BLACK SQUARE

Foto© by Lena Willems

Schrei!!!

Erstes Konzert mit Hygienekonzept. Austin Lucas im Biergarten des Kulturcafés am Mainzer Campus. Endlich wieder ein paar bekannte und nette Gesichter. Unter anderem DEISLERS-Gitarrist und -Sänger Bonny mit seiner Freundin Fini, die mir erzählen, dass sie die Zeit des Lockdowns und der Quarantäne genutzt haben, um mit BLACK SQUARE ein Neo-Crust-Duo zu gründen. Zuhause werden Songs und Texte geschrieben, im Home-Recording-Verfahren zusammengezimmert und im Oktober auf Kassette von den Labels Black Cat Tapes, Colossus Tapes und Tanz auf Ruinen Records veröffentlicht.

Wer sind und was steckt hinter BLACK SQUARE?
Fini: Mich hat es gestört, dass ich trotz jahrelanger Auseinandersetzung mit meiner eigenen weiblichen Prägung nicht schreien konnte – also gar nicht wusste, wie meine Stimme sich verhält, wenn ich in public laut sein will. Denn: „So was tut ein Mädchen nicht.“
Bonny: Für mich war es interessant, mich mit Homerecording zu beschäftigen. Bisher sind wir nur zu zweit und wollen das auch erst einmal dabei belassen.

In euren zeitgemäßen Texten stecken viel Frust und Zorn. Was nervt?
Fini: Der allgemeine Glaube an kapitalistisches Wirtschaften und reformistische Augenwischerei. Das wird halt nicht wieder, geschweige denn gut und es helfen keine Reformen. Das System war von vornherein scheiße und hat das nun wirklich lange genug bewiesen.
Bonny: Damit einhergehend: Toxic positivity – nur wenn wir Negatives empfinden, können wir eine Art von Handlungsimpuls entwickeln.

Ihr bezeichnet euch als feministische Band. Wie genau definiert ihr Feminismus und welche Menschen oder Bands bringt ihr damit in Verbindung?
Fini: Wir sehen uns als feministische Band, insofern wenden wir uns gegen jede Form von männlicher Hegemonie. Diesbezüglich war für mich Anne Meow eine Inspiration, was das weibliche Schreien angeht, oder Lady Bitch Ray hinsichtlich weiblicher Aggression. Ich glaube nicht, dass sich das Patriarchat mit Glitzer und Achtsamkeit überwinden lässt, das ist ein Kampf und der vollzieht sich weder außerhalb noch in uns selbst ganz ohne Aggressivität.
Bonny: Ein persönlicher Dauerbrenner ist Carearbeit: Wer räumt den Frühstückstisch ab? Wer ist zuständig für emotionalen Ballast und Gruppendynamik? Wer kann wegen der Kinder nicht mehr auf Demos gehen? Für mich ist an der Stelle auch ganz wichtig, dass ich als männlich sozialisierter Mensch aus meiner patriarchalen Zuschreibung herauskomme und aktiv Caring betreibe.

Worin liegen eurer Meinung nach die Gründe, warum der Frauenanteil in den Achtzigern in der Punkszene deutlich höher war?
Fini: In den 80ern war die Szene halt populärer. Heute ist Punk ja ziemlich weit weg vom Mainstream und auch weiter weg von der politischen Szene. Dadurch ist es einerseits weniger attraktiv, in einer Band zu spielen und für junge Frauen, die sich feministisch engagieren, auch nicht das erste Mittel der Wahl.

2021 ist das erste Album geplant. Wo liegen die Vor-, wo die Nachteile, wenn man so eng miteinander gemeinsam Sachen schreibt?
Bonny: Wir können beide frei für uns arbeiten, ich musikalisch, Fini textlich, und uns sehr einfach Feedback geben. Ich genieße es sehr, meinem inneren Musik-Nerd nachgehen zu können und jemanden an meiner Seite zu haben, die sich von einem programmierten Schlagzeug nicht bedroht fühlt.

Wann, wie und wo wollt ihr eure Songs auf die Bühne bringen?
Bonny: Wir überlegen, ob wir einfach zu zweit mit Bass-/Drums-Backing Tracks und Samples auftreten oder mit verschiedenen Menschen in voller Besetzung. Wir haben viele Freund:innen, die uns bereits zugesagt haben, bei Shows einzuspringen.
Fini: Wir kennen eine Gruppe, die einen Workshop konzipiert hat, dessen Strukturen dabei helfen soll, trotz C-19 weiterhin handlungsfähig zu bleiben. Da stellen wir gern Kontakt her, denn das müssen wir wohl alle lernen.

Wie macht sich globales Umdenken in unseren Breiten bemerkbar und wo ist dringend Veränderungsbedarf in unserem Mikrokosmos erforderlich?
Fini: Ich würde mir mehr weibliches Mackertum wünschen und weniger Frauen, die bereit sind, sich für ihre Boys aufzuopfern. Vielleicht können wir ja lernen, uns an erster Stelle unserer eigenen Fürsorge zu setzen und nicht erst an die vierte nach Mann, Kind und Szene/Gruppe.
Bonny: What she said.