MEKANIK DESTRÜKTIW KOMANDÖH

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Berliner Proto-Punk

Sie sind eine Punkband der ersten Stunde und vermutlich die ersten West-Berliner Protagonisten der neuen Musik, die konsequent mit eigenem Songmaterial und ausschließlich deutschsprachigen Texten der Bewegung in ihren Anfängen während der späten Siebziger zu einer wichtigen Initialzündung verhalfen. Nach knapp 35 Jahren veröffentlichen sie nun eine neue Platte: „manifestation“ ist Agit-Punk/Wave/Avantgarde/Rock, sowohl wuchtig und brachial als auch flüsternd und zärtlich – Punk trifft Improvisation, Jazz und Theater, energetisch, „existenziell“ und die richtigen Fragen stellend.

Die Grundidee von MDK lautet: „Nur als Kollektiv können wir zu einem neuem Klangergebnis aufsteigen“, ein Live-Konzert ist zunächst mal immer ein Ereignis. Es besteht aus purer und positiver Energie. Immer gut für eine Explosion. Und wenn es die der Stille ist. Das wird auf „manifestation“ eingefangen und deutlich, auch und weil die Songs größtenteils live eingespielt wurden, in nur wenigen Tagen. Ein wichtiges Stilmittel seit den Anfangstagen bleiben die sich immer wieder verändernden und neu kombinierten Texte, die Verbindung von Punk und Jazz mit den Methoden des Straßen- und Arbeitertheaters, ein ständig neues Aufgreifen und Abwandeln der Songverse in andere zeitgenössische Kontexte, in improvisatorischer Freiheit oder als Darbietung in der Form einer Performance – um der Dramatik der Wörter ein hörbares Gesicht geben.

Volker, ihr Sänger, erzählt: „MDK-Texte erzählen Geschichte. Sind Bilder und Film. Auf ‚manifestation‘ gibt es Neues und Neuinterpretationen. ‚Man wohnt nicht mehr im Kiez‘ entstand innerhalb einer Woche. In unmittelbarer Umgebung gab es Zwangsräumungen. Manchmal stand ich nachts um vier auf, schrieb, entwarf. Schlief erneut. Um dann um halb sieben weiterzuschreiben ... Menschen aus ihrer Wohnung zwangsräumen zu lassen oder den Strom abzuschalten. Das ist kriminell. Ich konnte ja nicht unsere Hymne von ’78 wiederholen: ‚Diese geilen Außenklos, diese grauen Betonsilos.‘ Das ist ja vorbei. Heute glänzen die Glasfassaden. Ist nur die Frage, wie lange noch. Die billig ausgebauten Dachgeschosse, die bald alle zusammenbrechen werden, die waren das Thema: ‚Wir haben’s geschafft, sind oben, oben auf’m Dach‘.“

Alte Weggefährten wurden zur Umsetzung von „manifestation“ ins Boot geholt, und alte Freundschaften bewährten sich. MDK entschieden sich, nicht in Berlin aufzunehmen. Kriete, Beck und Hauptvogel waren ursprünglich an der Nordsee groß geworden, und man wollte Abstand vom Gewohnten, frischen Wind. In Gerd Rudschucks Wohnort Hamburg verfügte Axel Dill (Ur-Mietglied von ABWÄRTS) nicht nur über das Building Site Studio, die Erfahrung und Technik, dort herrschte auch die gewisse, notwendige Atmosphäre. Jon Caffery (unter anderem Engineer von TRIO, DIE TOTEN HOSEN und den SEX PISTOLS) transformierte MDKs „manifestation“ in die Form eines Konzeptalbums.

1976

Die Wurzeln der Band liegen in den verschiedenen linken Strömungen, Krautrock-Kommunen und anarchistischen Zusammenhängen, die Anfang/Mitte der 70er Jahre in Westdeutschland entstanden sind. Volker Hauptvogel und der heutige Gitarrist Gerard Rudschuck lernen sich bei den Krautrock-Legenden RELEASE MUSIC ORCHESTRA PAGO PAGO kennen , die Letzteren touren sogar als Support von CAN durch ganz Europa. Die beiden späteren MDK Gründer Volker und Edgar Domin ziehen 1976 nach West Berlin.

