DREADNOUGHTS

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Die Ciderpunks aus Vancouver

Die Ciderpunks aus Vancouver sind mit ihrem vierten Studioalbum „Foreign Skies“ zurück. Leider fanden sie bisher viel zu wenig Beachtung, dabei sind THE DREADNOUGHTS eine der wenigen Polka-Punkbands, die weder alberne Kilts noch keltische Mythologieduselei benötigen, um einfach großartig Party machen. Schaut es euch im Netz an: Einen so rasant spielenden Geiger, der dazu auf den Schultern des Bassisten tanzt, habt ihr noch nie gesehen – von der hastigen Mandoline ganz zu schweigen. Und dabei habe ich die Vorliebe der Musiker für selbstgemachten Cider noch nicht mal erwähnt. Doch bei aller Begeisterung, was hat es mit der Kriegsthematik auf sich, die sich durch die komplette Bandgeschichte zieht? Dies und mehr fragten wir Sänger und Gitarristen Nick.

Nick, nach drei Alben und zwei EPs hattet ihr eigentlich angekündigt, das Projekt DREADNOUGHTS auf Eis zu legen. Dann gab es zunächst doch wieder ein paar Auftritte und nun erscheint sogar ein neues Album. Für den Sommer soll auch eine Europatour geplant sein.

Wir hatten tatsächlich eigentlich die Absicht, die Band ruhen zu lassen. Dann juckte es doch, es folgten ein paar Shows und ja, hier sind wir wieder – wir haben das Tempo aber etwas heruntergefahren.

Auf „Foreign Skies“ fehlt Seamus. Wer ist er und was ist mit ihm passiert?
Seamus war unser Geiger. Seine ganze Story erfahrt ihr in der Dokumentation „Stoked“. Darin geht es um uns und daher auch um ihn. Immerhin starb er, als er tat, was er liebte: bei der Elchjagd in Nordkanada, von der er einfach nicht zurückkam.

2009 begleitete euch der Fotograf und Autor Adam PW Smith auf eurer Europatour und schrieb darüber das Buch „This Place Is Awesome“. Das ist mehr eine verrückte Sozialstudie als ein normales Tourtagebuch. Außerdem drehte er Musikvideos für euch und die erwähnte Doku „Stoked“.
Adam ist ein verrückter Hippie, den wir unter einer Brücke in Vancouver aufgabelten, wo er lebte. Als wir ihn überreden konnten, seinen Meth-Konsum dranzugeben, entdeckten wir seine künstlerische Seite. Das Resultat sind die Dokumentation, das Buch und die Videos.

Reden wir über euer neues Album „Foreign Skies“. Wie seid ihr auf den Titel gekommen?
„Foreign skies“ ist einer der stärksten Songs des Albums, deswegen haben wir das Album auch nach ihm benannt. Darin geht es um ebenjene Himmel in aller Herren Länder, die die Soldaten auf ihren Feldzügen sahen. Und das ist, womit auch wir auf unseren Touren so viel Zeit verbracht haben – in ferne, ausländische, für uns neue Himmel schauen. Auch zwischen 1914 und 1918 haben viele Menschen damit ihre Zeit verbracht und sich gefragt, was zur Hölle sie da eigentlich gerade tun. Damit können wir uns ziemlich gut identifizieren, natürlich unter anderen Vorzeichen.

Nicht nur den Titeltrack habt ihr dem Thema Erster Weltkrieg gewidmet. Das Kriegsthema fängt schon bei eurem Bandnamen an und zieht sich durch die komplette Bandgeschichte. Das erweckt schon bald den Eindruck, ihr wäret so was wie Kriegsfanatiker.
Wir waren junge, naive Punks und dachten, es würde cool und krass wirken, wenn man sich nach einem Kriegsschiff benennt. Auf unseren Reisen haben wir allerdings festgestellt, dass es auch eine gewisse Verantwortung mit sich bringt, wenn man sich einen solchen Namen eingebrockt hat, der schlussendlich auf große Schlachtschiffe verweist. Du kannst nicht einfach das Thema Krieg auf deine Agenda schreiben, ohne klarzustellen, dass Krieg für die Soldaten fast immer die Hölle auf Erden bedeutet. Diese Verantwortung und unser Umgang damit bringt uns dann doch zurück zu unseren Folk-Wurzeln. Die ätzende Macho-Attitüde, für die der Name „Dreadnought“ steht, hat unzählige Leben gekostet und ganze Länder zerstört. Dieses Album ist also eine Art Richtigstellung und Entschuldigung für unsere Jugendsünde.

