PAPA ROACH

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Viel zu erzählen

Sänger Jacoby Shaddix unterhält sich mit mir über die Neunziger und dreiköpfige Monster. Ach ja und über das neue Album „Ego Trip“, das im April erscheinen wird.

Was gibt es zum Aufnahmeprozess von „Ego Trip“ zu erzählen? „Wir waren es wirklich leid, in unseren Häusern eingeschlossen zu sein. Wir brauchten einen richtigen Tapetenwechsel. Also machten wir alle einen Corona-Test und haben uns in einem Haus in Kalifornien verschanzt. Dort sind wir gemeinsam eingezogen, um so viel Musik wie nur irgend möglich zusammen zu schreiben. Wir hatten eine unglaublich gute Zeit und das sowohl auf kreativer, musikalischer als auch auf zwischenmenschlicher Ebene. Heraus kam wirklich großartige Musik und wir alle fühlten uns sehr inspiriert. Wir haben wirklich alles abhaken können, was wir uns vorgenommen hatten. Zusammenzuleben war wirklich eine sehr hilfreiche Erfahrung.“

Aber war das eine einmalige Sache oder sind sie in der Vergangenheit schon öfter so vorgegangen? „Einen Monat zusammenleben und Musik schreiben haben wir schon mehrfach hinter uns. Wir haben das schon für ‚The Paramour Sessions‘ und auch für den Nachfolger ‚Metamorphosis‘ gemacht.“ Dabei erwies sich die Zwangspause als eine echte Bereicherung für die Band. „Die Unsicherheit, wohin die Reise aktuell für uns gehen sollte und auch der offene Zeitrahmen für das neue Album erlaubten es uns, reflektierter an neue Musik heranzugehen. So konnten wir so viele Songs wie möglich schreiben und daraus dann die Sachen destillieren, die das bestmögliche PAPA ROACH-Album ergaben, das wir in dieser Zeit schreiben konnten. Das war wirklich eine sehr coole Erfahrung für uns. Als wir gezwungen waren, mit dem Touren zu pausieren, merkten wir erst, wie sehr wir eine Auszeit voneinander brauchten, und auch vom Touren generell mussten wir etwas Abstand gewinnen. So konnten wir alle etwas Ruhe und Erholung finden. Am Ende war ich dann wieder voller Energie und voller Neugier auf all das, was die Zukunft noch für uns bereithält.“

Und wie wirkte sich der offene Zeitrahmen auf die Musik aus? Gab es mehr Experimente, weil die Zeit es eben zuließ? „Unser Wille, neue Dinge auszuprobieren, nahm bei ‚Ego Trip‘ einen sehr großen Raum ein. Wir wollen unseren Sound immer weiter nach vorne bringen und dabei immer noch klassische PAPA ROACH-Elemente unterbringen. Diese Vision zu haben und sie in die Tat umzusetzen im Studio – ich liebe diesen Prozess. Wir können so kreativ sein, wie wir das eben wollen, und haben immer wieder eine Menge Ideen, die aus dem üblichen Rahmen fallen. Wenn wir dann alles aufgenommen haben, müssen wir uns auf gewisse Weise entscheiden, wer wir sein wollen. Ich mag das, wofür wir uns entschieden haben“.

Dabei soll ich trotzdem ein roter Faden durch den Sound ziehen. Jacoby erklärt mir die Vision hinter der neuen Musik. „Wir wollten den Weg, den wir mit den letzten beiden Alben eingeschlagen haben, konsequent weitergehen. Von ‚Crooked Teeth‘ über ‚Who Do You Trust?‘ gab es eine Wiederentdeckung dessen, was wir sind. Teil dieser Entwicklung ist es, Elemente unserer Anfangstage in die Zukunft zu übertragen. Es gibt wieder viele Songs, in denen ich rappe. Ich kann dadurch Geschichten auf eine ganz andere Art und Weise erzählen. Es gibt aber auch wieder eine Menge Melodien. Das Ziel war es, das beste PAPA ROACH-Album zu schreiben, das wir schreiben konnten. Ob es wirklich das beste Album geworden ist, müssen dann die Fans entscheiden, ich finde allerdings, wir haben ein unglaublich geiles Album abgeliefert.“

„Es gibt eine gewisse Energie, wenn wir alle zusammen sind. Es geht nicht darum, einzelne Individuen zu feiern, sondern darum, was wir zusammen leisten und auf die Beine stellen. Ich liebe den Prozess. Es ist fast magisch. Aus dem Nichts Musik entstehen zu lassen und sich in einem kreativen Flow zu befinden, das ist großartig. Irgendwann hat man dann eine Abfolge an Akkorden, einen Rhythmus, dann einen ganzen Song und manchmal inspiriert man damit andere Personen und sogar sich selbst. Ich liebe es.“ Ist diese Magie auch dem Umstand geschuldet, dass PAPA ROACH über sehr lange Strecken keine Veränderungen im Line-up hinnehmen mussten? „Ich denke, es liegt auch daran, dass wir uns immer wieder herausfordern, das Beste zu geben, wenn wir ins Studio gehen. So als ob wir uns immer noch beweisen müssten. Es gibt so viele großartige Rockbands, OF MICE & MEN, BRING ME THE HORIZON, NOTHING BUT THIEVES, ROYAL BLOOD. Ich will nicht, dass Leute sich nur an die alten Sachen erinnern. Ich will mit meiner Musik im Dialog bleiben. Das ist unser Ziel, unsere Herausforderung.“

Gab es je einen Punkt, an dem Jacoby das Gefühl hatte, die eigene Messlatte zu hoch gelegt zu haben? „Ich denke, wenn man Regeln im kreativen Prozess zulässt, hemmt man damit die Kreativität. Für uns gibt es keine Regeln. Wir wollen einfach neue Musik schreiben.“ Für „Swerve“ holten sich PAPA ROACH Sueco und FEVER333 mit ins Boot. Wie kam es dazu? „Der Song war einer der letzten für das Album und ich habe so viele verschiedene Dinge ausprobiert mit meinen Vocals. Irgendwann kam der Punkt, an dem ich Abstand dazu nehmen musste und unser Producer meinte, wir sollten es mal mit einer Kollaboration probieren. Ich war sofort dafür. Dann haben wir es direkt Jason von FEVER333 geschickt und seine Strophe inspirierte dann mich zu meiner Strophe. Er hat das Niveau ganz schön hoch gesetzt und ich musste mir einiges einfallen lassen, um mitzuhalten. Als es dann zum Refrain kam, musste noch jemand mit einer tiefen Range und einem bestimmten Vibe her. Sueco war schon öfter im Gespräch, also schrieben wir ihn einfach an. Er war sofort Feuer und Flamme und hat seinen eigenen Stil mit eingebracht. Ich liebe es, wenn Künstler etwas ganz Eigenständiges mitbringen. Die beiden sind wirklich lebende Legenden. Es sind zwei komplett unterschiedliche Welten, die da auf einem unserer Tracks aufeinandertreffen. Es ist wirklich ein dreiköpfiges Monster geworden.“