1977

Volker und Edgar werden Mitglieder in einem Kreuzberger Straßentheater. Volker: „Wir kamen aus dem ‚Front-Theater‘ in der Walde 33 und haben Polizisten und Geheimagenten so überzeugend gespielt, dass die Kids uns die Rolle geglaubt haben und uns andauernd gegen die Schienenbeine traten. Und dann kam Punk über uns und hat uns gerettet und vorangetrieben, zu dem gemacht, was wir heute sind. Wir waren vorher motherfucking Hippies und dann die Koreapeitsche ab, der Punkhaarschnitt und die Attitüde, das war einfach sexy. Jeder, dem man begegnet ist, war ein Individuum ... Vorbehaltlos war jeder, der ‚dabei war‘ etwas Besonderes. In sich radikal ... Aber erst mal war Punk wie ein großer Massenorgasmus.“

1978

Neben dem Straßentheater wird versucht, ein Kommunikationszentrum in einem verlassenen Kreuzberger Gebäude aufzubauen, der Feuerwache Reichenberger Straße, als politischer und sozialer Anlaufpunkt des Bezirks. Nachdem das Zentrum geräumt und zerstört wird, entwickelt sich aus dem Straßentheater eine der ersten deutschsprachigen Punkbands: VOLLGAS – die „erste Motorrad-Punk-Kommune“ Berlins (V.H.).

Volker: „Tatsächlich haben wir damals auch gar keinen Punk gemacht, sondern Theater gespielt mit Musikunterlegung. Wir waren schnell, laut und gut. Na ja, vielleicht gar nicht mal so gut, aber sehr überzeugend. Nun, eigentlich bin ich heute mehr Punker als früher. Punk war für mich die letzte große, weltweite Jugendbewegung und wir haben viel geforscht, wo das seinen Anfang nahm. Und die ersten waren die Wandervögel, kurz vor Adolf. Dann kam die schwarze Musik, Rock and Roll und Punk. Wir waren auch keine Hausbesetzer. Wir hatten die Feuerwache besetzt und ein Jugend- und Kulturzentrum draus gemacht.“ Und über den Text zum gleichnamigen Song „Vollgas“: „Natürlich mit Tritt in Arsch und freie Fahrt für die Bullen und den Staat – einer der ersten Songs. Beschreibt die Ermordung Bubacks.“

Zwei Jahre später werden Volker und Edgar zu dem Lied mit Motorrädern auf die Bühne des SO36 fahren, als Sozius halbnackte bewaffnete Mädchen, ganzkörpervergoldet. Nach drei Konzerten Split von VOLLGAS, Edgar und Volker blieben ein Team und nennen sich bald MEKANIK DESTRÜKTIW KOMANDÖH nach einem Album der französischen Jazzrock-Pioniere MAGMA ... ausgerechnet MAGMA: „Wenn man dann noch die Grundthese des englischen Musikjournalisten Simon Reynolds aus seinem Buch ‚Rip it Up And Start Again‘ ernst nimmt, nämlich dass sofort auf den Urknall von Punk und dessen Bilderstürmer-Primitivismus sich der Möglichkeitsraum Post-Punk eröffnete und damit das erneute Erarbeiten von MAGMA-Komplexität, wirkt die Bezugnahme einer innovativen Band wie MDK auf MAGMA fast schon logisch. MDK waren anarchistisch, politisch, agitatorisch – eine der radikalsten Bands der frühen Achtziger.“ (Andreas Hartmann, taz, 8/2009)

1979

Während die beiden weiter nach neuen Mitmusikern schauen, organisieren sie das mittlerweile legendäre erste Berliner Antifaschistische Festival mit. Am 2. Juni 1979 folgt die Live-Premiere von MDK mit einem ungewöhnlichen Line-up: zwei Skinheads (Edgar und Volker) und zwei 13- beziehungsweise 14-jährige Schüler. Zu den frühen Besetzungen von MDK gehört auch ein13-jähriger Gitarrist aus dem Märkischem Viertel: Alexander von Borsig aka Alex Hacke.

