DWARVES

Schaumwäsche oben und unten

Sie sind immer für eine Überraschung gut: Blag Dahlia und die DWARVES. Seit 1983 veröffentlicht die Band mit schöner Regelmäßigkeit Platten, die mit Erwartungen brechen und vor den Kopf stoßen, und apropos Vor-den-Kopf-stoßen – auch das tun die Herren aus San Francisco ganz gerne, live und mit Mikrofonständer oder Gitarre. „Come Clean“ heißt das neue Album, und DWARVES-Kopf Blag Dahlia erklärte dies und das.

Zum Beispiel, wer dieser nackte kleine Mann ist, der sich auf dem Cover verschämt ieiner Ecke herumdrückt, während zwei gut gebaute Damen nur mit Schaum „bekleidet“ im Vordergrund stehen. Blag: „Der Kerl heißt Bobby Faust, ein witziger Typ aus New York. Ich habe ihn Ende der Achtziger in Brooklyn getroffen, als er in gewisse, nicht ganz legale Aktivitäten verwickelt war. Aber mittlerweile ist er erwachsen, falls man das bei ihm so ausdrücken kann. Ich glaube, er ist knapp über einen Meter „groß“. Früher hatte er einen Hund namens Buggie, ein Riesenviech, das größer war als er selbst. Immerhin hat er auf ihn gehört.“ Und die Damen? Sind das die Lebensgefährtinnen der Herren DWARVES? „Nee, ich habe noch nie meine Freundin auf ’nem Plattencover gehabt. Das sind zwei Models aus New York.“
Die DWARVES, übrigens notorische Labelhopper, die unter anderem über Voxx, Sub Pop und Theologian zu Epitaph gelangten, waren von jeher eine Band, die musikalisch alles andere als statisch ist. In ihrer Frühphase etwa, spielten sie klassischen Sixties-Garagepunk, von dem freilich heute nichts mehr zu hören ist. „Die wenigsten Leute wissen das“, merkt Blag dazu an und verweist auf die via Recess erschienene Compilation „Lick It“, die all die frühen garagigen Songs enthält. „Ehrlich gesagt haben mich diese ganzen Garage-Fans schon damals in der Schule genervt mit ihrem Geschwätz, wie viel cooler die Bands in den Sechzigern doch gewesen seien. Das „Problem“ ist und war, dass kein Genre groß genug für die DWARVES ist, und das ist Teil des „kommerziellen Selbstmords“ der Band. Es ist eben viel einfacher, viele Platten zu verkaufen, wenn man eine Band in eine Schublade packen kann.“
Und genau damit scheitert man an „Come Clean“, das zwar im weitesten Sinne wieder ein Punk-Album geworden ist, aber vor allem nach DWARVES klingt und mit einem Song wie dem elektronisch unterstützten „Over you“ doch mit Hörgewohnheiten bricht. Blag: „Du meinst den Track, wegen dem uns alle Punkrocker hassen werden? Der hat sich so ergeben: Wir hatten gerade diesen schönen Doublekick-Drum-Loop aufgenommen, Holy Smokes fiel ein schöner Gitarrenlauf ein und mir kam der passende Text dazu, und so war das eine spontane, schnelle Angelegenheit. Aber das klang noch nicht fett genug, also liessen wir Eric Valentine und sein Produktionstalent ran. Aber ob der Song in einem Club die Leute auf den Dancefloor locken kann, das wage ich trotzdem zu bezweifeln. Ich glaube, man muss sich erst an den Song gewöhnen, sich reinhören, bevor man ihn schätzen kann. Was soll’s, mein persönlicher Musikgeschmack ist sehr breit, ich höre Techno und Speedmetal und ... „
... wohl auch HipHop – zumindest erzählte Blag das unlängst einem US-Fanzine. „Au Mann, dieses Hitlist-Interview!“, stöhnt Mr. Dahlia. „Ich habe da ein paar Bands aufgezählt, deren Songs im Radio mir derzeit gefallen, und als ich dann das Interview vor mir hatte, sah es so aus, als ob ich diese Bands alle hasse und nur Rap höre. Pech, das wird mich wohl die nächsten Monate verfolgen. Aber ja, ich höre seit Jahren HipHop, ich mag die unterschiedlichsten Stile von Underground bis Kommerz, und irgendwie versuche ich dann, all die Musik, die ich höre, in meine Band reinzufummeln. Sowieso ist auf der aktuellen Platte viel mehr HipHop drauf, als die Leute bemerken. Zum Beispiel das Schlagzeug: Bei vielen Songs klingt das Schlagzeug zwar nicht nach HipHop, aber etwa bei „Over you“ ist der Rhythmus nicht Jungle oder so, sondern ein doppelter HipHop-Beat. Bei „Come where the flavor is“ oder „How it’s done!“ haben wir zum Beispiel „richtiges“ Schlagzeug aufgenommen, aber auch noch viel mit Samples gearbeitet, um den Beat fetter zu machen. Viele Punkplatten leiden eben unter dem mittelmäßigen Schlagzeug, das wollte ich nicht. Die neue Platte enthält also viele versteckte HipHop-Elemente, nur bedeutet das nicht, dass wir in beschissenen Baggy-Klamotten rumlaufen und Worte wie „Yo!“ verwenden. Wir sind eben immer noch eine Punk/Garage-Band, was aber auch keinen Gegensatz zum HipHop darstellt, der eben schon immer auch diesen Garage-Aspekt hatte, wo jeder mit recht simplem Equipment was aufnehmen kann.“