VISUAL ATTACK

Foto

Ein intensiv-familiäres Arbeitsverhältnis

Wer steckt hinter dem Cover der kommenden PASCOW-Platte, wer hat den „Lost Heimweh“-Film über und mit PASCOW gedreht, wer fotografiert die Band seit Jahren, dreht ihre Videos? Andi Langfeld und Kay Özdemir sind das, alias Visual Attack aus Düsseldorf. Wir befragen die beiden zum Hintergrund des Covers des neuen PASCOW-Albums „Jade“.

Andi, Kay, bitte stellt euch mal jenen vor, die euch bislang nicht kennen: Wo kommt ihr her, was macht ihr künstlerisch wie „szenetechnisch“, was ist eure Ausbildung?

Kay:
Ich habe Kommunikationsdesign an der FH Niederrhein studiert und da schnell gemerkt, dass ich nicht in einer klassischen Werbeagentur landen, sondern im Musikzirkus ein gestalterisches Zuhause finden möchte. So kam irgendwann eins zum anderen, und jetzt haben wir das große Glück, mit Leuten, die wir mögen, an allem, was eben für eine Band so dazugehört, zu arbeiten.

Andi: Ich habe Fotografie und Kommunikationsdesign an der Folkwang Universität der Künste in Essen studiert und bin seit meinem Diplom als freier Künstler und Fotograf unterwegs. Nirgendwo angestellt zu sein, lässt mir die zeitliche „Flexibilität“ die Projekte umzusetzen, auf die ich Bock habe – künstlerisch und „szenetechnisch“. Meistens fotografiere ich für eigene Ausstellungen, aber auch für Bands. Hin und wieder habe ich Lehraufträge an Unis. Sachen mit Film zu machen, da bin ich eher durch Kay reingerutscht, das ist auf jeden Fall stressiger als Fotografieren. Danke dafür, haha. Kay spielt außerdem Gitarre bei BLUT HIRN SCHRANKE und ich Bass bei SNIFFING GLUE.

Wann und wie kam eure Verbindung zu PASCOW und Kidnap Music/Tante Guerilla zustande?

Kay:
Ich habe PASCOW bei mir auf dem Dorf live gesehen. Auf einem kleinen Punk-Fest namens Bundschuh-Festival. Das haben Leute, die wir kannten, veranstaltet. Das muss so 2005 gewesen sein. „Geschichten die einer schrieb“ war gerade erschienen und hat mich damals total geflasht. Ich habe die Band immer verfolgt und von da an wahrscheinlich jedes Konzert der Band in Düsseldorf besucht. Nachdem ich angefangen habe, auch Fotos auf Konzerten zu machen, habe ich der Band einfach meine Bilder geschickt. Die haben PASCOW offenbar gefallen. Irgendwann hatte ich dann eine Mail von Alex im Posteingang, ob ich nicht Lust hätte, die Split-7“ mit den SPERMBIRDS zu gestalten. So hat das angefangen.

Andi: Ich kannte PASCOW zwar und wir haben mit SNIFFING GLUE auch mal mit ihnen zusammengespielt – zum Beispiel auf dieser legendären Ox-Party 2012 –, aber richtig kennen gelernt haben wir uns eigentlich erst bei den Dreharbeiten zu dem „Lost Heimweh“-Film. Kay hatte ja bereits vorher mit denen gearbeitet und Fotos sowie das „Im Raumanzug“- und das „Diene der Party“-Video für die gemacht.

Was habt ihr bislang mit und für Kidnap Music/Tante Guerilla gemacht?

Kay:
Musikvideos für PASCOW, BABOON SHOW, BARETTA LOVE und NO°RD. Und wir haben an den PASCOW-Artworks mitgearbeitet und es gab natürlich das „Lost Heimweh“-Filmprojekt, wo wir auch für den Bildband und das gesamte visuelle Erscheinungsbild verantwortlich waren. Außerdem bringen wir die Platten unserer eigenen Bands über Kidnap raus!

Seid ihr so was wie das „Visual Department“ von Kidnap Music/Tante Guerilla?

Kay:
Das würde ich nicht so sehen. Für PASCOW trifft das vielleicht schon eher zu, aber auch da gibt es noch mehrere Leute, die daran mitwirken. André Nossek zum Beispiel, der den Raben vom „Diene der Party“-Cover gestaltet, aber auch die Typografie der letzen beiden Platten übernommen hat. Außerdem hat ja jede Band so ihre Leute für die Gestaltung, sonst würde ja alles irgendwie in dieselbe Richtung gehen. Kidnap drängt uns jetzt nicht den anderen Bands auf. Wäre auch eine gruselige Vorstellung.

Andi: Sagen wir es mal so, wir pflegen ein intensives familiäres Arbeitsverhältnis.

Beschreibt doch bitte anhand des aktuellen Albums „Jade“, wie da die Ideenfindung lief, eurerseits und mit der Band?