Dass ausgerechnet die Straßentheater-Jazz-AgitPunks MDK die erste Skinhead-Band Deutschlands werden, ist Edgar zu verdanken. Volker: „Wir gehörten immer zu den Ersten. Vorurteile zu bedienen, dann die Erwartungen aber nur teilweise zu erfüllen, das war unsere Kunstform. Wir ließen den Menschen Platz für ihre eigene Interpretation. Das wollten die aber gar nicht. Echt erstaunlich. Edgar kam aus London zurück und war völlig Skin-infiziert, wir hatten ein CRASS-Konzert organisiert. Skinhead war eine konsequente Schlussfolgerung! Auf unserer Glatze spiegelte sich die Dummheit der Leute wider. Es war die einfachste Form der Provokation. Mit einem Haarschnitt politische Diskussionen hervorzurufen! Absolut geil. Alle waren natürlich völlig verwirrt. Skin war bei denen gleich Nazi. Zudem waren wir halt stark. Traten immer als Komandöh auf. Skinhead verzehnfachte das. Skinhead zu sein war die Offenbarung! Ich war nicht ich. Wir waren Adolf Hitler, in der U-Bahn verstummten alle, wenn wir den Zug betraten, es war völlig entsetzlich! Auf den Konzerten wurde um uns herum gepogot, keiner berührte uns. Schätze keinen Menschen ein nach seiner Kleidung, seinem Aussehen. Achte auf die Handlungen. Viele dachten ja auch, Edgar und ich wären ein schwules Paar. Zu den Konzerten kamen immer mehr Skins, die beim Friedenslied dann Feuerzeuge hochhielten. In der taz wurde in einem sehr fairen Artikel darüber geschrieben. Und wir kamen auf die Seite eins, als wir auf Lkws vor den beiden Knästen spielten. Und wir veranstalteten das erste Black & White Unite-Festival.“

Ganz im Zeichen der Zeit verstehen sich MDK als „proletarische Band“ – ganz gegen die Zeichen der Zeit verweigern sich MDK der populären „No Future“-Haltung und singen stattdessen über Optimismus und sozialistische Ideen. Der später oft und von den meisten West-Berliner Bands aufgegriffene Slogan „Spaß muss sein!“ ist ebenso ihre Erfindung wie der Einbau ihrer Straßentheater-Erfahrungen in die Konzerte, etwa ihre Darstellungen von wüsten Spitzel- und Polizei-Rambos. Und das schon oben erwähnte „Friedenslied“. Dazu Volker: „Wie gesagt, nicht nur die Hymne der Skinheads. Sondern die Berliner Hymne an sich. Oft kopiert und nie erreicht. Zum Bleistift von MALARIA!. Die haben sich vor eine Fernsehkamera gesetzt und in die Hände geklatscht und ‚Kämpfen und Lieben und Kämpfen und Siegen‘ gesungen.“

1980

Diverse Auftritte auf Berliner Bühnen, in autonomen Spelunken, auf Straßen und Plätzen. Liedtext auf Seite eins der taz. Wie auch TON STEINE SCHERBEN wird die Band von der Berliner, insbesondere der Kreuzberger linken Szene vereinnahmt. Diskussionen über Liedtexte und Auftrittsart werden heftig geführt. Manchmal wird die Bühne gestürmt und es werden Statements über die allgemeine Lage der Nation verlesen.

MDK gewöhnt sich niemals an Trends oder Moden und liebt es, das Publikum zu verwirren und zu provozieren, jede vorgeformte Vorstellung über die Band gleich wieder zu zerstören, in teuren Anzügen auf Hardcore-Shows zu erscheinen, Elemente des Arbeitertheaters von Bert Brecht in ihre musikalischen Shows einzubauen. Ihre Musik ist immer „Musik zur Zeit“, spontan und Ausdruck des gegenwärtig Erlebten.

