DEAD KITTENS

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Typisch Berlin

Ein holländischer Comiczeichner und ein israelischer Produzent treffen sich in Berlin und starten gemeinsam ein Projekt. So sind DEAD KITTENS vor vier Jahren entstanden. Anfangs als reines Studioprojekt. Im September 2016 standen die beiden das erste Mal live auf der Bühne. Dirk Verschure als Sänger und Bassist und Oded K.dar aka KD an Schlagzeug und Elektro-Klimbim. Im Februar 2018 erschien ihr Debütalbum „Pet Obituaries“ via Noisolution. Gerade mal 15 Monate später liegt jetzt mit „I Am Not A Ghost“ Album Nummer zwei auf der Ladentheke. Und das klingt wesentlich ausgereifter und erwachsener als das Debütalbum, erklärt Sänger Dirk im Ox-Interview.

Was ist seit eurem Debütalbum alles passiert? Das ist ja gar nicht so lange her.


Das stimmt. Das ist nicht viel länger als ein Jahr. In dieser Zeit hat sich aber eine Menge ereignet. Wir waren viel unterwegs und haben auf Tour gleich ein neues Album geschrieben. In dieser Zeit sind wir erst richtig als Band zusammengewachsen. Wir haben viel über uns gelernt. Es war ein sehr intensives Jahr. Wir mussten aber auch einige Konzerte absagen, weil mein Vater gestorben ist. Das hat mich natürlich sehr beschäftigt. Das Album ist eine Sammlung all dieser Erfahrungen, während das Debütalbum noch eine Art kleiner Witz war.

Ihr habt DEAD KITTENS als Spaßprojekt gestartet. Ist inzwischen aus Spaß Ernst geworden?

Kann man schon sagen. Es ist viel besser gelaufen, als ich am Anfang gedacht habe. Dass wir zum Beispiel mit einer Band wie ELECTRIC SIX auf Tour gehen durften, war schon echt gut. Damals haben wir uns verwundert die Augen gerieben und uns gefragt: Wie kommen wir denn zu dieser Ehre? Und im Juni dieses Jahres sind wir mit Marky Ramone unterwegs. Das ist eigentlich Wahnsinn. Dass wir überhaupt ein zweites Album aufnehmen dürfen, ist schon toll. Ich habe das alles nicht erwartet.

Euer zweites Album heißt „I Am Not A Ghost“. Was ist mit dem Albumtitel gemeint?

Den Titel wird natürlich jeder anders interpretieren. Für mich bedeutet er: Wir leben noch. Alles tut weh, aber gleichzeitig ist auch alles gut. Ich bin kein Geist, ich bin nicht tot und mache mein Ding. Das Leben ist manchmal hart oder negativ und immer wieder passieren unvorhersehbare Dinge. Man fühlt sich nicht wohl und hat gar keine Lust aufzustehen. Deshalb versuche ich mich immer wieder daran zu erinnern, dass ich lebe. Das Album hört sich beim ersten Durchlauf vielleicht ziemlich negativ an, aber uns geht es darum, etwas Negatives in etwas Positives zu wandeln. Man sollte einfach dankbar sein für jeden Moment im Leben, selbst wenn es sich manchmal blöd anfühlt, das ist die Botschaft der Platte.

Worum geht es diesmal in den Texten?

„Plastic bombs“ zum Beispiel handelt davon, dass inzwischen alles aus Plastik ist. Ein Stoff, der erst nach vielen Jahrzehnten verrottet und die Umwelt weltweit verschmutzt. Der Song schildert, dass inzwischen alles aus Plastik ist: Leute, Autos, Straßen, einfach alles. Die Idee stammt von Songs wie „Plastic people“ von Frank Zappa oder „Plastic fantastic lover“ von JEFFERSON AIRPLANE. Oder „Unbaptized babies“ richtet sich an sehr religiöse Menschen, die glauben, dass ungetaufte Kinder in der Hölle schmoren werden. Ich selbst verachte Religion, deshalb mache ich mich in diesem Song über den strengen Glauben mancher Leute lustig.

Eure Themen sind diesmal ernster und vor allem auch persönlicher als auf dem Debütalbum. Kann das sein?

Absolut richtig. Der Song „I don’t wanna die tonight“ handelt zum Beispiel von einem Wald in Frankreich nahe der deutschen Grenze, in dem ich eine Wanderung gemacht habe. Dort sind im Ersten Weltkrieg unzählige Soldaten gefallen. Jetzt ist es ein wunderschöner Wald. Es wurde dunkel, als ich dort unterwegs war. Ein seltsames Erlebnis. Denn ich habe auch in diesem Wald übernachtet und viel über die Vergangenheit dieser Gegend nachgedacht. „All my senses are gone“ ist ähnlich persönlich. Als ich den Song geschrieben habe, war ich alleine zu Hause und habe mich ziemlich schlecht gefühlt. Dieses Gefühl wollte ich so exakt und ehrlich wie möglich in Worte fassen. Wie ich mir selbst positive Dinge einrede, um mich besser zu fühlen.

