Legendäre Compilations

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STOMPING AT THE KLUB FOOT VOL. 2 (LP, ABC, 1985)

Befragt man Leute aus unseren Szenen, welche Live-Platten für sie Kultstatus besitzen, werden immer die drei üblichen Verdächtigen genannt: MOTÖRHEAD („No Sleep Til’ Hammersmith“), RAMONES („Its Alive“) und STIFF LITTLE FINGERS („Hanx“). Die „Stomping At The Klub Foot“-Reihe, mit den legendären Live-Aufnahmen der Psychobilly-Konzerte im Londoner Clarendon Hotel, sorgt aber auch für erhöhtes Entzücken, vor allem bei jenen, die im Billy-Bereich ihre Ohren aufspannen. Insgesamt fünf Teile gab es auf Vinyl (der erste erschien 1984, der letzte 1988, „Volume 3 & 4“ als Doppel-LP), wobei „Volume 2“ für mich persönlich der ereignisreichste ist, was daran liegen mag, dass es mein erster Kontakt mit dieser Serie war.
Die Compilation beginnt mit THE PRIMEVALS, die eine Art Country-Rock in nöliger, aber sehr cooler Art zelebrieren. Und obwohl bisweilen meterhohe Flattops im Publikum das vorherrschende Bild abgeben, werden diese Jungs mit Cowboyhut und langen Haaren gefeiert. Es folgen DEMENTED ARE GO mit ihrem ewigen Hit „Transvestite blues“. DAG haben dem Psychobilly, der hier noch überdeutlich aus dem Rockabilly hervorging, eindeutig den Punk eingehaucht – nicht nur durch Mark „Sparky“ Philips’ rotzige Stimme, sondern auch durch seine nonverbale Bühnenpräsenz, die deutlich an Johnny Rotten angelehnt ist. FRENZY bieten dann zwei weitere Kultsongs der Szene: „Misdemeamour“ und das von Simon Brand (TORMENT) geschriebene hyperschnelle „Cry or die“.
Mit der B-Seite beginnt die Scheibe für mich jedoch erst richtig zu brennen: THE PHARAOHS spielen sich mit ihrem verhalltem, vibrierenden „Crazy ’n’ wild“ ins Psychobilly-Herz, ehe sie mit „Listen pretty baby“ einen Evergreen darbieten. Nach den am Garage-Rock angelehnten STYNG RITES kommen meine persönlichen Favoriten THE RAPIDS. Sie begannen noch im Kellerclub des Clarendon, unterhalb des Klub Foot, und spielten sich dann gewissermaßen allmählich „hoch“. Deren Leadgitarrist Spike Arrow (1982 trat er der Combo bei) sagt noch heute: „Die Band hatte vor, etwas anderes zu machen, das heißt einen modernen Sound mit einer Rockabilly-Basis.“
Damit trifft er es im Kern; diese zwei Songs, „Legend of the lost“ und vor allem „The raid“, faszinieren mich bis heute ungemein. Wo hörte man vorher diese Art des Gitarrenspiels, die Halbverzerrte, diesen Hall und Drive und dem von Pete Gage gemischten Sound, es erschüttert einen bis in Mark und Bein, im Vergleich verlieren sich da selbst SLAYER-Soli förmlich. Den Abschluss bilden TALL BOYS, ausgerechnet mit dem METEORS-Mitbegründer Nigel Lewis am Mikro. „Ride this torpedo“ ist bis heute ein gern gecoverter Song. Die Platte gibt es nach wie vor gebraucht günstig zu erwerben und so können jüngere Billy-Anhänger problemlos Musikgeschichte inhalieren.