In dem Track „Black letters“ geht es um die Briefe von Soldaten, aus denen ansatzweise sogar zitiert wird. „Jericho“ behandelt die manchmal zermürbende Einsamkeit und „Gavrilo“ verweist auf das Attentat von Sarajevo auf Franz Ferdinand durch den Serben Gavrilo Princip, das als Auslöser für den Ersten Weltkrieg gilt. Woher weißt du das alles?
Bücher, Podcasts und Online-Artikel. Der einhundertste Jahrestag des Ersten Weltkrieges liefert aktuell äußerst viele Informationen. Ich weiß, Wissenschaft ist nicht wirklich Punkrock, aber who cares?

Was würdest du in einem „black letter“ schreiben?
„Liebe Ehefrau, ich bin tot. Pflanze bitte einen Apfelbaum auf meinem Grab. Und wenn du noch mal heiraten musst, nimm keinen Italiener!“ Haha!

Zoey liest auf „Foreign Skies“ aus dem Gedicht „A Broken World“ vor. Woher kennt ihr sie und das Gedicht? Und warum ist es kein Song geworden?
Zoey ist die wunderbare Ehefrau des Sängers der SKIMMITY HITCHERS, der besten Scrumpy- und Western-Band der Welt. Als ich das Gedicht entdeckte, hörte ich direkt ihre Stimme, also musste sie es einlesen und war keinen Song wert.

Mein Lieblingsstück auf „Foreign Skies“ ist „Amiens polka“, und zwar wegen seiner Geschichte: Es geht darum, dass sich nach „Dienstschluss“ deutsche, französische und belgische Soldaten zusammengesetzt und gefeiert haben.
Der Song und seine Geschichte sind auch uns sehr wichtig: Auch wenn Menschen tagsüber aufeinander schießen, kommen sie bei Polka und Alkohol doch zu der Erkenntnis, dass das gemeinsame Feiern allen viel mehr bringt. Musik und Schnaps bringen Menschen zusammen – wir haben das ganze Bandkonstrukt auf dieser Wahrheit aufgebaut.

„Daughters of the sun“ ist „den wunderbaren Frauen, die ihren eigenen Krieg kämpften – und gewannen“ gewidmet. Ernsthaft?! Meinst du wirklich, es gibt Gewinner in einem Krieg, dem rund 17 Millionen Menschen zum Opfer fielen?
Den Krieg, den die zu Hause gebliebenen Frauen gewonnen haben, ist der für ihr Wahlrecht, den sie definitiv gewonnen haben. Schließlich waren sie es, die aus den Trümmern wieder Paläste bauten. Und sie, die Frauenrechtlerinnen waren es, die weggesperrt, zwangsernährt und nicht selten in ihrem Krieg für ihr Wahlrecht gestorben sind. Und auf diese Angriffe gab es von Seiten der Frauen nicht selten auch heftige Gegenwehr – Häuser wurden gesprengt und Schlachten geschlagen. Eindrucksvolle Frauen waren das, wie ich finde.

Dein Gruß an unsere Leserschaft?
Olé, olé, olé, trinkt jeden Tag Cider! Kommt zu unseren Shows und seid gespannt auf das nächste DREADNOUGHTS-Album – es wird ausschließlich aus RAGE AGAINST THE MACHINE-Coversongs bestehen!

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This Place Is Awesome
Der Fotograf und Filmemacher Adam PW Smith begleitete THE DREADNOUGHTS 2009 auf dem Teil ihrer Europatour, den sie auf der britischen Insel verbrachten. Es geht um das Touvrleben ohne fette Nightliner und schicke Hotelzimmer, Backstagemassagen und eine ganze Horde Roadies. Denn bis dahin gibt es für die Band nur ... den Van. Dieser ist ihr mobiler Zirkuswagen, der Nick und Kyle, Drew, Marco und Andrew als Transporter, Aufnahmestudio, Schlaf-, Ess- und Wohnzimmer dient. Du freust dich über ein Sofa, wenn du sonst auf, unter oder neben der Bühne schläfst, so dass du irgendwann zu vier festen, wenn auch stinkenden, von Insekten befallenen Wänden sagst: „This place is awesome“. Titel und Coverfoto geben also schon einen schönen Eindruck dessen, was den Leser auf rund 146 Seiten erwartet: Chaos, Anstrengung, aber eine ganz große Menge Spaß. Und Cider. Oder wie sonst kommt man auf die Idee, nachts um drei eine zehn Meter hohe Burgmauer hochzuklettern, um dort zu übernachten?
(146 S., adampwsmith.com)