PABST

Foto© by Roberto Brundo

Im Keller brennt noch Licht

Angesichts von Pandemie, Extremwetter oder Rechtsruck fällt es einem schwer, die Zuversicht zu bewahren. Gefühlt befinden wir uns seit über zwei Jahren in einer Dauerkrise. Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. „Crushed By The Weight Of The World“, das dritte Album von PABST, greift genau diese Gefühlslage auf. Verpackt in zwölf Songs zwischen Grunge, Noise und Pop im Stil der Neunziger. Veröffentlicht über das bandeigene Label Ketchup Tracks. Schon mit ihren ersten beiden Alben „Chlorine“ und „Deuce Ex Machina“ schwammen die drei Berliner auf einer Erfolgswelle und die wird mit Album drei wohl nicht abebben. Was beim Entstehungsprozess diesmal anders gelaufen ist, erzählen uns Sänger und Gitarrist Erik Heise und Bassist Tilman Kettner.

Der Albumtitel klingt wie der Soundtrack unserer Tage. Welche Rolle spielt die aktuelle weltweite Krise auf dem Album?

Erik: All die Dinge, die uns gerade Sorgen machen, haben eine Rolle gespielt bei der Entstehung des Albums. Zentral dabei war der Umstand, dass wir sehr viel Zeit mit uns selbst verbracht haben. Da kann man ja sonst nicht so und will es eigentlich auch nicht. Aber wir hatten ja keine andere Wahl, so sind wir auf andere Gedanken gekommen. Anders, als wenn man sich ständig ablenken kann und immer viele Leute trifft. Daher kommen diese ganzen dunklen Gedanken, die auf dem Album eine Rolle spielen.
Tilman: Ich glaube, so richtig krasse existentielle Angst hatten wir nicht, weil wir alle nebenbei arbeiten. Am schlimmsten war es wahrscheinlich bei Tore, der Schlagzeuglehrer ist und Probleme hatte, Geld zu verdienen. Bei Erik und mir war das anders, wir konnten unsere Jobs am Bildschirm einfach weitermachen. Unsere Existenzangst hat sich eher auf die Musikbranche bezogen. Wir bekamen vor Augen geführt, wie wenig vielen Menschen Live-Musik wert ist. Da haben wir uns schon gefragt, wie es künftig laufen wird. Sind irgendwann überhaupt noch Clubs da und Leute, die dort arbeiten? Dieses Thema beschäftigt uns heute noch. Die Probleme in der Branche spüren wir tagtäglich am eigenen Leib. Alles wird immer schwieriger und vor allem immer teurer. Da fragt man sich als kleine Band schon manchmal: Können wir als Band noch weiter existieren, ohne nebenbei Kohle zu verdienen?

Diese Gefühlslage spürt man deutlich. Früher hat man immer von Teenage Angst gesprochen. Aber aus dem Alter seid ihr inzwischen heraus.
Erik: Wenn man von Teenage Angst spricht, suggeriert man, dass man irgendwann alle Zügel in der Hand hält und diese Zukunftsangst nicht mehr verspürt, weil man mit der jugendlichen Ohnmacht umgehen kann. Ich spüre aber gerade in den letzten Jahren, dass ich total ohnmächtig gegenüber den Dingen bin, die um mich herum passieren. Noch schlimmer als sonst. Dieses Gefühl geht auch weit über die Band hinaus. Wir hatten natürlich krasse Angst, dass sich die Bedingungen für Konzerte total verändern. Ich habe mich oft gefragt, ob es überhaupt noch jemanden interessiert, dass wir Musik machen. Die Leute waren mit so vielen anderen Dingen beschäftigt, dass wir zumindest in meiner Wahrnehmung völlig untergegangen sind. Deshalb hat sich bei mir das Empfinden breitgemacht, dem vollkommen ausgeliefert zu sein. Egal, was ich mache.

Wie lief der Entstehungsprozess des neuen Albums? Viele Bands hatten ja durch den Stillstand in der Pandemie mehr Zeit als sonst. War das bei euch auch so?
Erik: Wir wollten sowieso irgendwann ein Album schreiben, aber dass jeder in der Band für sich an Songs geschrieben hat, das ist schon ein direkter Effekt der Pandemie. Wir mussten Unmengen Konzerte absagen. Wenn die alle stattgefunden hätten, wären wir nie so schnell im Studio gelandet. Diesmal hat jeder für sich zu Hause an Ideen gearbeitet, sonst machen wir viel zusammen. Einer kommt mit einer groben Idee und die greifen wir dann im Proberaum auf. Jetzt hat jeder für sich Demos aufgenommen, dadurch hat sich das Songwriting viel gleichmäßiger auf alle Schultern verteilt. Quasi demokratischer. Das war vorher nicht so.