Volker: „Wir haben viel mit Worten und Sätzen gemacht. Ein Konzert wurde als ‚Politische Großveranstaltung‘ angekündigt. In den bürgerlichen Tageszeitungen! Wir haben mit den Adjektiven ja nur so um uns geschmissen. In dem Moment, in dem Edgar und ich die Bühne betraten, waren wir nicht mehr Individuen, sondern die Band MDK. Das hatten wir beim Theater verinnerlicht. Und nach zwei Jahren konnten wir dann ja auch wirklich spielen, die Musik wurde permanent größer, wichtiger, wurde eine eigene Macht.“

Jello Biafra erinnert sich: „For them Punk in 1980 meant flooding SO36 with so much fog and gas that no one in DEAD KENNEDYS could see who was making the aggro FLIPPER noise onstage. My memory itself is foggy, they flooded the backstage, too. Soon after came their heavy/outsider post-punk LP on Zickzack, the most rockin’ release in ZZ’s history. It did not sound like the SO36 show.“

1981

Die ersten Singles „Rhythmus der Musik“, „Rohe Gewalt“ sowie die LP „Kriegserklärung an die Dummheit“ erscheinen beim Hamburger Zickzack-Label. Platz 1, 2 und 3 in den Berliner Indie-Charts. MDK spielen sich die Finger wund und werden 1981 auf der legendären „Berliner Krankheit-Tour“ zusammen mit den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN bundesweit bekannt. Anschließend diverse Konzerte in ganz Europa. Das französische Fernsehen produziert mit MDK den Film „Rock a Berlin“.

Wolfgang Müller von DIE TÖDLICHE DORIS erinnert sich 2016 in einem Junge Welt-Interview: „MDK sah ich erstmals live 1981, im SO36. Für mich war das so etwas wie die zeitgenössische Antwort auf die Politrockband TON STEINE SCHERBEN, die damals noch existierten, sich aber schon lange von West-Berlin in die nordfriesische Provinz zurückgezogen hatten. Für mich war das Musikkollektiv MDK die erste West-Berliner Punkband. Einerseits bezogen sie in der damaligen politisch aufgeladenen Atmosphäre klar Position für Hausbesetzer und Anarchisten, andererseits misstrauten sie manchen linken Parolen als hohlen Phrasen, die sie dann kunstvoll in ihrer Show verarbeiteten.“

1982

Es folgen diverse Tonträger, Filme, europaweite Auftritte mit BIRTHDAY PARTY, EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, DEAD KENNEDYS, SLIME, MALARIA!, Glenn Branca ... YELLO-Musiker Dieter Meier wird MDK-Fanclubpräsident in der Schweiz, und dann – als erste Berliner Band seit langem – eine ausgedehnte USA-Tour, gefördert vom Berliner „Rockbeauftragten“ des Kultursenators als „primary example of modern German music“ (US-Tourinfo).

Jello Biafra: „[...] MDK showed up in San Francisco, playing a much more complex, almost majestic rock sound, that won over even DK’s hardcore audience. Volker and Stefan stayed afterwards at my house. Herr V. went back to Chinatown day after day, and brought home lots of firecrackers.“ Außer auf die DEAD KENNEDYS treffen MDK in San Francisco noch auf FLIPPER, TOXIC REASONS, CODE OF HONOR, ein paar Tage später MEAT PUPPETS im legendären Filmore. Im Danceteria New York spielen sie mit Glen Branca und in Austin, Texas mit den Skatepunk-Pionieren BIG BOYS ... und ein Clubkonzert in Los Angeles mit Nina Hagen, Christiane F. und Nena (!).

1983

Das Buch „Die Verweigerer im politischen Taumel Berlins“ erscheint im Karin Kramer Verlag. US-Release von „Berlin“ (12“ Sixth International/Rough Trade).

1984

„Ich habe MDK 1984 einmal im Kreuzberger Blockschock gehört. Hauptvogel sang vom ‚Tier in ihm, das erwacht‘. Ich war sofort Fan.“ Frank Willmann, Intro (6/2016)

Die letzte Single „Das weiße Biest“ erscheint und Volker und Edgar haben Streit – über Politik –, die Auflösung der Band folgt im gleichen Jahr. Volker gründet den Schöneberger Nachtclub Pinguin-Club. Im Stil der amerikanischen Fünfziger Jahre eingerichtet, mit Autoscooter, allem Drum und Dran. Treffpunkt nicht nur der Berliner Künstler. Auch DEPECHE MODE haben ihren Stammtisch dort. DIE ÄRZTE feiern ihre erste Goldene Schallplatte. Nina Hagen und Marianne Rosenberg kommen sich nicht all zu nahe. Stefan Remmler lacht dazu.

