CATTLE DECAPITATION

Foto© by Nick Van Vidler

Synchronisierter Groove

Als wir bei Gitarrist Josh Elmore in San Diego, Kalifornien durchklingeln, bereiter der sich gerade auf die kommende Tour der Band in den Vereinigten Staaten vor. Wir sprachen mit ihm sowohl darüber als auch über „Terrasite“, das bald erscheinende zehnte Album seiner Band.

Josh, du lernst gerade Songs für die kommende Tour. Wie entstehen Setlists aktuell bei euch? Ihr habt ja mittlerweile etliche Alben, aus denen ihr wählen könnt.

Wir arbeiten uns da immer zurück. Wir spielen drei Songs vom kommenden Album. Aktuell sind das die Nummern, die wir bereits veröffentlicht haben. Von dort aus geht’s rückwärts. Wir versuchen, nicht das Gleiche wieder zu spielen, das wir schon auf der letzten oder vorletzten Tour gespielt haben. Vielleicht behalten wir ein paar Nummern bei, aber nicht alle, um uns nicht komplett zu wiederholen. Auf der kommenden Tour werden wir direkter Support von DARK FUNERAL sein. Wir werden also vierzig Minuten zur Verfügung haben. Das sind neun bis zehn Lieder. Wir spielen also zwei neue Songs, die wir auf der AMON AMARTH-Tour gespielt haben, dazu noch ein neues, das in der Zwischenzeit herauskam. Den Rest haben wir schon einige Jahre nicht aufgeführt. Ende des Jahres werden wir eine Headliner-Tour spielen, da haben wir länger als eine Stunde Zeit und können hoffentlich noch ein paar Lieder von „The Harvest Floor“ oder „Karma.Bloody.Karma“ einbauen, so dass auch Fans dieser Ära zufrieden nach Hause gehen.

Ich kann verstehen, dass das von Album zu Album schwieriger wird. Du musst zum einen die Fan-Favoriten bringen, dann die neue Single, und möchtest eigentlich auch ein paar Deep Cuts spielen.
Ich bin aber auch froh darüber, dass wir überhaupt diese Möglichkeit haben und nicht immer auf dieselben Songs, die jeder hören will, festgenagelt sind. Es geht im Bandchat immer hin und her, es gibt immer neue Vorschläge, bis einer genug hat und bestimmt, dass das nun die kommende Setlist ist.

Wie behandelt ihr dabei das letzte Album „Death Atlas“? Mit diesem habt ihr aufgrund der Pandemie kaum getourt. Gehört es irgendwie noch zum aktuellen Zyklus oder betrachtet ihr es als „abgeschlossen“?
Als die Pandemie anfing, war unsere letzte Show in Tokio. Davor waren wir in Australien. Es war eine zweiwöchige Tour. Kurz bevor es losging, kamen die ersten Meldungen über dieses „Corona-Virus“. Wir haben es nicht ernst genommen. Wir schätzten es wie die Schweinegrippe oder Ähnliches ein. Es wird ein paar Leute töten, die man aber nicht kennt, und gut ist. Als wir dann in Australien unterwegs waren, haben wir so langsam festgestellt, dass es wohl doch eine größere Sache wird. Wir bekamen Mails von unseren Familienmitglieder, die uns gefragt haben, ob wir nicht doch vielleicht zurückkommen wollen. Wenn deine Mutter dir so was schreibt, wird es ernst – auch wenn das natürlich nicht der einzige Indikator war, dass es heftiger wird. Als wir also in Japan eingereist sind, wussten wir, dass sich etwas zusammenbraut. In Tokio am Flughafen gab es zwei Schlangen: Normale Einreise und „Fühlst du dich seltsam?“. Niemand hat einen aber gezwungen, sich dort einzureihen. Unser Flug aus Japan zurück in die Heimat war auf jeden Fall der vorletzte, bevor sie den transpazifischen Reiseverkehr eingestellt haben. Wir haben dann in San Diego darüber spekuliert, wie lange die ganze Geschichte wohl anhalten wird. Da wir natürlich alle keine Biologen oder Ähnliches sind, waren wir uns sicher, dass wir im Juli wieder Konzerte spielen würden. Unser Album war ja gerade auf den Markt gekommen und da müssen wir schließlich touren. Im Sommer stellten wir dann fest, dass das nicht so sein wird. Wir haben also eine Tour in Amerika zu „Death Atlas“ gespielt, die zwei Wochen in Australien, Neuseeland und Japan und 2019 in Europa einen Song davon. Wir hatten also nicht die Zeit mit dem Album, die wir normalerweise haben. Wir saßen einfach irgendwo und konnten nichts tun. 2020 haben wir uns dann dafür entschieden, auch wenn wir technisch gesehen das letzte Album erst im vorherigen November herausgebracht hatten, uns langsam an neue Musik zu setzen. Also haben wir langsam angefangen. Nicht forciert, aber wenn mir ein cooles Riff eingefallen ist, haben wir es aufgenommen.

