EYES

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Was ist Hardcore?

In Ox-Ausgabe 153 klärte uns die dänische Hardcore-Band EYES Ende 2020 über ihr Debütalbum „Underperfromer“, die Szene in ihrer Heimatstadt Kopenhagen sowie die ausschweifenden Nebenaktivitäten der Bandmitglieder auf. Gut zwei Jahre später ist der Fünfer zurück mit einem ordentlichen Hassbrocken namens „Congratulations“, der vieles integriert, was im Bereich der härteren Musik zu finden ist: scheppernder Black Metal, krachende Heavyness und brachiale Gitarrenriffs. Ob man allerdings von einer Hardcore-Band im klassischen Sinne sprechen kann beziehungsweise wie viel von AGNOSTIC FRONT noch bei EYES zu finden ist, galt es in Erfahrung zu bringen. Sänger Victor gibt uns zudem ein kurzes Update darüber, wie es derzeit bei einer der aufregendsten Combos aus unserem nördlichen Nachbarland läuft.

Victor, im letzten Interview hast du uns erzählt, dass die meisten von euch auch in anderen Bands spielen, etwa LLNN, AFMAGT oder MASS WORSHIP. Reicht eine Band für euch immer noch nicht aus?

Ja, EYES reicht den meisten von uns immer noch nicht, wir sind dahingehend richtige Musikworkaholics. Und es ist im Vergleich zum letzten Mal, als wir uns trafen, sogar noch schlimmer geworden. Ich bin jetzt auch bei LLNN eingestiegen, wo unser Gitarrist Rasmus Bass spielt. Die anderen haben auch noch zig Bands, in denen sie spielen. Du hast ja schon ein paar aufgezählt. Aber das war immer unser Standpunkt: Jeder kann und muss sich auf unterschiedlichen Wegen ausleben und ausdrücken. Allerdings sind die Absprachen zu den Proben immer ein wildes Hin- und Hergeschreibe. Das nervt schon ein wenig.

Der musikalische Stil von „Congratulations“ ist schon ziemlich rauh, hart und heavy. Insgesamt schwer zu beschreiben und sicherlich nicht wirklich massenkompatibel für normale Radioshows. Wie würdest du als Musiker euren Stil beschreiben?
Findest du, dass wir immer noch zu heavy sind? Ich denke, wir haben uns bei „Congratulations“ im Gegensatz zum Vorgänger dahingehend sogar abgeschwächt. Wir haben mehr auf die Gitarrenarbeit gesetzt und viel experimentiert. Also mehr Hooks in die Songs integriert. Unser Songwriting ist auch deutlich besser geworden. Wir probieren viel aus und lassen auch mal Sachen weg, die früher drin geblieben wären. Manche Riffs sind im Gegensatz zu „Underperformer“ sogar einfacher geworden, damals wollten wir an einigen Stellen noch komplexer wirken. Wir haben aber festgestellt, dass das den Gesamtsound zusätzlich überlädt. Ich finde, dass die Platte in Bezug auf die Songauswahl vielfältiger ist. Dennoch ist das neue Werk immer noch ziemlich hart und heavy geworden. Wir in der Band nennen unseren Stilmix Wackcore, vor allem wegen der verrückten Gangart. Das ist genau die Interpretation von harter Musik, die wir mit EYES machen wollen. Zusammen mit der Produktion von Jacob Bredahl harmoniert das unglaublich. Sheesh, er hat den Sound von uns noch mal eine Liga höher katapultiert.

Da du Wackcore erwähnst, in der Beschreibung zum neuen Werk heißt es „eingängige Hardcore-Platte“. Eingängig ist ja ein ziemlich dehnbarer Begriff, das kann man so stehen lassen. Aber was ist mit dem zweiten Teil? Würdest du EYES als Hardcore-Band bezeichnen? Wenn ich mal eine bekannte Band als Referenz angeben sollte, finde ich, dass ihr etwa mit AGNOSTIC FRONT nicht mehr viel gemeinsam habt.
AGNOSTIC FRONT sind wirklich nicht so unser Ding. Und seit den Achtziger Jahren hat sich im Hardcore auch schon etwas getan, oder nicht? Ich denke, wir sind näher an Bands wie EVERY TIME I DIE oder den ersten Sachen, die die DAUGTHERS gemacht haben. Und in diese Interpretation des Hardcore-Genres passen wir schon rein. Aber darüber kann man sowieso immer wieder miteinander streiten. Was ist Hardcore, wo beginnt er, wo hört er auf? Ist Genresnobismus wirklich wichtig? Scheiße, nein. Lass uns einfach zusammen Spaß haben und der harten Musik frönen.