Kay:
Im Grunde hatte die Band da schon eine recht konkrete Vorstellung, was das Cover ausdrücken soll, und dann haben wir uns an die Arbeit gemacht, das Ganze umzusetzen. Wir sind glücklicherweise auf der Suche nach einer Protagonistin relativ schnell auf Gwentsche gestoßen. Gwen war auch der erste und ich meine auch einzige Vorschlag, den wir der Band unterbreitet haben. Das hat sofort gepasst.

Andi: Wir hatten einige Skype-Sitzungen, in denen wir uns gegenseitig Material gezeigt haben, in welche Richtung es gehen soll. Kay und ich haben zusätzlich ein Probeshooting gemacht, um der Band unsere Vision zu visualisieren, verschiedene Lichtaufbauten zu vergleichen und auch um mal das Corpse Paint-Schminken vorher ausprobiert zu haben. In dem Fall durfte ich das Modell spielen, was auch irgendwie witzig war.

Wie ist eure Verbindung zu Gwen, warum wurde sie das Covermodel?

Kay:
Wir sind auf der Suche nach einer Schauspielerin auf Gwen gestoßen. Zufällig sozusagen. Sie stach da aus der Menge an Schauspielerinnen, die man bei so einer Recherche entdecken kann, heraus. Als wir die Setfotos gesehen haben, war irgendwie klar, dass das passen könnte.

Und wie muss man sich den Produktionsablauf vorstellen?

Kay:
Ich habe mich mit Gwen in Verbindung gesetzt und habe ihr das Projekt vorgestellt. Danach haben Andi, ich und Alex von PASCOW überlegt, was wir alles beim Shooting so umsetzen wollen und haben uns für einen Tag in meinem kleinen „Fotostudio“ getroffen und gemeinsam daran gearbeitet.

Andi: Es war auf jeden Fall ein gutes und sehr intensives Zusammenarbeiten mit Gwen und Alex, der ja auch vor Ort war und die Bilder direkt mit beurteilen konnte. Gwen ist super professionell und hat eine gute Ausdauer, das hat uns das Arbeiten auf jeden Fall erleichtert.

Wie aufwändig ist so was, welcher Zeit und Materialaufwand steckt dahinter?

Andi:
Wir hatten im Vorfeld selbst zwar recht gut abgesteckt, in welche Richtung die Reise gehen soll, trotzdem war von Seiten der Band noch einiges an Möglichkeiten offen. Deswegen haben wir in der Umsetzung viel mitgenommen. Mit Nebelmaschine, verschiedenen Kameraformaten, verschiedenen Lichtaufbauten und so. Das Motiv vor schwarzem Hintergrund zu fotografieren, ist zum Beispiel aus der Session heraus entstanden. Die ersten Aufnahmen haben wir vor einem weißen Hintergrund mit einem anderen Lichtkonzept gemacht.

Kay: Da können von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt schon ein paar Wochen vergehen, da Ideen gesammelt, aber auch wieder verworfen werden. Die Abstimmung bis zur eigentlichen Umsetzung nimmt die meiste Zeit in Anspruch. Wenn die Idee einmal steht, geht es dann meistens alles relativ fix.

Andi: Im Aufwand nicht zu unterschätzen ist neben dem Shooting natürlich auch die Orga im Vorfeld und die Postproduktion. Das gilt für Foto wie für Film.

Reden wir über die Technik: Mit was arbeitet ihr?

Andi:
Von analog bis digital, alles dabei. Meistens arbeiten wir natürlich mit unserem eigenen Equipment, wir sind da mittlerweile ganz gut aufgestellt, was Foto- und Filmkameras angeht, und können uns so auch ganz gut gegenseitig aushelfen. Das war auch ein Hintergedanke, als wir überlegt haben, mit „Visual Attack“ so was wie ein Kollektiv zu gründen. So kann man sich sowohl equipment- als auch energiemäßig ganz gut ergänzen und vor allem aufteilen. Es kommt aber immer auf das Projekt an. Für so was wie das PASCOW-Video „Silberblick und Scherenhände“ haben wir zusätzlich weiteres professionelles Filmequipment geliehen und mit einer Ausrüstung gearbeitet, die im Spielfilmbereich verwendet wird. Das fängt bei Cinema-Linsen an, geht über Licht, Funkschärfe und hört dann irgendwann wegen der Budgetgrenze auf, haha. Je aufwendiger die Idee, desto mehr muss auch in das Equipment, sprich in die Umsetzung investiert werden. Das ist also auch stark abhängig von Budget und Idee, mit welchem Equipment wir arbeiten und was für Videos wir machen oder machen können.

Wie steht ihr zu Plattencovern in Zeiten von Streams und Sprachsteuerung, wo man Musik losgelöst von der optischen Komponente konsumieren kann?

