PABST

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Einfach mal wieder Rockmusik

Englischsprachiger Indie-Rock ist wieder in. Mit HEIM aus Bamberg und TWIN RED aus Hannover haben in den vergangenen Jahren schon zwei junge deutsche Bands auf sich aufmerksam gemacht. Als vor zwei Jahren dann PABST aus Berlin ihr Debütalbum „Chlorine“ herausbrachten, waren die Reaktionen schon ziemlich euphorisch. Dieser Mix aus Grunge, Garage-Rock und Noisepop bediente einfach perfekt die nostalgischen Gefühle der Generation NIRVANA. Jetzt haben die drei Berliner mit „Deus Ex Machina“ ihr zweites Album aufgenommen, zusammen mit Star-Produzent Moses Schneider. Zum Ox-Interview haben wir Sänger und Gitarrist Erik Heise, Bassist Tilman Kettner und Schlagzeuger Tore Knipping kurz vor ihrem Auftritt beim diesjährigen Eurosonic-Festival in Groningen getroffen.

Wie hat das eigentlich alles angefangen mit PABST?
Erik:
Angefangen hat alles mit Tore und mir. Also Schlagzeuger und Sänger. Ende 2016 war das. Wir haben angefangen, Songs zu schreiben und aufzunehmen, und dann ist Tilman irgendwann dazugestoßen. Wir kommen alle aus verschiedenen Ecken in Berlin und wohnen auch immer noch in unterschiedlichen Bezirken. Ich komme aus Altglienicke, das gehört zu Köpenick, Tore aus Kreuzberg und Tilman aus Friedrichshain. Und wir proben in Lichtenberg-Marzahn, also wieder ganz woanders.

Ihr klingt ja wie eine Indie-Band aus den Neunzigern. Wie seid ihr zu dem Sound gekommen?
Tore:
Vor PABST haben wir unter dem Namen FICKSCHEISSE elektronische Musik gemacht. Aber es hat uns immer irgendwie ausgebremst, bis man beim Proben startklar ist und alle Sounds zusammen hat. Wir wollten einfach mal wieder Rockmusik spielen und laut sein. Da kommen wir schließlich auch her. So hat sich das einfach ergeben. Wir wollten nicht ständig vor dem Computer sitzen.

Woher kommt die Begeisterung für diese schrägen, lauten Töne? Ihr seid ja höchstens Anfang dreißig. Da war doch der Indie-Sound der Neunziger schon lange kein Thema mehr, oder?
Tilman:
Ich denke, wir haben unbewusst viel Musik mitgenommen, zu einem Zeitpunkt, als wir uns noch gar nicht so sehr für Musik interessiert haben. All diese Bands, die in den Neunzigern eine große Rolle gespielt haben, sind uns offenbar trotzdem im Gedächtnis geblieben. Uns ist jetzt erst aufgefallen, dass man manche Bands mit einem gewissen zeitlichen Abstand wieder besser hören und neu für sich entdecken kann. Es ist zwar nicht so, dass wir deshalb genau diese Musik machen wollen, aber es schlummert vielleicht in uns drin, dass wir damit groß geworden sind, dass wir so sozialisiert wurden und dass diese Musik irgendwie ganz natürlich aus uns herauskommt. Ohne dass wir viel darüber nachdenken.

Was heißt das? Habt ihr Songs von NIRVANA, MUDHONEY oder DINOSAUR JR. bei euren Eltern aufgeschnappt oder bei euren großen Brüdern im CD-Regal entdeckt?
Erik:
Ich denke, das hat auch damit zu tun, dass wir den Anfang der Musikpiraterie bewusst miterlebt haben. Und dadurch hat sich eine ganz neue Welt für uns erschlossen, völlig abseits von Radio oder Fernsehen. Außerdem gab es ja zwischen 2007 und 2010 ein großes Indie-Revival. Richtig tot war diese Musik für mich außerdem nie. Im Mainstream vielleicht. Wir haben dann angefangen, uns eben durchs Internet auch für unbekanntere Bands zu interessieren und sind da richtig eingetaucht. Bei der Entstehung unserer Musik hat also nicht nur das Unterbewusstsein eine Rolle gespielt. Wir haben das auch ganz bewusst wahrgenommen und für uns wiederentdeckt.
Tilman: Ich habe zum Beispiel angefangen, viel von WEEZER zu hören. Das haben wir als Band dann irgendwann für uns entdeckt, als wir gemeinsam auf Tour waren. Da haben wir uns immer gegenseitig Musik vorgespielt. Das „blaue Album“ von WEEZER ist ja inzwischen schon über 25 Jahre alt. Das finde ich voll krass. Wir haben es vor ungefähr zwei Jahren ausgegraben und finden es nach all den Jahren in der Versenkung ziemlich cool.

