BEING AS AN OCEAN

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Metamorphose

Nach langer Pause und vielen Veränderungen ist die kalifornische Band wieder zurück. Durch schwierige Zeiten inspiriert zeigen sich die beiden verbliebenen Bandmitglieder deutlich befreit und läuten nun eine neue Ära ein. Sänger Joel erzählt uns mehr.

Euer neues Album „Death Can Wait“ erscheint am 2. Februar. Was können Fans musikalisch und inhaltlich erwarten?

„Death Can Wait“ hat deutlich mehr Tempo, besonders im Vergleich zu „Waiting For The Morning To Come“, das eher langsam und stimmungsvoll war. Es hat natürlich immer noch seine atmosphärischen Momente, ist aber facettenreicher und hat mehr Punk- und Hardcore-Einflüsse als viele unserer neueren Alben. Die Lyrics behandeln hauptsächlich Dinge, die ich nach der Pandemie durchgemacht habe, eine Zeit, in der ich versucht habe, mein Leben und meine psychische Gesundheit zu ordnen. Es geht viel um persönliches Wachstum und die Beziehung zu meiner Umgebung, meinen Leidenschaften und Obsessionen und wie ich meine Energie für genau diese Dinge einsetze.

Der Albumtitel „Death Can Wait“ ist ziemlich sinnträchtig. Kannst du vielleicht näher erläutern, was hinter dem Titel steckt, wie er den Inhalt des Albums widerspiegelt und auch wie sich dieser im Coverartwork wiederfindet?
„Death Can Wait“ ist eine Umkehrung des Memento-Mori-Gedankens. Besonders die Zeile „With one foot in life and the other in the grave, you can’t keep living like death can wait“ macht das deutlich. Der Tod kommt, wann er will. „Death Can Wait“ schien uns für diese Botschaft sehr passend zu sein und erzeugt viele Bilder in den Köpfen der Menschen. Die Bedeutung des Albums ist, dass wir unsere Zeit nicht mit Dingen verschwenden sollten, die nicht dem dienen, dass wir besser werden, die nicht die guten Dinge im Leben, die bleibenden Dinge, die wir hinterlassen, voranbringen. Wir sollten uns nicht zu sehr auf das Materielle und die Dinge konzentrieren, die uns genommen werden können, sobald wir weg sind. Als Michael und ich überlegten, welche Stimmung das Album haben soll, wollten wir definitiv, dass es irritiert und die Leute zum Nachdenken bringt. Wir wollten, dass der Tod eine greifbare Figur ist, die sich durch das Album und durch das Artwork zieht, als etwas, das nicht immer bemerkt wird, aber immer da ist. Daher sieht man auf dem Cover ganz alltägliche und glückliche Momente – einen Kindergeburtstag oder zwei frisch Vermählte – aber der Tod ist dennoch da und lauert leider an den unerwartetsten und erschreckendsten Orten. Aus irgendeinem Grund konnte ich das Bild dieses rot verhüllten Todes, der irgendwo im Hintergrund auf einer Geburtstagsfeier eines jungen Menschen steht, der noch lange nicht an den Tod denken sollte, nicht abschütteln.

Ich mag das Albumcover wirklich sehr. Es ist nichts, was man jeden Tag in dem Genre sieht.
Genau das war unser Ziel. Ich habe ein bisschen die Nase voll von vielem, was in den letzten Jahren in der alternativen Musikszene herumgeschwirrt ist. Also wollte ich etwas, das zu den Wurzeln der alternativen Musik zurückkehrt.

Eure neue Single „Flesh and bone“ hat vor kurzem Premiere gefeiert. Was steckt hinter diesem Song und wie repräsentiert er das Thema des Albums?
„Flesh and bone“ handelt von der Spaltung der Seele eines Menschen, der vom Unbekannten besessen ist, von dem Ruf, den man spürt, wenn man zu lange in zu viel Komfort verweilt. Ich liebe mein Zuhause und ich liebe meine Freunde und Familie, und ich bin auch ein bisschen ein Gewohnheitstier. Ich mag das Vertraute, aber wenn ich zu lange zu Hause bin, erwische ich mich oft beim Tagträumen und denke an all die Dinge, die ich noch nicht gesehen oder erlebt habe. Und das ist im Grunde die Essenz von „Flesh and bone“: Wenn mir warm ist, sehne ich mich nach Kälte. Ich spüre diesen Ruf, hinauszugehen und Erfahrungen zu machen und Dinge zu tun, die ich woanders leidenschaftlich gerne tue, aber wenn ich dann unterwegs bin, denke ich oft an zu Hause. Es ist also diese Dichotomie, immer das zu wollen, was man in dem Moment nicht haben kann.

„Swallowed by the earth“ wurde mit einem Musikvideo veröffentlicht, das aus einer Zusammenstellung von Live-Material besteht. Wie sah der kreative Prozess aus und warum habt ihr euch für diese Art von Video entschieden?
Wir hatten schon lange kein Musikvideo mit Live-Performance mehr, das letzte war „Little Richie“, und das war damals eher eine Zusammenstellung von Bildern, die bei einer einzigen Show aufgenommen wurden. Diesmal ist es ein Zusammenschnitt der „Swallowed by the earth“-Tour. Wir wollten einfach zeigen, wie die Atmosphäre bei unseren Konzerten ist und was die Leute erwarten können, wenn sie zu einer BEING AS AN OCEAN-Show kommen. Dabei war es uns wichtig, die chaotischen Momente hervorzuheben – besonders bei einem so harten Lied. Ich denke, die Kamera und der Schnitt haben ein fantastisches, stimmungsvolles und schnelles Video zusammengebracht.

