NO SPORTS

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Ska all’Arrabbiata

Das Treiben der Stuttgarter Ska-Band NO SPORTS habe ich lange nur am Rande mitbekommen, etwa über Samplerbeiträge oder dadurch, dass sie sogar mal in einem „Tatort“ auftauchten. Vor einigen Jahren landete endlich mal eine ihrer CDs in meinem Player, und ein Konzert wenig später überzeugte mich schließlich vollends davon, dass direkt vor meiner Haustür High Quality Ska Music zelebriert wird.

Die Band besteht derzeit aus Mark Schätzle, Drums und Gesang, Wolfram „Wolle“ Göz, Bass, Moni Schweikardt, Akkordeon und Gesang, Alexander Bokolishvili, Tenor-Sax und Klarinette, Elmar Dunkel, Bariton-Sax, Martina „Martl“ Jäckel, Violine, und Gründungsmitglied Micha „D.Mark Dollar“ – Lead Vocals und Gitarre. Letzterer beantwortet uns ein paar Fragen zu NO SPORTS heute und früher, Japantouren und Subkultur in Pandemiezeiten.

Micha, ist Penne all’Arrabbiata immer noch dein Lieblingspastagericht?
Haha, das war ein Song auf der „No Rules“-CD. Als wir die produzierten, gingen wir oft zu unserem Lieblingsitaliener. Und die „Mama“ machte großartige Penne all’Arrabbiata. Die esse ich tatsächlich immer noch gern. Inzwischen bin ich durch unsere Japanreisen auch ein großer Fan der japanischen Küche geworden. Allerdings geht meine kulinarische Tendenz mehr und mehr zum Vegetarismus. Keine oder zumindest selten Tiere zu essen, ist meiner Meinung nach einer der notwendigen Schritte, um diesen Planeten auch für die nächsten Generationen bewohnbar zu erhalten.

Ihr habt euch 1985 gegründet, aber zwischendurch habt ihr meines Wissens auch mal pausiert, korrekt?
Ja, das stimmt. In 35 Jahren Bandgeschichte spielt sich eben so einiges ab. 1997 haben drei Mitglieder die Band verlassen: Oliver Zwist, Trompete und Gesang, sowie unser Drummer Tschelle, der leider im letzten November verstorben ist, und ich selbst, Lead Vocals und Gitarre. Die anderen entschlossen sich damals weiterzumachen und als Gründer und „Inhaber“ des Bandnamens habe ich ihnen den sozusagen geliehen. Die Band spielte so bis 2002 weiter, sie hatten allerdings keine Songschreiber mehr. Die überwiegende Zahl der NO SPORTS-Songs stammen aus meiner Feder und der Rest von Oliver Zwist. Sie waren also sozusagen die eigene „Coverband“. Das lief sich dann beim Publikum irgendwann tot. 2004 haben Oliver, Tschelle und ich beschlossen, wieder zusammenzukommen. Damals mit der Ansage, das nur zum Spaß zu machen, ohne Anspruch und ohne Pläne, auf die Bühne zu gehen. Das hielt rund ein halbes Jahr, bis wir dann den ersten Gig hatten. Oliver wollte aber, dass wir uns unterscheiden von der bisherigen Band, und wollte einen neuen Namen. Das wollte ich aber nicht, weil NO SPORTS ja eine gute, eingeführte „Marke“ war und immer noch bekannt. Außerdem spielten wir ja auch weiterhin Ska, wenn auch mit neuen, wechselnden Einflüssen. Also kamen wir zu dem Kompromiss, uns NU SPORTS zu nennen, und brachten die EP „Phoenix“ und das Album „Life Kills“ raus. 2012 kam dann das Aus für die Band, weil die persönlichen und musikalischen Differenzen zu groß geworden waren. Das Abschlusskonzert gaben wir damals in Stuttgart als Opener für MADNESS.

Inzwischen seid ihr aber wieder richtig aktiv?
Ich wollte 2013 schon direkt weitermachen, weil ich neue Songs in der Schublade hatte und wieder zurück wollte zu klarem Ska ohne HipHop und sonstige Stilvermischungen. Also suchte ich Musiker und gründete die neuen, heutigen NO SPORTS. Diese Band spielt jetzt auch schon wieder seit sieben Jahren zusammen und wir haben die EP „Back To Basics“ herausgebracht. Außerdem zusammen mit Mad Butcher Records eine Neuauflage der „King Ska“-LP und der „Stay Rude – Stay Rebel“-EP als 7“. Wir sind also durchaus „richtig“ am Start und spielen Konzerte, wie es die Buchungen – und momentan Corona – eben zulassen. Im Moment nutzen wir die auftrittsfreie Zeit, um an neuem Material zu arbeiten. Ich habe zehn neue Songs geschrieben, die wir aktuell proben. Weitere entstehen gerade. Aktuell haben wir mit der Produktion des neuen Albums begonnen, Arbeitstitel: „Twang!!!“. Klassischer Ska im bekannten NO SPORTS-Stil.

