ONE STEP CLOSER

Foto© by Spencer Chamberlain

Anywhere but home

ONE STEP CLOSER haben seit ihrer Gründung 2016 ein beachtliches Tempo vorgelegt. Ein bisheriges Highlight war zum Beispiel eine Europatour im Vorprogramm von TURNSTILE zu Beginn des letzten Jahres. Zurück in den USA war eine Vielzahl an weiteren Live-Aktivitäten geplant, die aufgrund der Pandemie aber natürlich auf Eis gelegt werden mussten. Für die junge Band aus Pennsylvania bedeutete die Situation, bis auf Weiteres wieder in der Heimat festzusitzen, nicht weniger als ein absolutes Worst-Case-Szenario, welches das Debütalbum „This Place You Know“ nun in den Mittelpunkt rückt. Dabei hatte der unfreiwillige Aufenthalt in der Heimat auch einen positiven Effekt, wie Frontmann Ryan Savitski zugeben muss.

Lass uns über Hardcore sprechen. Spielen ONE STEP CLOSER das, was man gemeinhin als zeitgenössischen Hardcore bezeichnen kann?

Ich würde sagen: ja und nein. Ich denke, der typische Genre-Fan kann etwas mit uns anfangen, aber unsere Einflüsse sind doch noch um einiges vielfältiger. Wir beschäftigen uns unter anderem viel mit Emo aus den Neunzigern und unser Gitarrist liebt die frühen Sachen von THE CURE.

Welche Bands aus der Hardcore-Szene haben euch konkret beeinflusst?
Was unser neues Album betrifft, sind auf jeden Fall TITLE FIGHT zu nennen. Und TURNING POINT haben uns von Beginn an geprägt. Wir haben immer gesagt, wenn wir wie eine andere Band klingen wollen, dann wie TURNING POINT. Außerhalb der Szene waren es wohl vor allem BLINK-182. Ihr selbstbetiteltes Album klingt einfach sehr emotional und bedeutungsvoll. Als wir an „This Place You Know“ arbeiteten, haben wir uns oft auf diese Platte bezogen. Außerdem war für mich die Neunziger-Jahre-Band FLAGMAN immer sehr wichtig.

Im Bezug auf BLINK-182 hast du gerade von einer gewissen Sound-Ästhetik gesprochen. War dieses Thema etwas, worüber ihr euch bei „This Place You Know“ viele Gedanken gemacht habt?
Im Grunde ist das Album der nächste logische Schritt für uns. Meine Befürchtung war aber, dass wir nicht mehr genug nach Hardcore klingen könnten und unsere Wurzeln schon nicht mehr zu erkennen sind. Diese Bedenken haben wir dann aber über Bord geworfen, weil wir die Richtung, in die wir uns ganz organisch entwickelt haben, nicht mit Gewalt umlenken wollten. Dadurch, dass alles im Fluss war und wie von selbst entstanden ist, hat uns die Findung des richtigen Sounds auch keinerlei Probleme bereitet.

Sind ONE STEP CLOSER für euch die erste musikalische Unternehmung oder habt ihr davor schon Erfahrungen in anderen Projekten gesammelt?
Mit 15 habe ich damit begonnen, in einer Band Gitarre zu spielen. Das ging so ein oder zwei Jahre. Mit 16 habe ich auch angefangen, bei einem Projekt zu singen. Das sollte so ein Youthcrew-Ding sein, wir wollten klingen wie YOUTH OF TODAY – schnell und zum Moshen. Wirklich lange hat aber keins dieser Projekte durchgehalten. ONE STEP CLOSER wurden dann gegründet, als ich 16 oder 17 war.

Ich frage nach eurer Vergangenheit, weil die Karriere von ONE STEP CLOSER sich im Eiltempo zu entwickeln scheint. Seid ihr so gut in der Szene vernetzt oder habt gute Beziehungen zu Bookern oder Labels?
Nein, überhaupt nicht. Wir können mit Stolz von uns behaupten, dass unser Erfolg bis zu diesem Punkt nur das Ergebnis harter Arbeit ist. Zu Beginn waren wir wirklich das Gegenteil von einer gut vernetzten Band. Wir waren die Kids, die niemanden kannten und einfach jede Show gespielt haben, die sie kriegen konnten – egal wo. Das hat sich erst mit der Veröffentlichung unserer ersten EP geändert, die bei Triple B erschienen ist. Das war das erste Mal, dass wirklich jemand auf uns aufmerksam geworden ist. Mittlerweile haben wir natürlich eine Menge Leute kennen gelernt und Freunde in der Szene gefunden.

„Egal wo“ ist ein gutes Stichwort. Irgendwie scheint ihr mit den Begriffen „zu Hause“ und „Heimat“ nicht viel anfangen zu können, worauf ja auch der Albumtitel anspielt.
Was mich betrifft und den Punkt, an dem ich gerade im Leben stehe, ist die Gegend in Pennsylvania, aus der ich stamme, ein sehr deprimierender Ort. Als ich das Leben auf Tour kennen gelernt habe, hat es mich einfach umgehauen. Das war es, was ich mit meinem Leben anfangen wollte – mit meinen Freunden unterwegs sein. Als dann die Pandemie ausbrach und wir nirgendwo mehr hinkonnten, hat uns das in eine sehr unbehagliche Situation gebracht. Wir waren es schon gar nicht mehr gewohnt, so lange Zeit daheim zu verbringen und permanent von Menschen umgeben zu sein, die wir eigentlich nur noch hin und wieder gesehen hatten. Diese Situation hat uns vor allerlei Probleme gestellt und eine sehr angespannte Atmosphäre geschaffen, so dass uns klar wurde, dass dies das zentrale Thema unseres Albums sein würde.

Aber, Hand aufs Herz, das Album hätte doch eine ganz andere Qualität, wenn es in wenigen Tagen, zwischen all den geplanten Touren hastig produziert worden wäre.
Ja, das trifft zu hundert Prozent zu. Wir hatten die Möglichkeit, vollkommen in diesem Projekt zu versinken. Wir konnten Dinge ausprobieren, Risiken eingehen und den Aufnahmeprozess deutlich verlängern. Es gab Raum, sich zurückzulehnen und alles noch mal auf sich wirken zu lassen. Ohne Pandemie hätten wir diese Zeit garantiert nicht gehabt.

Somit scheinen die Monate ohne Touren zumindest diesen einen positiven Effekt gehabt zu haben.
Ich muss zugeben, dass die negative Situation einen durchaus positiven Effekt zum Vorschein gebracht hat. Ich denke, wenn das Album erschienen ist und wir an die Monate seiner Entstehung zurückdenken, werden wir sogar regelrecht dankbar sein, weil uns die Platte durch so eine herausfordernde Zeit gebracht hat.

Hier in Deutschland existiert übrigens eine LINKIN PARK-Coverband, die ebenfalls ONE STEP CLOSER heißt.
Haha, vielleicht verirren sich dadurch ja mal ein paar Leute auf eine Show von uns. Die werden garantiert ihren Spaß haben. Unser Name ist aber nicht an den gleichnamigen Song von LINKIN PARK angelehnt, das müssen wir tatsächlich erstaunlich oft richtigstellen.