Volker in einem Interview 2012: „1984 haben wir ja aufgehört. Edgar und ich haben uns aus politischen Gründen verkracht, dann zwanzig Jahre nicht gesehen. Als wir uns Silvester 2009 trafen, haben wir ordentlich einen verhaftet und unseren Disput mit einem Lachen kommentiert, nicht mit einer Diskussion. Dann haben wir die Notwendigkeit gesehen, uns noch einmal als MDK zu äußern. Die Titel haben wir schon. ‚Steck dir alles in den Arsch‘ und ‚Nimm dir das Leben‘ ...“

Rückblickend erinnert sich Volker heute an die Jahre 1979 bis ’84 so: „Früher, da lebten alle noch. Man starb ja fast jeden Tag. Alles war hart. Das Leben besonders. Eiskalte Wohnungen, Smogalarm. Um dann wieder dabei zu sein. Man durfte, wollte, konnte einfach nichts verpassen. Die Tage und Nächte waren zu aufregend. Die Liebe hätte ja auch kommen können. Hübsch waren die ja, die jungen Punkerinnen. Hacke, den wir ja ‚in die Szene‘ gebracht hatten, spielte natürlich gleich in anderen Bands mit. Das machten ja viele. Und es war gut so. Hatte nichts mit Konkurrenz zu tun. George Hampton wohnte nicht in Berlin, sondern in Kassel. Den mussten wir bei Gigs an irgendwelchen Autobahnraststätten in Westdeutschland abholen. Klappte immer.

Stephan, am Saxophon, spielte noch bei ZATOPEK, FLUCHT NACH VORNE und sonst noch was. Edgar und ich wollten nur MDK machen. Nichts anderes. Übergehen von flüssigen zu festen Zuständen. Während DER PLAN ‚An der Straße steht ne Ampel‘ im Reggaerhythmus spielten und lustige Videos dazu machten, hieß es bei MDK: ‚Zu Hause sind’s die Alten, die dich schalten und verwalten, in der Schule dann der Lehrer, in der Lehre dann der Meister und auf den Straßen dann die Ampeln.‘

Gemacht und versucht haben wir so viel. In der Akademie der Künste haben die uns den Strom abgestellt, die Handlanger der Profs. Wir hatten den Song ‚Links und Rechts‘, dazu gab es zusammengeschnittene echte Zelluloidfilme, von Nazis und Pi-Pa-Politikern. Auf dem Dach vom SO36 rumgetanzt. Angebliche Linke haben dann mal die Bühne besetzt. Wir haben die sich selbst erklären lassen, nach ein paar Minuten war der Spuk vorbei. In besetzten Häusern gespielt. In großen Sälen. Im Kant-Kino die Live-LP aufgenommen. In Theatern mit zwei Bässen gespielt, weil der Drummer Schiss vorm Auftritt bekam. Eines Tages war alles vorbei. So war das damals. Das Publikum war das Beste. Ist es immer.“

2015

Nachdem bis auf den Ursaxophonisten alle Bandmitglieder verstorben sind, auch Edgar, sieht Volker die Wiederbelebung von MDK als seine dringliche Aufgabe an. Von Anfang an mit dabei: Gerard Rudschuck (Gitarre), der schon in früheren Tagen Impulse gesetzt hatte. Die Resonanz ist gewaltig. Nach einer Umbesetzung ist 2016 das Line-up mit Rumme Beck (Bass), Friedel Kriete (Schlagzeug), Bertram Krumm (Saxophon) und Kurt Rudschuck (Tasteninstrumente) perfekt.

