RONG KONG KOMA

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Bock auf Krawall

Quasi aus dem Nichts lag plötzlich irgendwann „Lebe dein Traum“ bei mir auf dem Schreibtisch, das Debütalbum der Berliner Band RONG KONG KOMA. Und ich war auf Anhieb begeistert von der Mischung aus Schrammelgitarren, schnoddrigen Texten und einer Stimme fast wie von Rio Reiser. Schnell stellte sich heraus, dass die Jungs schon lange keine Greenhorns mehr sind, sondern mit Bands wie DIVING FOR SUNKEN TREASURE oder HUCK BLUES schon reichlich Erfahrung gesammelt haben. Warum mit RONG KONG KOMA ein Neuanfang unausweichlich war, erklärt uns Sänger und Gitarrist Sebastian Kiefer.

Muss ich mir Gedanken über euer Verhältnis zur Bundeshauptstadt machen? Ihr habt eure erste Single „Scheiß Berliner“ getauft ...


In Berlin hat sich einfach alles krass verändert in den letzten Jahren. Wir selbst sind ja zu drei Vierteln Zugezogene und unser gemeinsamer Kiez ist seit über 15 Jahren Neukölln. Als wir hergekommen sind, war hier Brachland. Es war einfach ein schöner, wilder Ort. Man hatte hier seine Ruhe vor all den Hipstern aus Mitte, Friedrichshain oder dem Prenzlauer Berg. Aber seit einigen Jahren werden wir hier auch megamäßig gentrifiziert. Die Mieten sind explodiert, das Straßenbild hat sich verändert, das Nachtleben stirbt, weil neu zugezogene Nachbarn ihre Ruhe haben wollen. Dazu überteuerte Restaurants, Einheitsscheiße und dazwischen jede Menge Gangster, die immer Stress machen. Es ist also nicht mehr so schön in Neukölln. Deshalb mussten wir einfach mal Dampf ablassen.

Drei Viertel der Band stammen nicht aus Berlin, sagst du. Wo seid ihr her?

Unser Bassist Nils kommt aus Schweden, ist aber mit seiner Familie nach Freiburg gezogen. Er ist eigentlich Dokumentarfilmer und pendelt quasi immer zwischen Stockholm, Berlin und Freiburg hin und her. Unser Gitarrist Benjamin kommt aus Stuttgart und arbeitet an der weltberühmten Rütli-Schule in Neukölln als Sozialarbeiter. Und ich selbst stamme quasi direkt von der Schweizer Grenze, ganz in der Nähe von Schaffhausen.

RONG KONG KOMA sind ja nicht deine erste Band. Ich kenne dich schon von Acts wie DIVING FOR SUNKEN TREASURE oder HUCK BLUES. Warum jetzt die neue Band?

Damals sind wir mit DIVING FOR SUNKEN TREASURE in unser letztes Konzert quasi reingestolpert. Da ist einfach total viel schiefgelaufen. Es gab viele interne Querelen, davon haben wir uns nie richtig erholt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber schon ein komplettes neues Album fertig. Daraus ist dann die HUCK BLUES-Platte geworden. Die war aber leider nicht so erfolgreich, wie wir uns das erhofft hatten. Es war vermutlich zu schwere Kost und nicht gerade tanzbar. Durch den mangelnden Erfolg ist der Spaß auf der Strecke blieben. Das war dann für mich ziemlich anstrengend, deshalb hatte ich einfach wieder Lust auf eine Band, bei der ich einfach Dampf ablassen kann. Das hat mir sehr gefehlt. Deshalb habe ich im Oktober 2017 meinen alten Kumpel Bene gefragt, der jetzt bei ACHT EIMER HÜHNERHERZEN Schlagzeug spielt, ob wir nicht was Neues starten wollen. So sind RONG KONG KOMA entstanden. Allerdings ist Bene inzwischen wieder ausgestiegen. Er wurde durch Mike, einen echten Berliner, ersetzt. Bis wir dann einen Bassisten und einen zweiten Gitarristen gefunden haben, hat es ganz schön lange gedauert. Inzwischen sind dreieinhalb Jahre ins Land gegangen.

Wie seid ihr auf euren Sound zwischen Pop und Punk gekommen?

Für mich ist Popmusik immer ein großer Faktor gewesen. In meinen Augen wird Pop schon immer unterschätzt. Wenn man zum Beispiel an die PIXIES mit ihren tollen Melodien und Harmonien denkt. Ich selbst komme ja aus dem Bereich Jazz-Gitarre und weigere mich, Standardakkorde zu verwenden. Der Punk, der Rock’n’Roll oder der Hardcore, der da mitschwingt, gehören einfach zu unserem Lebensgefühl. Man braucht einfach auch die Härte, um schöne Harmonien in Szene zu setzen, damit sie nicht langweilig werden. Deshalb versuche ich beim Songwriting, beide Welten zusammenzuführen.

Hast du einen Bezug zu TON STEINE SCHERBEN oder Rio Reiser? Euer Sound und vor allem deine Stimme erinnern mich daran.

Wenn man sich in deutschsprachiger Musik bewegt, kommt man an TON STEINE SCHERBEN natürlich nicht vorbei. Aber das ist keine Musik, die mich schon ewig begleitet hätte oder so. Aber diesen Vergleich habe ich jetzt schon ein paar Mal gehört oder gelesen. Ich nehme das einfach als ganz großes Kompliment.

Verglichen mit dem lockeren, fast schon fröhlichen Sound sind eure Texte ja fast schon finster. Die Songs heißen „Ich war früher Mörder“, „Eine Million Seile“ oder „Der schwerste Stein“. Woher rührt diese Diskrepanz?

Ich habe immer wieder mit Depressionen oder anderen Dämonen zu kämpfen. Deshalb arbeite ich in meinen Songtexten viele Dinge auf, die ich selbst erlebt habe. Da geht um persönliche Geschichten, aber auch um viele Sachen, die in der Welt um mich herum passieren. Jeder Mensch, der ein bisschen anders ist, muss sofort wieder auf Kurs gebracht werden. Jede andere Lebensform wird immer auf Schärfste kritisiert. Das ist für mich als Künstler oft schwierig zu akzeptieren. Dass man in ein Leben gezwungen wird, dass man total schrecklich findet. Wenn man mit diesem gutbürgerlichen Leben brechen möchte, beißt man sich schnell die Zähne aus. Dazu kommen noch all die Rassisten, Faschisten und Sexisten, die sich überall breitmachen. Das verursacht in mir einfach extreme Angst. Aber dieser Kontrast zwischen Musik und Texten ist durchaus gewollt. Also quasi den Pop in den Punk zu bringen. Das ist mein Weg, die Leute zum Nachdenken zu bringen.