KNUD VOSS

Foto

Da brennt noch was

Aus Schleswig-Holsteins Westen schicken KNUD VOSS mit der „Capristube“-10“ wohl eines der besten Debüts des Jahres ins Rennen. Ein guter Zeitpunkt, mal ein wenig bei Sänger und Gitarrist André nachzubohren.

Für ein Debüt klingt eure Platte ziemlich erfahren und „reif“. Was habt ihr vor KNUD VOSS musikalisch gemacht?


Danke, danke, freut mich, dass das so rüberkommt. Wir können gut kaschieren. Aber stimmt schon, bis auf Malte haben wir alle schon vorher in verschiedenen Combos gespielt, wobei meine Gitarre einige Jahre eingemottet war. Ich hatte mit meiner damaligen Band versucht, Musik in Richtung NOMEANSNO und VICTIMS FAMILY zu machen. Aber unsere Skills machten uns im Nachhinein betrachtet einen Strich durch die Rechnung. Lutz und Henning machen schon seit Ewigkeiten in verschiedenen Bands gemeinsam Musik. Das ging von Crossover über Punk und wieder zurück.

War die musikalische Ausrichtung „deutschsprachiger Punk“ für euch von vornherein klar oder gab es noch andere Ideen?

Wir hatte eigentlich keine genaue Vorstellung, was wir machen wollen. Klar war, dass der rote Faden Punk sein soll, und für mich war klar, dass das auf Deutsch passieren muss, denn textlich könnte ich auf Englisch nur abgedroschene Phrasen bringen, was witzlos wäre. Aber ob wir ausschließlich im Punk anzusiedeln sind, bezweifle ich. Unser Song „elfvorzwölf“ ist zum Beispiel eher eine Disco-Nummer mit Synthie und auch sonst plündern wir gerne die Beete anderer Gärten.

Worum geht es im Titelsong „Capristube“?

Hier geht es um den Typus Mensch, der sich in erster Linie durch seine Karriere und Äußerlichkeiten definiert, morgens zum Biomarkt fährt und danach bei H&M-Klamotten kauft, in irgendeinem Szeneviertel wohnen muss und dabei die ursprünglichen Bewohner verdrängt. Also kurz gesagt: kein Sympath. Und den Refrain „Ich hab aufgehört, mich für Musik zu interessieren, ich mach jetzt in Kunst“ kommt eins zu eins aus einem Gespräch mit so einer Person. Klingt absurd, ist absurd.

In „Kondensmilch“ fasst du deine eigene Sozialisation auf dem Lande zusammen. Was „brennt“ da noch, was du im Refrain besingst? Und warum der Songtitel?

Also bei uns passt der Deckel selten zum Topf, denn der Titel hat nur selten etwas mit dem Text zu tun. Ich mag hier die Irreführung. Ist so sein Spleen von mir. Und ja, bei „Kondensmilch“ geht es um meine Zeit als Dorfpunk. Um die ersten eigenen Bands, die ersten Konzerte, die ersten Demos, erste eigene Bude. Und was da noch brennt, ist das Gefühl, was man von damals mitgenommen hat, auch wenn man schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat.

„Schussrichtungunten“ beschäftigt sich mit rechten Spießbürgern. Was mir bei den teilweise verklausulierten Texten durch den Kopf ging, ist zweierlei: Wie politisch sind KNUD VOSS und wie konkret magst du bei Texten werden?

Bingo, richtig erkannt. Ich ordne uns schon als politische Band ein. Ich verstehe nicht, wie man in Zeiten wie diesen als Band nicht politisch Stellung beziehen kann. Aber unsere Texte behandeln auch viele andere Themen, die nicht politisch sind. Da legen wir uns nicht fest. Beim Texten an sich versuche ich, den Spagat zwischen „direkt“ und „indirekt“ hinzubekommen. Zu verklausulierte Texte sind mir selber ein Graus, aber noch weniger mag ich ständig wiederholte Phrasen in Songtexten.

Ihr kommt aus Schleswig-Holsteins ländlichem Westen. Eine Ecke, die nicht unbedingt für Punkrock bekannt ist. Gibt es dort so etwas wie eine „Szene“?

Klar sind hier und da ein paar Bands aktiv, aber eine wirkliche Szene im Vergleich zur Ostküste würde ich das nicht nennen. Das spiegelt sich auch bei den Auftrittsmöglichkeiten wider. Aber zum Beispiel wurde hier 2018 und 2019 das RD-Rock Festival wiederbelebt, das bis 2012 regelmäßig stattgefunden hat. Auch wenn es dieses Jahr eine Pause einlegt und erst 2021 wieder startet, hat es sich zum Ziel gemacht, lokalen Bands aus Schleswig-Holstein ein Forum zu bieten, und wir fühlen uns diesem Festival sehr verbunden.

Welche regionalen Bands sind eure Geheimtipps?

KV empfiehlt: unsere Kumpels HOTEL KEMPAUSKI und THE SUPPORTERS. Zudem ANGORA CLUB, NUISANCE OF MAJORITY, ROTT, MOMS DEMAND ACTION, NO SUGAR, ROCK’N’ROLL HOTEL und viele mehr ... Also es „brennt“ ganz schön im Norden, wie ich finde.