Ihr habt diesmal in zwei verschiedenen Studios aufgenommen – in Leipzig und in Berlin. Was war der Grund dafür?
Erik: Im Studio von Magnus Wichmann in Leipzig wollten wir eigentlich das komplette Album einspielen. Dann wollte ich aber die Vocals in Berlin aufnehmen, weil es nicht so weit weg von mir zu Hause ist und diese Gesangsaufnahmen immer eine ganze Weile dauern. Die kommen ja immer erst am Schluss. Dann hatte ich auch nicht so großen Druck. Ich konnte einfach in den Transporterraum von Moses Schneider fahren, ein paar Stunden aufnehmen und wieder nach Hause fahren. Das hatten wir in Leipzig schon versucht, aber das war in der begrenzten Zeit wirklich stressig. Ich kann nicht acht oder neun Stunden lang singen und hoffen, dass es gut wird. Deshalb haben wir das alles ein bisschen entzerrt.

Habt ihr nach zwei erfolgreichen Alben diesmal Erfolgsdruck verspürt?
Tilman: Wir haben keine Platte gemacht, die andere von uns erwartet haben, wenn du das meinst. Das war wieder genau das, was wir machen wollen und machen konnten. Ich würde also behaupten, dass das Album relativ unabhängig von Druck von außen entstanden ist.
Erik: Es gibt ja bei uns niemanden, der Singles von uns fordert, die im Radio funktionieren. Aber unterschwellig gibt es schon eine gewisse Erwartungshaltung. Die kommt aber eigentlich von uns selbst. Ich male mir immer aus, wie das neue Album ankommt und was andere dazu sagen. Das hat aber keinen Einfluss auf unsere kreativen Entscheidungen. Eigentlich passiert bei uns alles immer einfach so. Wir schreiben Songs und wenn sie uns gefallen, nehmen wir sie auf.
Tilman: Anders könnten wir es auch gar nicht machen. Wir haben uns im Vorfeld natürlich viele Dinge angehört und gesagt: So ein Song würde uns auch gefallen. Dann haben wir es probiert und am Ende hat es immer ganz anders geklungen. Nach uns eben. Und das ist auch gut so.

Im Februar 2021 habt ihr eine Single veröffentlicht mit einer Coverversion von „Kiss me“ von SIXPENCE NONE THE RICHER. Der klingt ganz anders als das Original. Wie seid ihr auf das Stück gekommen? Ich habe den als ziemlich albernen Popsong aus der Cola-Werbung abgespeichert.
Tilman: Den Song fanden wir alle ziemlich geil. Den haben wir gar nicht als das Lied aus der Werbung wahrgenommen, dafür sind wir wahrscheinlich einfach zu jung. Als der Song herauskam, waren wir neun oder zehn Jahre alt. Damals hatten wir noch gar keinen Musikgeschmack und wussten auch nicht, wie scheiße der Coca-Cola-Konzern ist. Wir haben den Song erst viel später entdeckt und völlig unabhängig davon bewertet.
Erik: Das ist ja auch so eine Christen-Band, die ganz schlimme religiös gefärbte Musik gemacht hat. Von denen gab es genau zwei Hits, der eine war „There she goes“, eine Coverversion von THE LA’S, und der andere eben „Kiss me“. Ich habe den Song mal bei einer Probe auf der Gitarre vor mich hingeklimpert und dann hat unser Manager vorgeschlagen, dass wir den covern sollten. Der Song ist ziemlich cheesy, aber man kann eben auch viel daraus machen.

Es scheint, als hättet ihr euch mit dem neuen Album von den Grunge-Einflüssen der frühen Tage emanzipiert und euren eigenen Sound gefunden. Was hat sich aus eurer Sicht verändert und wie kam das?
Tilman: Ich glaube, das liegt zum großen Teil an Magnus Wichmann. Der hat das Album zusammen mit Adam Lenox produziert. Beide sind gute Freunde von uns, haben unser Alter und ähneln uns auch als Typen. Mit den beiden waren wir sofort auf einer Wellenlänge, und vor allem hatten wir im Studio wesentlich mehr Zeit als noch bei „Deuce Ex Machina“. Wir konnten also viel mehr ausprobieren und uns viel mehr Gedanken über den Sound des Albums machen. Gleichzeitig hatten wir jemanden am Mischpult, der sofort verstanden hat, was wir wollen.

Mit dem zweiten Album „Deuce Ex Machina“ seid ihr mit eurem eigenen Label Ketchup Tracks an den Start gegangen. Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?
Tilman: Mit „Deuce Ex Machina“ ist es nicht ganz optimal gelaufen, weil wir dachten, wir können mit dem Album auf Tour gehen und alle Platten verkaufen. Aber dann gab es zwei Jahre lang keine Konzerte, deshalb liegen bei uns im Proberaum noch ein paar Exemplare herum. Was wir sehr zu schätzen wissen, ist die Unabhängigkeit. Wir entscheiden im kleinen Kreis, wann und wie das Album herauskommt, und können alles so machen, wie es uns gefällt. Im Prinzip betreiben wir das Label zu fünft. Also die Band plus zwei Manager. Was den Vertrieb betrifft, sind wir in ein Netzwerk von Experten eingebunden, die uns dabei helfen, das Album in die Plattenläden zu bringen oder online zu vermarkten.