Welche Bands gibt es noch, die ihr neu entdeckt habt, auf die ihr euch einigen könnt?
Erik:
So abgenudelt das jetzt klingen mag, aber NIRVANA gehen irgendwie immer.

Wo wart ihr selbst, als sich Kurt Cobain am 5. April 1994 erschossen hat? Eine Frage, die eine ganze Generation beschäftigt hat. Nur eben nicht eure Generation.
Tilman:
Wahrscheinlich sind wir fröhlich schnatternd in den Kindergarten gelaufen und haben gar nichts davon mitbekommen. Ich vermute mal, dass es meine Eltern damals auch nicht wirklich gejuckt hat.
Erik: Ich habe das erste Mal von NIRVANA gehört, als „You know you’re right“ im Oktober 2002 als Singleauskopplung vom Best-Of-Album herauskam. Das war auf jeden Fall lange nach dem Tod von Cobain.
Tore: Ich vermute mal, ich war auch gerade in der Krabbelgruppe im Kinderladen unterwegs. Damals war ich gerade mal zwei Jahre alt.

Euer Debütalbum „Chlorine“ ist jetzt zwei Jahre alt. Das wurde ja ziemlich abgefeiert, oder?
Tilman:
All diese euphorischen Reaktionen kamen ziemlich überraschend für uns. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet. Und auch nicht damit, dass wir als Band noch so viele Schritte weitergehen. Unsere anfängliche Intention war ja, einfach nur Musik zu machen, die nicht besonders komplex ist. Wir haben die Songs einfach rausgehauen und uns nicht viel dabei gedacht. Aber irgendwie können sich wohl einige Leute ganz gut damit identifizieren. Das freut uns natürlich.

Euer zweites Album „Deus Ex Machina“ habt ihr zusammen mit Moses Schneider aufgenommen, der schon Alben von TOCOTRONIC, BEATSTEAKS, TURBOSTAAT oder KREATOR produziert hat. Wie war es, mit ihm zusammenzuarbeiten? Sein Markenzeichen ist ja, dass er die Bands quasi live aufnimmt.
Tore:
Wir haben noch nicht so viele Erfahrungen mit anderen Produzenten gesammelt. Es war auf jeden Fall eine super Sache. Er hat mit seiner Art schon einiges aus uns herausgeholt.
Erik: Während des Aufnahmeprozesses standen wir nie wirklich unter Stress. Dieses Gefühl konnte er uns sehr gut nehmen. Davor hatten wir schon Bammel, auf den Punkt abliefern zu müssen. Also bevor es losging. Und danach dachten wir: Das machen wir wieder so! „Chlorine“ war ja in einem ganz anderen Szenario entstanden. Wir hatten Monate Zeit und haben immer nur einzelne Tracks eingespielt. Teilweise immer wieder neu und mehrmals bearbeitet. Das ging jetzt nicht. Wir haben in zwei Tagen fünf Songs aufgenommen und komplett fertiggestellt.
Tilman: Seine Strategie war für uns ein völlig neuer Ansatz. Das hat uns vor allem im Vorfeld schon viel mehr gefordert. Wir mussten viel besser vorbereitet im Studio erscheinen als sonst. Das war aber gut so, denn so hatten wir uns viel intensiver mit unseren Songs auseinandergesetzt. Wir wussten schon viel konkreter, in welche Richtung sich der Sound entwickeln soll. Beim ersten Album haben wir uns mit ein paar Skizzen im Studio getroffen und haben dann erst beim Aufnehmen gemerkt, dass irgendwas nicht hinhaut. Durch die Hilfe von Moses können wir sicher sein, dass wir die Songs vom Album auch genauso live spielen können. Das ist für unsere Art von Musik ein ziemlich guter Ansatz.

