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ÅRABROT

Who Do You Love

Nach der Genesung von seiner Krebserkrankung hat Frontmann Kjetil Nernes ÅRABROT einmal komplett auf den Kopf gestellt. Mit (bis auf ihn selbst) komplett neuer Besetzung steuerte er 2015/16 mit „The Gospel“ von frech-ironisch eingefärbtem Sludge in Richtung düsteren Noiserock mit deutlichem Wave-Einschlag.

„Who Do You Love“ setzt genau an dieser Stelle an und führt den neu eingeschlagenen Kurs konsequent fort. Aber nicht nur das, es erweitert den ÅRABROT-Kosmos musikalisch auch um ein paar schillernde Facetten und feine Nuancen.

Mit der Church, dem Djura Missionshus in Schweden, in dem Nernes und Gattin Karin Park seit 2014 wohnen und das sie teilweise zum Studio ausgebaut haben, als Ausgangspunkt für diverse Erkundungen jenseits gängiger Hörgewohnheiten.

Nernes gibt dabei zwar die Grundstruktur vor, bleibt aber besonders in den Details offen für die Ideen Dritter, die auch diesem Album eine spezielle Note verleihen. Gemeinsam mit diversen Kollaborateuren, darunter die Pianistin Karin Park, die norwegische Percussionistin Ane Marthe Holen, Tubaspieler und Multi-Instrumentalist Kristoffer Lo und Bassistin Dana Schechter (ANGELS OF LIGHT, INSECT ARK), reist Nernes auf „Who Do You Love“ einmal quer durch die Geschichte des Rocks härterer Spielart der Siebziger, Achtziger und frühen Neunziger.

Was sich beinahe liest wie der Slogan eines Radiosenders, umschreibt das bisher wohl zugänglichste aller ÅRABROT-Alben. Eingerahmt in Verneigungen vor T. REX, KING CRIMSON und LED ZEPPELIN finden sich SLAYER-inspirierter Doom („The dome“), BAD SEEDS-artige Murder Ballads („Sinnerman“, „A sacrifice“), dreckige Garage-Punk-Kracher („Warning“), Industrial („Look daggers“), you name it.

„Pygmalion“, gesungen von Karin Park, und „Sons and daughters“, ein dank Slidegitarre dezent countryeskes Duett von Park und Nernes, stechen da als recht klassische, orgel- beziehungsweise pianounterfütterte Balladen etwas heraus.

Das ist in seiner Gesamtheit selbstredend alles andere als Fahrstuhlmusik, sowohl textlich als auch musikalisch, „Who Do You Love“ verlangt definitiv in voller Länge volle Aufmerksamkeit.

Was sonst ist von einem Album zu erwarten, das überwiegend in Steve Albinis Electrical Audio-Studios eingespielt wurde – die Gitarrenparts laut Nernes dazu auch noch hauptsächlich auf einer von Albinis alu-behalsten Travis Bean-Gitarren? Das ist im Übrigen dritte Zusammenarbeit von ÅRABROT mit Albini, doch dass letzterer dabei nicht unbedingt den Ton angibt, sollte klar sein.

Wer glaubt, damit wäre alles über „Who Do You Love“ gesagt, täuscht sich gewaltig: Kjetil Nernes hat gemeinsam mit dem befreundeten norwegischen Vlogger Martin Mentzoni 13 Clips rund um dieses Album auf YouTube veröffentlicht.

Reinschauen lohnt. Reinhören sowieso.