TREEDEON

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Keine Rockstar-Träumereien

Gitarrist und Sänger Arne Hesch war früher bei ULME, einer der ersten deutschen Noiserock-Bands. Drummer Andy „Fussel“ Schünemann spielt neben TREEDEON noch bei der Post-Rock-Band ALPHATRIP und Bassistin und Sängerin Yvonne Ducksworth hat „auch mal in einer anderen Band gespielt“, wie sie selbst sagt. Die Berliner haben mit „Under The Machineel“ gerade ihre zweite, tief doomige Platte herausgebracht. Zum Interview treffe ich mich mit Yvonne in ihrer Mittagspause in Berlin-Neukölln.

Yvonne, du hast einen interessanten musikalischen Werdegang. Angefangen mit Hardcore, ging es bei JINGO DE LUNCH weiter über Punkrock beinahe Richtung Hardrock. Mit TREEDEON ist es nun Doom mit Sludge-Elementen geworden.


Du hast hier meine Leidenschaft für Metal vergessen. Die erste JINGO DE LUNCH-LP wurde ja im absoluten „Metal-Laden“, dem Music Lab, aufgenommen. Tagsüber waren HELLOWEEN drin, am Abend dann wir. Alles, was danach passierte, kam einfach so von alleine. Etwa zur gleichen Zeit, als es mit JINGO DE LUNCH zu Ende war, hatte Arne mit ULME aufgehört. Wir waren beide ohne Band in Berlin, irgendwas mussten wir machen und haben im Wohnzimmer immer mal wieder etwas zusammengebastelt. Dann hat Andreas von Exile on Mainstream Records Arne gefragt, ob er auf seinem Festival South of Mainstream spielen würde. Wir haben dann unter Termindruck einige Songs von Arne in zweistimmige Lieder umgebaut, die nicht zu ULME gepasst hatten, da sie zu ruhig waren. Und so gründeten wir TREEDEON. Mein Musikgeschmack ist tatsächlich sehr breit gefächert, Doom gehört schon ewig dazu. Von Sludge haben wir aber nur Nuancen. Dafür ist etwas Hardcore mit dabei, wie ich finde.

Im Review zu eurer neuen Platte „Under The Machineel“ in Ox #136 heißt es, dass ihr auf jeden Fall nichts zum Nebenbeihören seid. Wie siehst du das?

Genauso. Die Musik ist etwa wie zum „Um-den-Block-Rennen“, wenn man zu lange zu Hause ist. Wenn du also ausbrechen willst, deine Seele beruhigen willst. Jeder hat auch einen anderen Grund, Ort, oder Anlass, Musik zu hören. Ich höre beispielsweise auch schon immer auf der Arbeit Musik, zur Zeit gerne CROWBAR.

Hat sich etwas an der Bedeutung der Musik für dich im Gegensatz zu früher geändert?

Musik hat ganz viele Facetten. Ich muss mich nicht auf nur eine Richtung beschränken. Ich höre auch viel Blues und Klassik, es kommt drauf an, was man gerade braucht im Alltag. Es wäre schade, wenn man nicht überall mal seinen Blick hineinwirft und – das hört sich jetzt wahrscheinlich sehr hippiemäßig an – einfach seinem Herz ein bisschen mehr Raum gibt.

Viele, denke ich, trauen sich nicht zu sagen, dass ihnen etwas anderes gefällt als Punk oder Hardcore.

Siehst du – alle sind so super Hardcore und wenn jemandem etwas ganz anderes gefällt, lassen sie sich einschüchtern. Ist es ein deutsches Problem, etwas nicht cool finden zu dürfen, bevor andere es cool finden? In Deutschland ist man eher zurückhaltend, die harte Szene könnte etwas lockerer sein, finde ich. In den USA habe ich dagegen auch erst entdeckt, dass es zum Beispiel sehr facettenreichen Afro-Punk und auch viele schwarze Frauen in der Metal-Szene gibt.

Wie zufrieden seid ihr in dieser Doom-Nische? Wo wollt ihr noch hin?

Mir ist es egal, ob wir in einer Nische sind oder nicht. Mir ist wichtig, zu machen, was wir wollen. Mir wurde mal in einer Band gesagt, ich solle aufhören, so politische Texte zu schreiben, weil es sich anders besser verkaufen würde. So was war mir immer scheißegal. Träumereien vom Rockstar-Leben haben wir natürlich nicht. Ich bin einfach dankbar, dass ich meine Musik mit so super Typen machen kann. In den USA würde das gar nicht gehen, da musst du nur arbeiten, um dich über Wasser zu halten. Und hier kann ich mir dadurch die Band leisten. Deshalb bin ich sehr zufrieden – wir sind gerne im Proberaum und auch sehr froh, wenn wir live spielen können, wo es eben bloß wichtig ist, nicht draufzuzahlen und Freibier zu bekommen, haha.

Wo sind die Unterschiede zu eurer ersten LP „Lowest Level Reincarnation“ von 2015? Für jede Band ist die neue Platte ja immer die beste.

Das liegt daran, dass du das ändern kannst, womit du bei der vorherigen Platte nicht ganz zufrieden warst. Dieses Mal haben wir mit Andi Bukelini und Kian Moghaddamzadeh unseren Fokus auf den Sound und den Endmix gelegt. Wir fühlten uns hier richtig gut verstanden, das war super. Nächstes Mal werden wir mehr in den Gesang investieren, mehr testen, mehr ausprobieren, ihn etwas präsenter machen.

Wovon handeln eure Texte? Der Titeltrack dürfte sich gegen Umweltzerstörung richten.

Das kann man nicht so reduzieren. „Machineel“ ist eine Metapher für eine Regierung, die man in der Hoffnung gewählt hat, dass sie einem hilft. Der Manchinelbaum ist ein giftiger Baum, den es zum Beispiel in der Karibik gibt. Wenn es regnet und du darunter sitzt, kann das tropfende Harz deine Haut verätzen. Oder wenn du den Apfel dieses Baumes isst, wird es lebensgefährlich. Das ist die Metapher – du suchst Schutz und bekommst das Gegenteil. Was natürlich nicht nur auf Regierungen bezogen gemeint ist. Nur habe ich da die ganze Wut reingepackt über das, was einfach gesellschaftlich und politisch falsch läuft, wie zum Beispiel die Profitgier oder die Verdrängung aus den Städten.

Wie geht es bei euch weiter?

Wir haben das große Glück, dass wir alle einen Job haben. Durch die Arbeit können wir unsere Musik machen, die unser aller Leidenschaft ist, die wir lieben, die unseren „Seelendruck“ befreit, die uns glücklich macht. Wenn es andere auch noch glücklich macht, ist das schön. Und deshalb wollen wir einfach so viel es geht live spielen.