DREAM WIFE

Foto© by Sarah Piantadosi

Mit Sport gegen das Patriarchat

„So When You Gonna ... “ heißt das zweite Album der britisch-isländischen Band DREAM WIFE. Darauf erweitern sie die auf dem Debüt bereits angedeutete Fusion von Siebziger-Jahre-Sound und modernen Elementen. Der Titel soll eine Handlungsaufforderung sein, denn feministische Ideen zu stärken ist das Ziel von Rakel (voc), Alice (gt) und Bella (bs). Trotz schlechter Internetverbindung wird es ein interessantes Gespräch über die Parallelen zwischen Sport und Patriarchat sowie über deutsche und britische Abtreibungsgesetze.

Ich habe euren Sound als „Instagram mit Wählscheibentelefon“ beschrieben. Der Siebziger-Jahre-Einschlag ist zwar prominent, aber die Platte wurde ganz klar für ein modernes Publikum konzipiert.

Alice: Es stimmt, was du sagst. Auf dem ersten Album haben wir den Live-Sound eingefangen. Aber auf „So When You Gonna ...“ geht es mehr um diese Pop-Sensibilität, wobei wir aber immer noch die rohe Energie einer Live-Band beibehalten wollten. Wir haben versucht, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Wir lieben Pop, aber wir lieben es auch zu rocken. Auf diesem Album gibt es sehr viele Kontraste, und das macht es so aufregend.

Was hat sich im Vergleich zu eurem Debütalbum geändert?
Alice: Durch das Touren mit dem Debüt sind wir zu einer Einheit zusammengewachsen. Nach den Reisen hatten wir eine Menge Ideen. Es fühlte sich wie eine sehr natürliche Entwicklung an, den Sound mit mehr Sensibilität für Pop zu pushen und ihm ein bisschen mehr Glanz zu verleihen. Außerdem hatten wir mehr Zeit, kreativ zu sein als je zuvor. Das war schon ein Luxus.

Ich würde gern über eure feministischen Texte sprechen. „Sports!“ habe ich so verstanden, dass es darin um verschiedene Optionen für den Umgang mit dem Patriarchat geht.
Bella: Sport basiert auf menschengemachten Regeln. In der Schule kam ich mit dieser regelbasierten Struktur nicht wirklich klar. Beim Sportunterricht hatte nie das Gefühl, dass es etwas ist, das mir etwas bringt. Erst durch die Band wurde mir klar, dass körperliche Aktivität sehr wertvoll ist. Ich habe aber auch gelernt, dass man sich nicht durch Regeln begrenzen lassen muss. Das kann man wiederum auf das Patriarchat beziehen. Die Regeln und Strukturen sind da, aber man muss herausfinden, was für einen relevant ist und wie man daran arbeiten kann, diese Strukturen abzubauen. „Sports!“ ist aber auch albern und verspielt und macht sich über die Farce dieser Regeln lustig.

In „After the rain“ sprecht ihr über Abtreibung. Wie sieht die gesetzliche Situation in Großbritannien aus?
Bella: Ich glaube, man muss sich von zwei Ärzt*innen untersuchen und von beiden bestätigen lassen, dass man abtreiben kann. Das Medizinsystem ist stark patriarchalisch geprägt. Häufig spricht man nur mit Männern, die dir dann ein schlechtes Gewissen einreden oder unangenehme Fragen über dein Sexleben stellen.
Rakel: In Nordirland wurde Abtreibung erst vor wenigen Monaten entkriminalisiert. Und das sind unsere Nachbarn, sie sind Teil des Vereinigten Königreichs! Manchmal passieren solche Dinge so nah bei dir, ohne dass du es richtig mitbekommst. Für diese Gesetze haben Generationen vor uns gekämpft. Wir müssen das immer wieder thematisieren, um diese Gesetze zu verbessern und zu erhalten.
Bella: Ich habe gerade das Abtreibungsgesetz in Großbritannien nachgeguckt. Es ist immer noch Teil des Strafrechts. Damit es erlaubt ist, muss ein Risiko für das Leben der schwangeren Frau bestehen oder eine schwerwiegende dauerhafte Schädigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit der Frau oder von jemandem in der Familie drohen. Es gibt also sehr spezifische Strukturen, in denen es mehr um die Notwendigkeit als um die Autonomie geht.

In Deutschland ist es ähnlich. Es ist ein Strafbestand, der allerdings nicht geahndet wird, wenn man sich an bestimmte Regeln hält. Mir gefällt, dass ihr in dem Lied darüber singt, dass es auch okay ist abzutreiben, wenn man gerade einfach kein Kind will. Das fehlt mir in der öffentlichen Debatte. Da geht es oft nur um Extremsituationen.
Rakel: Ja, das ist ein guter Punkt. Wir haben diese Zeile, in der es genau darum geht, dass man nicht einfach die Mutter von irgendwem sein will. Im Refrain singe ich deshalb wieder darüber, die vollständige Kontrolle über den eigenen Körper zu bekommen. Eigentlich ganz einfach.