Auf jeden Fall. Du schreist die Texte ziemlich ausdrucksstark raus und man benötigt schon die Lyrics, um zu verstehen, was du mitteilen willst. Da drängt sich die Frage auf, ob ihr auf „Congratulations“ ein spezielles Thema verfolgt habt.
Ja, durchaus. Im Großen und Ganzen geht es um den Zustand der Welt nach der Pandemie. Verschwörungserzählungen haben sich von selten und seltsam zu etwas fast Normalem entwickelt und ich denke, so was ist ziemlich beunruhigend. Ich habe schon immer gerne Geschichten aus den dunkelsten Tiefen des Internets ausgegraben, aus purer morbider Neugier. Absurde Weltanschauungen faszinieren mich. Damals musste man in wilde, abgedrehte Foren eintauchen und schon echt suchen. Es war oft etwas sehr Verstecktes und die Leute wollten es meistens mit nur wenigen teilen. Heutzutage gibt es viel mehr Offenheit dahingehend und in einigen Teilen der Gesellschaft werden diese Hirngespinste heute akzeptiert. Kurzum, es ist beschissen. Mein Lieblingslied auf der Platte, „It’s happening“, handelt auch von diesem ganzen Mist. Da geht es um ein Meme, das jedes Mal, wenn etwas Schreckliches auf der Welt passiert, von bestimmten Leuten gepostet wird. So nach dem Motto: „Ich hab es euch ja gesagt.“ Einige gehen dabei soweit, dass man hinter alldem eine höhere Macht vermutet, die diese Dinge auslöst. Da sind diese Leute, die in ihren kleinen Kämmerchen vorm Computer sitzen, sich nur in ihrer Internetblase bewegen und allen auf der Welt einfach das Schlimmste wünschen. Das macht mich ganz krank.

Letztes Mal hast du uns die Hardcore-Szene in deiner Heimatstadt Kopenhagen vorgestellt und mit ROT AWAY, WE ARE AMONG STORMS oder TVIVLER einige neue Bands erwähnt. Wie sieht es heute aus? Gab es Schwierigkeiten aufgrund der Pandemie?
In der Lockdown-Phase war es natürlich hart. Auch hier gab es Kontaktbeschränkungen und all den ganzen Scheiß, den es hoffentlich so bald nicht wieder gibt. Aber für die Szene läuft es nun wirklich wieder gut! Es gab ein paar Festivals, die leider drei Jahre lang nicht stattfinden konnten, aber die meisten von ihnen sind jetzt wieder auf Kurs. Die erwähnten Bands sind alle noch am Start. Vor allem ROT AWAY rocken zur Zeit alles kaputt. Es gibt auch wieder ein paar neue großartige Bands, checkt mal SYL und VULVATORIOUS an.

Werdet ihr dieses Jahr auch bei einigen Festivals spielen oder plant ihr eine Tour, um „Congratulations“ noch bekannter zu machen?
Auf jeden Fall. Wir sind schon ganz heiß darauf, die neuen Sachen live zu spielen. Auf welchen Festivals wir mit EYES in diesem Jahr spielen, ist noch nicht ganz klar. Aber wir sind intensiv am Verhandeln. Außerdem planen wir eine große Europatour, um das neue Album ausgiebig vorzustellen. Da wird es in nächster Zeit Ankündigungen geben, also seid gespannt.

Zuletzt würde ich dich gerne etwas fragen, das nicht unbedingt mit Musik zu tun hat. Das dänische Fußballteam gehörte, ebenso wie Deutschland, zu den Geheimfavoriten für die letzte Fußball-WM in Katar. Letztendlich war für beide Teams nach der Vorrunde Schluss. Hast du die WM verfolgt und wie ist deine Meinung zu dem sehr kontrovers diskutiertem Austragungsort?
Ich hasse Fußball. Mit der Einstellung stehe ich in Dänemark eher alleine da. Es ist so langweilig zuzusehen, oft passiert doch gar nichts. Was die WM angeht: Scheiß auf die FIFA und scheiß auf Katar. Scheiß auf die Politiker und Funktionäre, die es zulassen, dass die eingewanderten Arbeiter in Katar behandelt werden wie Sklaven oder dort andere Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Diese Menschen mit ihrer Doppelmoral, die dies nicht sehen und ansprechen wollen, sondern lieber Fußball im arabischen Luxusstaat sehen möchten, können mir gestohlen bleiben.