direkt vor einem Imbiss einen sechsjährigen Jungen mit einem Elektroschocker misshandeln und ihn dann in das Becken werfen?« Die simple Logik wird später allerdings zur Verschwörungstheorie, wo zwischen den Zeilen Hintermänner lungern: »Der ortsansässige Pfarrer [...] teilte der Presse mit, er gehe davon aus, dass die Belastungszeugen unter „psychischen Druck” gesetzt worden seien. [Er] ist mittlerweile beurlaubt. [...] Dass es angesichts der absurden Hetzkampagne zu Aggressionen gegen die Drahtzieher kommt, ist verständlich. Die SPD-Mutter erhielt Morddrohungen. Natürlich ist [das] kontraproduktiv. Behalten Sie also die Nerven. Machen Sie auf die Ungereimtheiten aufmerksam. [Aber] passen Sie auf, was Sie sagen. Ein falsches Wort, und Sie können wegen Denkverbrech belangt werden.«

Die »Unabhängigen Nachrichten«, die erst im Januar mit Spam-Mails, Briefen und Freiexemplaren ihrer Printausgabe massiv versuchten, Schülerzeitungen zu ködern, Werbeanzeigen des hauseigenen Verlags abzudrucken, schreiben auf ihrer Homepage zum »Super-GAU Sebnitz«: »Zu einem untrüglichen Anzeichen für den Niedergang des Propaganda-, Verdummungs-, Volksverhetzungs- und Umerziehungsapparates der Herrschenden entwickelte sich die politische Ausschlachtung eines Badeunfalls [...]. Wer könnte noch daran zweifeln, dass der „Kampf gegen rechts” [...] die selbst ernannten Gutmenschen ins Delirium treibt? Erfreuliche Folge: Das Publikum sieht jetzt klarer; wer trotz Glotze noch denken kann, wird jetzt wohl endlich immun sein gegen das Mediengift.« Trotzdem schreibt man auf der UN-Homepage an den Bundespräsident, und zitiert bei dieser Gelegenheit aus einer Anweisung der Nazis von 1935 zum Umgang mit Juden, stellt sich so auf eine Stufe mit den im 3. Reich Verfolgten und Ermordeten: »Heute wird ganzen Gruppen von Staatsbürgern, die [...] ohne Erklärung, was darunter zu verstehen ist, als „rechtsradikal” geächtet werden, [...] das Menschsein an sich abgesprochen: sie werden als Ratten bezeichnet, ohne dass ein Aufschrei aller Anständigen solchen Ungeist verurteilt.« Das Fazit zum Jahresende lautete: »Die Mächte, die Deutschland an die Kette gelegt haben, setzen zum Ausgang des Jahrtausends Zeichen ihrer Macht. Sie zeigen dabei keine Hemmungen mehr.« Gemeint war damit auch Sebnitz.

Welche »Mächte« das geliebte Vaterland an die »Kette« legten, erklärte einem das Netzportal »National Journal«, als es im Dezember in der Überschrift eines Artikels fragte: »Hat die SPD mit 200.000 Mark Zeugen für den Sebnitzer „Nazi-Kindermord” kaufen lassen?« Unterzeile: »Die einzigen, die wirklich Volksverhetzung im wahrsten Sinne des Wortes betreiben, sind die Volksverfolger.« Nationalinvestigativ heißt es weiter: »Für den Einsatz wirkungsvollster Volksverhetzung [...] schien sich das System [die BRD; mk] mit dem Fall „Joseph Abdulla” ausgerüstet zu haben. Der Sechsjährige [...] kam wegen Aufsichtspflichtverletzung seiner Mutter [...] bei einem Badeunfall 1997 ums Leben. In der Zwischenzeit kaufte die Mutter [...], Renate Abdulla-Kantelberg [man beachte bitte die Namensdrehung, später die falsche Schreibweise; mk], als ehrenhafte SPD-Stadtratsabgeordnete mit etwa 200.000 Mark falsche Zeugenaussagen von Kindern und Jugendlichen, die in ihrem Auftrag aussagten.« Da die BRD-Medien, in rechten Kreisen auch unverhohlen als »jüdische Hetzpresse« tituliert, wenig selbstkritisch sind, haben sie diese laut »National Journal« behauptete Tatsache natürlich verschwiegen. Aber warum dieses Komplott der Hausmarke Weltverschwörung? Weil, so das »National Journal«, man »„Nazi-Kindermörder” benötigte, da die NPD für den 25. November ihre Kundgebung gegen den rechtswidrigen NPD-Verbotsantrag organisiert hatte. Mit dem „Nazi-Kindermord” wollte man der Bevölkerung ein für alle Mal klar machen, warum eine NPD verboten werden muss.« Und weil es dann noch abenteuerlich wird, fragt das »National Journal« lieber weiter: »Wurde Renate-Kallenberg-Abdulla als [...] SPD-Stadtverordnete von Kreisen ihrer Partei für diese grauenhafte Hetze gegen das eigene Volk benutzt und erhielt sie deshalb die Mittel aus den schwarzen Kassen der Roten? Wie wir heute wissen, beläuft sich die SPD-Kriegskasse auf über eine Milliarde Mark, erwirtschaftet aus nicht versteuerten Profiten der SPD-Wirtschaftsunternehmen.«