War es schwieriger oder einfacher, ein Jahr nach dem letzten Album mit dem Songwriting für etwas Neues zu beginnen?
Es gibt zwei Arten des Schreibens, ich glaube, da geht es den anderen nicht anders. Einmal das Schreiben in der Crunchtime, damit ein Album fertig wird, und einmal das lockere, wenn einem etwas Neues zwischendurch einfällt. Auch wenn wir nur ein Jahr nach dem letzten Album wieder angefangen haben, hatte ich trotzdem Zeit, herumzuprobieren und den Jungs Ideen zu schicken. Der Druck war also nicht super hoch. Aber wir hatten natürlich nicht die zwei Jahre dafür, die wir in einem normalen Albumzyklus haben. Auch wenn das ziemlich schrecklich ist, funktionieren wir als Band ausgesprochen gut unter Druck. Meistens erzielen wir so sehr gute Ergebnisse.

„Terrasite“ ist euer zehntes Studioalbum. Ihr macht das nun schon seit 1996. Als junger Musiker verbessert man sich ja bis zu einem bestimmten Punkt an seinem Instrument und ab da befinden man sich in den Albenzyklen, in denen einem nicht mehr so viel Raum für Üben und Lernen bleibt. Wie entwickelt man seine Fähigkeiten trotzdem weiter?
Es kommt darauf an. Es gibt Gitarristen, die schaffen sich ständig neue Techniken drauf, die sie dann in ein Lied einbauen. Zum Teil mache ich das auch. Seit wir einen zweiten Gitarristen in der Band haben, kann ich mir erlauben, mich aus den Basics rauszunehmen. Ich kann mich in den Strukturen und Soundschichten ausprobieren. Es ist also nicht, so dass ich wesentlich technischer werde, eher so, dass ich effektiver und geschmackvoller Elemente wie Delay oder Reverb einbringen kann. Natürlich möchte ich mich auch technisch weiterentwickeln und probiere mich da aus. Je nach Funktion in der Band versucht sich jeder einzubringen. Meine Rolle geht da eben eher in Richtung der atmosphärischen Seite.

Gerade diesen Aspekt des neuen Albums mag ich sehr gerne. Dass alles ein wenig atmosphärischer klingt und die vielen Schichten die Musik größer und epischer machen. Die Elemente gab es alle auf den vorherigen Alben schon, auf „Terrasite“ nehmen sie aber eine prominentere Rolle ein.
Danke dir! Es ging uns darum, dass wir nicht nur diese atmosphärischen Passagen als Einleitung oder Outro haben, sondern diese Stellen auch direkt in unsere Musik integrieren. Eine Gitarre spielt super technisches, heftiges Zeug, die andere konzentriert sich auf die luftige, verträumte Atmosphäre, die dem ganzen Tiefe gibt.

Ist es schwer, alle Bandmitglieder von solchen Schritten zu überzeugen, oder gibt es Elemente, die bislang abgelehnt wurden?
Es gibt immer wieder den Moment, in dem man versucht, das Riff, das beim letzten Album abgelehnt wurde, wieder unterzubringen. Das kennt wahrscheinlich jeder, haha. Aber jeder ist mit der Entwicklung zufrieden. Das weiß ich. Es mag einzelne Sachen geben, mit denen eine Person nicht ganz zufrieden ist. Es gibt dann immer noch die Möglichkeit, diese zu verändern und zu verbessern, bis es passt. Alternativ verwirft man die Elemente und man lernt für das nächste Mal daraus. Aber insgesamt ist jeder an Bord. Vielleicht noch nicht im Proberaum, wenn du dann aber die ersten Mixe bekommst, verstehen alle, wie es klingen sollte. Diese atmosphärischen Dinge werden immer mehr zu einem Teil des Bandsounds. Der Grundsound wird immer manisch bleiben, wenn du gleichzeitig diese „Sadboy’s Nightmare“-Elemente mit einbauen kannst, ist das cool.

Was mir auf dem neuen Album noch sehr gut gefällt, ist dieser brutale, schleppende Aspekt. Den habt ihr mit der Zeit immer weiter ausgebaut, auf „Terrasite“ dominiert er fast die grindigen Passagen und hebt diese noch einmal hervor.
Als wir uns das erste Mal zusammengesetzt haben, um zu besprechen, in wohin es auf dem neuen Album gehen soll, hat sich Dave sehr für diese Richtung ausgesprochen. Wir können immer Blastbeats und Vollgas spielen, doch Daves Meinung war, dass wir eher in diese heftige Richtung gehen sollten. In vielen Sequenzen sind Bass und Kickdrum deshalb synchron. Die Rhythmen sind komplexer, es passiert in dieser Hinsicht mehr. Wir hatten immer diese Passagen, diese gingen aber die waren eher stampfender Death Metal oder doomig. Jetzt groovet es mehr. Genau in diese Richtung wollten wir gehen.