Warum habt ihr euch dazu entschieden, daraus eine ruhige Klaviernummer zu machen, anstatt zum Beispiel eine aggressive Kampfansage?
Alice: Dieses Lied war von Anfang an anders. Rakel hat den Gesang in einem Take aufgenommen. Bei diesem Stück geht es um die Präsenz in der Aufnahme und den Moment. Darin stecken sowohl Rohheit als auch Intimität. Das sehr zurückgenommene Klavier gibt dieser Intimität Raum und erlaubt den Texten, für sich selbst zu sprechen. Dadurch, dass die Instrumentierung sich ändert und das Stück mit Regengeräuschen ausklingt, hebt es sich vom Rest der Platte ab und lässt so seine Botschaft erstrahlen.
Rakel: Ursprünglich wurde der Gesang in Form einer Sprachnachricht auf dem Handy aufgenommen. Ich wollte die Intimität und Rohheit dieser Aufnahme beibehalten. Das war ein anderer Ansatz für uns als sonst. Wir wollten dem Thema gerecht werden. Der Song und das ganze Album sollen einen zum Nachdenken anregen.

Ihr redet nicht nur über Feminismus, ihr praktiziert ihn auch. Euer Produktionsteam bestand nur aus Nicht-Männern. Ich habe aber auch gelesen, dass das mehr ein glücklicher Zufall war. Wie kam es denn nun dazu?
Alice: Wir hatten so eine Art Produzenti*nnen-Dating. Wir waren mit verschiedenen Produzent*innen im Studio und es gab ein paar Songs, für die wir einige Ideen hatten. Der Tag, den wir schließlich mit Martha und ihrer Toningenieurin Grace im Studio verbrachten, war einfach so entspannt. Die Atmosphäre war anders als alles, was wir je zuvor erlebt haben. Sie hatten ein Gespür für die Themen, die das Album behandelt, und haben die Sensibilität verstanden. Deshalb fühlte sich bei Martha alles so selbstverständlich an. Von Anfang an hatten wir ein gutes Bauchgefühl bei ihr.
Rakel: Es ist so wichtig für uns hervorzuheben, dass wir mit erstaunlichen Frauen arbeiten konnten und wie sehr das unser Album beeinflusst hat.

Das hat mich an die Riot Grrrl-Sessions erinnert, wisst ihr davon?
Alice: Nein, was ist das?

Das ist ein schwedisches Projekt. Alle Beteiligten sind Frauen, nicht-binäre und transsexuelle Menschen. Vor ein paar Jahren haben sie zusammen ein Punk-Album aufgenommen.
Bella: Cool, das klingt toll!

Auf Instagram habt ihr gesagt, dass es nicht zu wenig Musikerinnen gibt, sondern, dass ihnen nur die Plattform fehlt. Ich glaube, dass Männer sehr oft einfach andere Männer unterstützen, ohne darüber nachzudenken.
Bella: Ja. Als Folge daraus ist das Narrativ von Frauen in der Rockmusik historisch vom Wettbewerb geprägt. Als ob es nur eine bestimmte Anzahl von Plätzen für Frauen gäbe. Es ist spannend, in einer Zeit zu leben, in der wir uns mit diesem Narrativ befassen können. Es muss nicht unbedingt um Wettbewerb gehen. Nur weil es eine Musikerin gibt, heißt das nicht, dass man nicht noch fünfzig andere finden kann.
Bella: Absolut! Es geht um Repräsentation. Wir brauchen eine Haltung, die Raum und Unterstützung für eine ganze Reihe von Musikerinnen schafft.
Rakel: Um etwas zu erreichen, zum Beispiel als Toningenieurin, braucht es jemanden, der einem eine Chance gibt. So bekommt man einen Fuß in die Tür. Nur weil man nie von ihnen gehört hat, heißt das nicht, dass sie nicht existieren.

Böse Zungen könnten behaupten, es sei gar nicht wirklich Punk, weil ihr euch ursprünglich als Projekt auf einer Kunsthochschule formiert habt. Aber hat euch das vielleicht geholfen? Schließlich macht ihr eure Musikvideos quasi selbst.
Alice: Als wir das Ganze während unseres Kunststudiums in Brighton gestartet haben, fühlten wir uns in diesem System, in dem man für Kunst benotet wird, wie erdrückt. Die Gründung dieser Band war ein Akt der Rebellion. Es war eine Brücke zwischen Rockshow und Kunsthochschule. Deshalb beteiligen wir uns so stark an der Gestaltung der Ästhetik und der visuellen Konzeption der Band. Wir haben uns unsere eigene Welt nach unserem Geschmack geschaffen.