Wie war der Entstehungsprozess dieses Albums? Hattest du wieder die besten Ideen beim Fahrradfahren? Und habt ihr dann wieder jede Idee einzeln aufgenommen?

Das war diesmal anders. Unser Debütalbum hat eigentlich als Witz angefangen. Wir haben uns jede Woche getroffen und immer einen Song aufgenommen, der mir auf dem Fahrrad eingefallen ist. Jetzt haben wir alle Songs zusammen in einem Proberaum entwickelt. Mit KD an den Drums und mir am Bass. So haben sich die Songs langsam entwickelt. Sie waren nicht schlagartig fertig und wurden sofort aufgenommen. Wir haben also diesmal viel mehr gearbeitet, wie andere Bands das schon lange tun. Das hat den Charakter unserer Songs natürlich verändert. Außerdem haben wir den Aufnahmeprozess natürlich extrem verdichtet. Wir haben alle Songs in einem Rutsch aufgenommen. Deshalb fühlt sich „I Am Not A Ghost“ mehr wie ein Album an als „Pet Obituaries“.

Welche Rolle haben die grafischen Elemente gespielt? Ihr habt euch ja mit Niels Kalk einen neuen Komplizen an Bord geholt.

Niels hat das komplette Artwork gestaltet. Er hat zu jedem einzelnen Song eine Collage gebastelt. Er ist ein guter Freund von uns. Ein Holländer, der auch in Berlin lebt. Ich wollte auf dem Album den Comic-Aspekt ausklammern, der auf „Pet Obituaries“ und in all unseren animierten Videos sehr präsent ist. Ich wollte eine seriösere Gestaltung haben und ich wollte sehen, was jemand anders in unseren Songs sieht. Wir haben Niels alle Demos gegeben und er hat sich seine Gedanken dazu gemacht. All seine Bilder haben wir im Booklet und fürs Cover verwendet. Meine Freundin Vera Bekema hat sich dann ums Grafikdesign gekümmert und alle Illustrationen zusammengefügt. Und auch sie hat in der Gestaltung ihre Handschrift hinterlassen. Das geht ziemlich gut zusammen, finde ich.

Wären DEAD KITTENS eigentlich auch in einer anderen Stadt möglich gewesen? Oder anders gefragt: Wie viel Berlin steckt in der Band?

Berlin ist natürlich eine sehr kreative Stadt. Es gibt da jede Menge Möglichkeiten und wir hatten großes Glück, dass wir uns getroffen haben. Von daher spielt Berlin für DEAD KITTENS natürlich eine große Rolle. Außerdem gibt es hier eine sehr lebendige Szene, die merkwürdige Musik in Clubs überall in der Stadt spielt. Ich werde immer noch sehr inspiriert von Berlin und allem, was hier so passiert. Ich frage mich, ob sich das in anderen Städten alles so entwickelt hätte? Ich frage mich aber auch immer, wie viel Israel und wie viel Holland in DEAD KITTENS stecken? Auf jeden Fall steckt jede Menge derber holländischer Humor in der Band.

Ihr habt ja als Studioprojekt angefangen. Habt ihr inzwischen euer Publikum gefunden?

Das ist unterschiedlich. Wenn wir in Berlin spielen, wo uns die Leute schon ein bisschen kennen, haben wir schon ein Stammpublikum. In anderen Städten müssen sich die Leute erst noch an uns gewöhnen. Unsere Musik ist schwer zu definieren. Wir könnten eine Punkband sein, aber wir haben auch jede Menge anderer Elemente in unserer Musik. Ich selbst fühle mich ja in der Underground-Comic-Szene von Berlin sehr wohl. Da spielen wir auch regelmäßig Konzerte. Auf unserer letzten Tour waren wir im Vorprogramm einer Stoner-Rock-Band und die Leute haben es genossen. Aber ich schätze mal, oft verwirren wir auch das Publikum mit unserem Sound. Es wächst langsam.

Im Juni seid ihr ja im Vorprogramm von Marky Ramone unterwegs. Da spielt übrigens gerade Greg Hetson Gitarre, der schon bei BAD RELIGION und CIRCLE JERKS war. Wie ist das für dich, mit solchen Punkrock-Dinos unterwegs zu sein?

Das ist absolut fantastisch. Meine Liebe für Punkrock hat mit BAD RELIGION angefangen. Dass ich also mit Greg Hetson auf Tour gehe, ist für mich eine große Sache. Ehrlich gesagt habe ich sogar ein bisschen Angst davor, haha. Ich habe keine Ahnung, wie diese Jungs auf uns reagieren. Marky Ramone hat auf dem Album „End Of The Century“ Schlagzeug gespielt. Das war 1980, in diesem Jahr wurde ich geboren. Außerdem hat er auf dem „Blank Generation“-Album von Richard Hell getrommelt, damals noch unter seinem echten Namen Marc Bell. Alle diese Alben, die ich in meiner Jugend gehört habe, stammen von diesen Jungs. Es ist ziemlich erstaunlich, dass ich diese Leute treffe und die Bühne mit ihnen teile. Eine verrückte Erfahrung.