Kay:
Für mich ist das Plattencover unverzichtbarer Teil des Albums, genauso wie die Gestaltung der gesamten Platte. Also Textblatt, Labels, wie sind die Texte gesetzt und so weiter. Neben dem Aussehen gibt es ja noch die haptische Komponente, die ein Cover speziell machen kann. Im Falle von „Jade“ ist es der partielle Lack auf der Inside-Out-Hülle. Das sieht einfach schön aus und fühlt sich auch toll an. Das sind ja alles Dinge, die man bei Spotify nicht hat. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass das Cover für Leute, die Musik ausschließlich über Streamingdienste konsumieren, eher eine untergeordnete Rolle spielt.

Andi: Untergeordnet auf jeden Fall, aber dennoch wichtig. Ich denke nicht, dass ein rein digitales Album ohne Coverartwork funktionieren würde. Ob digital oder analog, das Visuelle spielt immer eine Rolle. Wer will schon auf seinem Telefon so ein blödes Musiknoten-Symbol sehen, haha.

Für wie wichtig haltet ihr bei Punk- und Hardcore-Bands das Design, das gestalterische Gesamtpaket, die „CI“? Essentiell oder nur verkopfter Studentenschnickschnack, denn hey, die Musik und die Texte und die Konzerte zählen doch!

Kay:
Klar, die Musik und das Live-Erlebnis sind ausschlaggebend. Ich glaube auch nicht, dass eine Punk- oder Hardcore-Band zwingend eine „Corporate Identity“ braucht. Aber ich finde es okay, wenn Bands ihren Look haben. Wenn man als Beispiel die DESCENDENTS nimmt, die haben Milo als Icon immer durchgezogen – ist doch cool! Aber zwingend notwendig ist es nicht.

Andi: Man kann als Band auch ganz gut durchkommen ohne Logo oder gleichbleibendes Artwork. Obwohl mir das ziemlich gut gefällt, wenn es einen erkennbaren roten Faden gibt.

Was muss für euch ein gutes Cover erfüllen?

Kay:
Vielleicht eine Verbindung zu den Texten des Albums herstellen, aber selbst, wenn das nicht gegeben ist, kann das Cover ja trotzdem ansprechend sein. Schwer, das pauschal zu beantworten.

Andi: Wirklich schwer. Achtziger-Jahre-Hardcore/Punk-Klischeecover à la BLACK FLAG und CRASS können genauso geil sein wie genreuntypische Hochglanzmotive. Das Gesamtpaket muss stimmen und das Artwork sollte was Besonderes haben. Auf die Typo sollte genauso viel Wert gelegt werden wie auf das Motiv. Ich mag tendenziell eher, wenn es reduziert und simpel gestaltet ist, aber bei einer Band wie zum Beispiel AYS gefallen mir die detaillierten Illustrationen von Sänger Schommer auch super gut.

Welches sind eure drei Lieblingsplattencover im Hinblick auf die Gestaltung?

Kay:
Aus dem Bauch heraus: „Smilewound“ von MÚM, „Pink Flag“ von WIRE, „Unknown Pleasures“ von JOY DIVISION.

Andi: Nur drei? Geht nicht. Vieles, wo Raymond Pettibon seine Finger mit im Spiel hatte, vor allem bei BLACK FLAG und SONIC YOUTH, hier besonders „Goo“. Die LP der GERMS ist eine Augenweide! „Ever Feel Like Killing Your Boss?“ von FEEDERZ ist auch super! Die LP von BLUT HIRN SCHRANKE ist auch geil gestaltet, und das neue Album von PASCOW natürlich ...

 

Gwentsche Kollewijn

„Ich komme aus Wuppertal, bin 19 Jahre alt und habe diesen Sommer mein Abitur gemacht. Nebenher habe ich immer etwas Schauspiel gemacht, erst viel im Theater und dann mit 15 zum ersten Mal im Film. Damals habe ich in einem Auftragsfilm für das Blaue Kreuz mitgespielt mit Konstantin Koewius vom Medienprojekt Wuppertal als Regisseur. Über ihn kam dann auch der erste Kontakt zu Kay und Andi mit dem Cover-Shooting-Projekt. Ein anderes Fotoshooting hatte ich vorher noch nie gemacht. Seit dem Auftragsfilm war ich mehr in Filmprojekte involviert, mal im Fernsehen, mal mit Studenten der KHM Köln und mal etwas Hörspiel. Deswegen war ich natürlich auch etwas aufgeregt und gespannt, wie es läuft. Ich bin dann also nach Düsseldorf, habe Andi und Kay getroffen und dann ging es auch bald schon los. Die beiden hatten sich die Idee mit der Schminke schon vorher ausgedacht und auch schon einmal an Andi getestet. Alex war auch dabei. Wir haben dann Verschiedenes ausprobiert, es war insgesamt eine super spaßige Session. Ich hab mich total wohlgefühlt und mit Unmengen von Mate wurde man auch noch versorgt. Als ich das Ergebnis gesehen habe, war ich überrascht, was die Jungs da aus der Session rausgeholt haben.“