„Death Can Wait“ ist das erste Album ohne Tyler und Ralph, richtig? Wie hat diese Änderung in der Bandbesetzung das neue Album beeinflusst?
Ich denke, es hat alles etwas gestrafft. Bei den Alben davor hatte ich das Gefühl, dass ich nur bei einigen Aspekten der Albumproduktion etwas zu sagen hatte, weil Tyler und Ralph eine starke Kraft im Songwriting waren, was Instrumentierung, Stimmung und Atmosphäre jedes Liedes anging. Bei vielen Ideen – zum Beispiel bei Änderungen im Tempo oder des Themas – hatte ich teilweise nur begrenztes Mitspracherecht. Manchmal wurde es angenommen und manchmal gab es eben Widerstand. Aber wenn Michael und ich in einem Raum sitzen, um etwas zu schreiben – ob nur wir beide oder mit unserem Produzenten –, scheint eine freie und symbiotische Partnerschaft zwischen uns zu bestehen. Wenn ich mich an einem Tag zum Beispiel wütend gefühlt habe, haben wir eben etwas Schnelleres produziert, und wenn Michael mal nachdenklich war, haben wir uns an ruhigere Songs gesetzt. Es gab viel Energie in unseren Sitzungen. Ich habe mich wirklich gut dabei gefühlt, dieses Album zusammen mit Michael zu schreiben. Wenn ich beispielsweise eine Idee für ein Riff hatte, habe ich einfach zur Gitarre gegriffen und es ihm grob vorgespielt –  obwohl ich nicht besonders gut Gitarre spiele. Es war wirklich schön, sich so frei äußern zu können. Zu zweit wurden einfach weniger Einfälle von Anfang an kategorisch rausgefiltert.

In letzter Zeit sind schreckliche Dinge auf der Welt passiert – Pandemie, Katastrophen und Kriege, die Terror und Trauer sowie den Tod unschuldiger Menschen mit sich gebracht haben. Welchen Einfluss hatte das auf das Album?
Obwohl es natürlich sehr viel um den Tod geht, waren diese Vorfälle nicht wirklich ein Einfluss für „Death Can Wait“. Der Großteil des Albums ist schon vor der russischen Invasion entstanden. Aber ich denke, dass Krieg, Krankheit und Zerstörung immer irgendwie ein Thema in meinem Kopf sind. Und das ist sicherlich ein Teil des Albums – dass wir für die gesamte Menschheit mitfühlen sollten und uns nicht von diesen Ereignissen abstumpfen lassen dürfen. Das war schon immer wichtig für uns: Nicht nur die schönen, surrealen Momente des Lebens zu feiern, sondern auch die Alpträume, die dieses Leben bieten kann, zu erfassen und dabei empathisch zu bleiben.

Wenn du an die Arbeit an „Death Can Wait“ zurückdenkst; gibt es einen denkwürdigen Moment oder eine besondere Herausforderung, die dir in den Kopf kommt?
Ein Großteil des Albums handelt von Ausdauer und dem Durchmachen von schwierigen Zeiten, daher kommt mir besonders eine Zeit meines Lebens in den Kopf. Meine Frau und ich mussten das gesamte letzte Jahr – quasi pünktlich zum 1. Januar – unser Haus verlassen, weil es komplett voller Schimmel war. Wir haben uns davor schon eine Weile gefragt, warum wir beide über Monate hinweg immer kränker wurden. Ich habe ein ziemlich starkes Immunsystem, aber meine Frau hat eine Autoimmunerkrankung und deshalb ging es ihr sehr viel schlechter als mir. Und so haben wir ab dem Moment, als wir das entdeckt haben, sofort all unser Zeug gepackt und alles, was nicht vom Schimmel kontaminiert war, eingelagert und das ganze Jahr über bei der Familie in einem nicht wirklich großen Haus gelebt. Das war für meine Frau und mich eine wirklich harte Situation. Wir lebten für zehn Monate nur aus Kartons und versuchten lange vergeblich, eine neue Unterkunft zu finden. Und in dieser Zeit haben wir beide trotzdem so hart gearbeitet wie noch nie in unserem Leben. Ich habe circa sechzig Stunden pro Woche gejobbt, während ich abends und an den Wochenenden an diesem Album schrieb. Dieses Jahr haben wir uns so oft gefragt, wie wir das Leben bloß stemmen sollen. Doch jetzt sitze ich in unserem neuen Haus, das wir vor knapp zwei Monaten gefunden haben. Das Leben ist wieder in einen gesunden Rhythmus gekommen und endlich fällt der Stress von uns ab. Aber ja, dieses ganze letzte Jahr war wahrscheinlich eines der härtesten meines Lebens.

Was sind die langfristigen Ziele für BEING AS AN OCEAN? Und wie passt „Death Can Wait“ in eure Vision für die Band?
„Death Can Wait“ liefert den Schwung, den wir brauchen, um wieder Druck aufzubauen, nachdem der Branche mindestens zwei Jahre lang die Luft abgedrückt wurde. Das Album herauszubringen und all diese harte Arbeit zu präsentieren, ist der Anstoß, der den Ball wieder ins Rollen bringt. Und neue Musik wird nicht lange auf sich warten lassen; Ich habe unaufhörlich neue Ideen und weiß, dass Michael quasi rastlos überlegt, was als Nächstes kommen kann. Es geht uns darum, wieder auf der Bildfläche zu erscheinen und Touren zu spielen – wir sind endlich wieder da! „Death Can Wait“ drückt der Band einen neuen Stempel auf und ist der erste Schritt in eine gänzlich neue Ära. Wir haben uns endlich wieder darauf besonnen, was diese Band ist und wofür sie steht. Und ja, ich freue mich einfach auf die Zukunft.