War die Erwartungshaltung an euch nach dem sehr erfolgreichen Debütalbum eigentlich eine Last?
Erik:
Der Druck kam nicht von außen. Dass wir irgendeine Rolle erfüllen mussten oder so. Das kam eher von uns selbst. Wir machen uns jetzt schon mehr Gedanken als früher. Also nicht, ob das zweite Album kommerziell erfolgreich wird oder was andere Leute dazu sagen, sondern eher, dass wir uns selbst gerecht werden. Also wir haben schon mehr Druck verspürt, aber den machen wir uns im Grunde nur selbst.

Jetzt haben wir so viel über euren Sound und musikalische Einflüsse geredet. Worum geht es inhaltlich in den Songs? Zum Beispiel bei der ersten Single „Ibuprofen“?
Erik:
Ibuprofen war schon immer meine Droge der Wahl, also ist dieser Song meine Ode daran. Vordergründig geht es natürlich um das bekannte Schmerzmittel. Es geht aber noch um viel mehr. Wie man mit diesem Medikament viel unterdrücken kann. Ich mag solche Ansätze in Texten, dass man viele metaphorische Bezüge herstellen kann. Im Prinzip handeln meine Texte alle von ganz schlimmen Sachen, die aber irgendwie witzig verpackt sind. Ich versuche immer, ein ganz düsteres Thema aufzugreifen und daraus dann keine düstere Musik zu machen, sondern das Ganze umzukehren und ironisch zu betrachten. Man muss mit solchen Sachen ja auch irgendwie klarkommen. Das ist ein Weg, sich damit auseinanderzusetzen, der mir viel mehr bringt als nur herumzujammern. Am Ende ist alles natürlich ganz schrecklich, aber es wird durch meine Texte noch viel deutlicher, finde ich.

Das erste Album heißt „Chlorine“. Also Chlor. Offenbar hast du ein Faible für chemische Substanzen.
Erik:
Das ist ehrlich gesagt völliger Zufall. Chlorine ist einfach ein cooles Wort. Genauso wie Ibuprofen. Dahinter steckt aber kein Konzept, dass jeder Song und jede Platte wie ein Medikament oder ein Putzmittel heißen muss.

Wie viel Berlin steckt in eurem Sound? Ihr seid ja alle Ur-Berliner. Das ist schon eher selten für eine Berliner Band.
Tilman:
Was zeichnet Berlin denn überhaupt aus? Schwierig zu sagen. Wahrscheinlich steckt ganz viel Berlin in unserer Musik, aber nicht bewusst. Wir würden wohl genauso klingen, wenn wir aus Bingen am Rhein kämen. Nein, wahrscheinlich nicht, weil wir anders sozialisiert wurden. In Berlin wächst man vermutlich ganz anders mit Musik auf als woanders. Das hat uns vielleicht ein bisschen offener gemacht.
Erik: Allein schon unser Impuls, laute Rockmusik zu machen. Wir hatten ja die Schnauze voll von elektronischer Musik. An der kommt man in Berlin tatsächlich nicht vorbei. In einer kleineren Stadt wäre das vermutlich anders. In der Provinz ist elektronische Musik vermutlich noch viel frischer. Bei uns ist das so abgegriffen, diese ganze French-House-Kacke kann ich nicht mehr hören. Deshalb haben wir ganz bewusst gesagt, wir machen Rockmucke, weil das für uns viel unbekannteres Terrain ist. Musik mit Instrumenten selbst zu machen ist für uns auf jeden Fall etwas völlig Neues gewesen.

Ihr habt für euer zweites Album „Deus Ex Machina“ mit Ketchup Tracks euer eigenes Label gegründet. „Chlorine“ ist noch bei Crazysane Records erschienen. Warum der Wechsel?
Tilman:
Ich schätze, das macht man heutzutage einfach so. Das bietet für uns viele Vorteile und ein eigenes Label zu gründen, ist ja kein Hexenwerk. Im Zeitalter von Spotify und Co. hat eine große Plattenfirma auch lange nicht mehr die Bedeutung wie früher. Da ging es ja vor allem um das Verfügbarmachen der Musik und diese Aufgabe hat längst das Internet übernommen.