Du warst in den Achtzigern auch mal kurz bei der Tübinger Punkband KGB. Hattest du danach genug vom Punk und bist lieber zum Ska gewechselt?
Ja, tatsächlich. Ich habe in den frühen Achtzigern in der Stuttgarter Hausbesetzerszene mit einer Band namens DIE FLIEHENDEN ÄGYPTER schon Punk gemacht. Als die sich auflösten, haben mich KGB gefragt, ob ich bei ihnen Gitarre spielen möchte, und ich habe zugesagt. Ich bin dann aber wieder zurückgegangen nach Stuttgart zu der Punkband ABENTEUER UNTER WASSER. Mitte der Achtziger habe ich mir dann einen Traum erfüllt und bin durch die Sahara getrampt. Als ich zurückkam, haben die gleichen Mitglieder dieser Band wieder weitergemacht. Und unter dem Einfluss unseres damaligen Bassisten Gerald Machner, der absoluter Ska-Fan war, habe ich angefangen, Ska-Songs zu schreiben. Damals zuerst auf dem Keyboard. Bei den ersten Konzerten habe ich noch Keyboard statt Gitarre auf der Bühne gespielt, haha. Seitdem bin ich absoluter Skaster.

Was waren für dich bislang die tollsten Erlebnisse mit der Band?
Anfang der Neunziger hatten wir uns schon einen guten Ruf erspielt und mit „King Ska“ 1989 ein viel beachtetes Debüt rausgebracht. Mit dem zweiten Album „Succe$$fools“ kamen Touren durch ganz Europa, von Italien über Österreich, Schweiz und Frankreich bis Dänemark. Mehrere Wochen im Nightliner. Das war sicher ein Meilenstein für die Band. Wir hatten tolle Konzerte, beispielsweise in Bern in der Reithalle vor 3.000 Leuten und einen Auftritt 1991 im Hamburger Millerntor-Stadion zusammen mit DIE TOTEN HOSEN, SLIME und vielen anderen Bands beim Viva St. Pauli Festival. NO SPORTS spielten auch mal auf einer gemeinsamen Tour als Begleitband des „Godfather of Ska“ Laurel Aitken. Weitere Meilensteine waren die beiden jeweils zehntägigen Japantourneen mit NU SPORTS und die Auftritte in Madrid und Bilbao, wo wir jeweils für ein einziges Konzert eingeflogen wurden. Und der erwähnte Auftritt als Opener für MADNESS 2012 natürlich. Die wirklichen Höhepunkte sind aber die unzähligen Konzerte, bei denen die Stimmung zwischen Publikum und Band richtig gut ist und sich eine Symbiose entwickelt, die dann die Party entstehen lässt. Egal, ob achtzig oder ein paar tausend Leute.

Ich schätze, euer Song „Shinkansen“, benannt nach dem japanischen Schnellzug, bezieht sich auf eure Japan-Aufenthalte.
Nach Japan eingeladen wurden wir erstmals 2008 von Ace-K von THE ROLLINGS. In Nagoya lernten wir dann die Band THE SPYMAKER kennen und es entstand eine enge Freundschaft. In der Folge luden wir sie 2009 nach Deutschland ein und produzierten als INTERNATIONAL SKA COLLABORATION eine gemeinsame CD mit dem Titel „Sushi And Beer“ mit jeweils fünf Stücken jeder Band, die sowohl in Japan als auch in Deutschland erschien. 2010 gingen wir wieder in Japan auf Tour und 2011 kamen THE SPYMAKER erneut nach Deutschland. Bis heute sind wir eng befreundet und im August 2019 spielten wir zusammen beim This is Ska Festival in Rosslau. Leider hat das Corona-Virus unsere für 2020 geplante Reise nach Japan unmöglich gemacht. Es steht aber definitiv ein Gegenbesuch an, sobald das wieder möglich ist.

Das kulturelle Leben ächzt weltweit sehr unter der Corona-Pandemie. Wie siehst du als langjähriger Stuttgarter die Situation hier?
Das ist keine so leicht zu beantwortende Frage. Ich lebe nunmehr seit vierzig Jahren hier und habe gelernt, dass es in Stuttgart seitens der Stadt keine Wertschätzung für die so genannte Subkultur gibt. Durch das Bahnprojekt Stuttgart 21 ist mit der Röhre schon ein immens wichtiger Club weggefallen und in letzter Zeit sterben immer mehr Clubs und wichtige Kultureinrichtungen. Zum Beispiel der Kellerclub, in dem wir in den letzten Jahren traditionell mit dem NEW YORK SKA JAZZ ENSEMBLE oder THE TOASTERS zu Weihnachten gespielt haben. Zum Glück ist die Subkultur daran gewöhnt, sich immer neue Nischen zu suchen, und dabei sehr kreativ. Es werden also neue Orte entstehen. Im Moment ist es allerdings etwas dünn hier in der Stadt. Und was nach Corona kommt, bleibt abzuwarten.