Ob MDK dieses Mal zur Massenbewegung wird? Ob noch einmal etwas Ähnliches wie damals von 1978 bis ’84 passieren wird? Volker: „Das ist zu bezweifeln. Jeder zieht sich an, wie er will. Belästigt einen mit der Darstellung seiner sexuellen Vorlieben. Der Computer ist da. Die Kommunikation ist völlig verändert. Handys. Alle können am PC schlechte Musik machen. Es gibt überhaupt kein Klassenbewusstsein mehr. In Deutschland war das ja nach Adolf noch da. Wir hatten schließlich Feindbilder, konnten Opposition machen. Heute sagt einem der Politiker frech ins Gesicht, dass du der Arsch bist, und keinen regt das auf. Es wird nicht reflektiert über Ursache, Wirkung und Absicht. Dass Bildung mit Geld zu tun hat, hat noch nie einer so klar gesagt wie unsere Regierung. Bildungsgutscheine. Jetzt redet man über die Form. Ob als elektronischer Chip oder nicht. Zum Kotzen. Das Gesundheitssystem wird abgebaut. Renten verweigert, unser Anteil an der Gesellschaft wird gestohlen! Und die Absicht unserer Regierung ist so klar. Man soll entmündigt und versklavt werden, darf aber konsumieren. Uns werden Gigabytes ins Hirn geschoben, und in den Arsch.“

Und weiter sagt Volker: „Die ist ja da, immer, die Energie ... Während Bücher schreiben eher einsame Arbeit ist – was ja auch was für sich hat –, ist die musikalische Arbeit eine gemeinsame. Ja, es ist noch nicht einmal Arbeit, sondern ein Energiefluss zwischen den Musikern. Wie Sex, nur ohne Sex. Die Musik von ‚manifestation‘ wurde erst durch die Musiker zu dem, was sie ist – ohne die Mitmusiker wäre ich nichts. Ich kann ja gar keine fremden Texte singen, nur meine eigenen. ‚Happy birthday‘ vielleicht noch, aber sonst? Die nötigen Schritte bei der MDK-Neugründung in 2014 waren klar. Allerdings klappte es erst mit der zweiten Besetzung. Aber dann innerhalb eines Jahres. Gerard Rudschuck war ja schon damals in den Achtzigern, auf der Tour in den USA und auf verschiedenen Recordings bei MDK dabei. Wir wollten keinen Kindergarten, klare Sache. Das Komandöh ist unterwegs. Weg und Ziel waren leicht zu definieren: Die Texte schreiben, üben und öffentlich auftreten. Aufnahme im Studio, der erste Rough Mix und die eigentliche Produktion ... sind ja alles Arbeitsprozesse. Pressevorbereitung. Und das alles. Dann war da natürlich die Finanzierung. Das kostet ja trotz aller Sonderkonditionen. Da kam wie ein Engel vom Himmel unser alter Freund Dirk Felsenheimer, der nach kurzer Schilderung der finanziellen Misere einsprang. Danke, Kumpel, nochmals!“

Und nochmal Volker, zur Produktion: „Die Reihenfolge der Stücke sind die eines Auftrittes. Wir wollten sie ändern, aber Jon Caffery an den Reglern war dagegen. Und das war gut so. Da war auch die gewisse nötige Magie im Spiel. Wir wollten eine moderne, zeitgenössische Produktion haben, keine Rückwärtsgewandte, landeten zu unserer Freude aber bei alten, teils lange nicht gesehenen Menschen, die gewillt waren, unser Vorhaben zu unterstützen. ‚manifestation‘ entstand durch positive Energie. Natürlich war es ein Weg dahin, ein langer Weg dahin, harte Arbeit. Aber auch ein lustvoller. Das Resultat wäre anders ausgefallen, wenn wir Jon Vorgaben gemacht hätten. Haben wir aber nicht. Wir setzten Vertrauen in dessen musikalisches Wissen, das Wissen um die Notwendigkeit von Freiheit in der Musik. Nun bin ich jetzt gespannt auf die Videos. Den Videomachern haben wir auch keine Vorgaben gemacht. Das ist ein fremdes Metier für mich. Ich kann gerade mal Fotos knipsen. Mach ich aber gar nicht.“

 


Diskografie

Der Weg zum Frieden (MC, Stechapfel Produktion, 1980) • Rohe Gewalt (7“, Zickzack, 1981) • Die Kriegserklärung (Live-LP, Zickzack, 1981) • Der Tag schlägt zu (12“, Zensor, 1982) • Berlin (12“, Sixth International, 1983) • Der Liebe auf der Spur (7“, 1984) • manifestation (LP/CD, Destiny, 2017)