Man muss sich erst trauen, weitere Artikel im »National Journal« zu lesen, um dahinter zu kommen, wer eventuell der SPD die »Kriegskasse« für den medialen »Aufruf zur Exekution einer ganzen Stadt« füllte: »Das offizielle Führungs-Judentum fördert, unterstützt und verbündet sich mit allem, was zerstörerisch ist. Nur in der Zerstörung glaubt diese jüdische Macht ungestört agieren und [...] die Macht über die Völker gewinnen zu können.« Schon nach der Hetzjagd rechter Jugendlicher auf einen Ausländer in Guben hatte das Onlineradio »NIT - Nachrichten, Informationen, Theorie« im Textbereich seiner Homepage die Fahne dieses Mythos ähnlich hoch gehisst: »Die Berichterstattung der deutschen Lizenzmedien [betreibt] planmäßig eine Pogromstimmung gegen alles Nationale [...]. Ein tragischer Unglücksfall wird schamlos ausgeschlachtet und zu einer Anklageschrift gegen das deutsche Volk.« Das »National Journal« fordert: »Damit in Deutschland der innere Friede wieder hergestellt werden kann, muss das derzeitige BRD-System verboten, die führenden Leute abgesetzt und vor einem Internationalen Gerichtshof angeklagt werden.«

»Sebnitz ist überall,« titelt Manfred Rouhs und schließt den Kreis. »Noch am 3. Februar haben die Massenmedien folgende Greuelmeldung verbreitet: „Drei Wochen nach dem brutalen Überfall auf einen Griechen in München ist der als mutmaßlicher Haupttäter gesuchte Skinhead gefasst worden. [...] Eine Gruppe von rechtsextremen Skinheads hatte das Opfer zunächst beleidigt und dann niedergeschlagen. Der Grieche wurde misshandelt und musste verletzt ins Krankenhaus gebracht werden.” [...] Die Ermittlungen,« so Rouhs, »sollte zunächst der Generalbundesanwalt übernehmen. Aber der gab bereits Ende Januar bekannt, dass er sich als nicht zuständig ansieht. Begründung: es habe sich „nicht um einen typischen Angriff von Neonazis auf einen Ausländer” gehandelt, sondern um „eine Prügelei zwischen betrunkenen Kneipengängern”.« Der Tat Verdächtige hätten, zitiert Rouhs den Generalbundesanwalt, »„mit Neonazis nichts zu tun”. Das hält die Desinformationsmedien nicht davon ab, weiterhin hartnäckig einen politischen Hintergrund der Tat zu behaupten.« Dass der mutmaßliche Haupttäter von der Polizei als Aktivist und Schläger der Rechten eingeordnet wird, erwähnt Rouhs nicht. Denn, wenn überall Sebnitz ist, warum nicht auch in seiner »Berichterstattung«? An anderer Stelle weiß er ja um das Dienstgeheimnis: »Unbeeindruckt vom MedienGAU „Sebnitz” bildet eine selektive Berichterstattung über Gewaltdelikte die Grundlage der Hetzkampagne.« Der Mann, der ´89 in Köln für »Die Republikaner« in den Stadtrat einzog und 1993 in der Asyldebatte auf Flugblättern und Plakaten ein Kopfgeld auf eine »illegal« in Deutschland untergetauchte Ausländerin aussetzte, scheint heute selbst ein »Opfer« zu sein, wenn er über die »Hetze gegen rechts!« sinniert: »Ihre Menschenverachtung macht Julius Streichers „Stürmer” späte Konkurrenz.« Da ist es nur sinnig, wenn auf Rouhs Homepage Andreas Kudjer zu einer Demonstration gegen einen Naziaufmarsch am 9. Dezember 2000 in Köln titelt: »Massenmedien stacheln zur Gewalt auf [...] Zu Gewalt hatten auch Musiker der Gruppe BAP aufgerufen, die bei der linksradikalen Zusammenrottung auftraten und dazu aufriefen, Andersdenkenden „auf die Fresse zu schlagen”. Unterstützung bekamen die Politschläger zudem von SPD, Grünen, PDS, Gewerkschaften und der Kirche, die zur Teilnahme an der Demo aufgerufen hatten.«

Derselbe schreibt zu Sebnitz: »Mit dem „Fall Joseph” ist im Jahr 2000 zum dritten Mal eine Hetzkampagne der Massenmedien gegen rechts in sich zusammengebrochen. Begonnen hatte die Serie gezielter öffentlicher Desinformation mit [dem] Handgranaten-Anschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn im Sommer [...]. Obwohl keine einzige Spur in [...] politisches Milieu führt, [wurde] behauptet, „Rechtsextremisten” seien die Täter.« Danach kam es zu »Brandanschlägen auf Synagogen und andere jüdische Einrichtungen [...]. Obwohl auch [hier] keine einzige Spur zu deutschen Tätern führt, nutzten die Desinfomationsmedien die Gewalttaten zur Fortsetzung ihrer Kampagne.« Und laut dem süffisant grinsenden Herausgeber der »Nation Europa«, Harald Neubauer, »kommt eine neue Redensart auf: Die Vorspiegelung falscher Tatsachen wird [...] nicht mehr „türken” genannt, sondern „sebnitzen”.« Das Fazit des Mannes, dessen Ochsentour seit 1969 durch NPD, DVU (ehemaliger Redakteur in Freys Zeitungs-Imperium), Republikaner (Mitte der 80er Pressereferent von Franz Schönhuber, später für die Reps im Europaparlament) führte: »Wir brauchen mehr Zivilcourage - gegen kriminelle Einwanderer. Und wenn Friedman fordert: „Gesicht zeigen!”, dann lasst uns das beherzt tun - gegenüber Falschmünzern des Schlages Kantelberg-Abdulla. Wir benötigen ihn nämlich dringend: den Aufstand der Anständigen.« Womit Neubauer tatsächlich eine Frage aufwirft, die Teile des sich selbst »Nationaler Widerstand« nennenden Haufen für sich längst beantwortet haben: Was, oder besser, wer, ist anständig?