SCUMBAG MILLIONAIRE

Foto© by Karl Granberg

Enkel der Höllenkopter

High-Energy-Action-Punk, Flammen im Artwork, immer ein Bier in der Hand: SCUMBAG MILLIONAIRE wirken wie eine typische Schwedenrock-Band kurz vor der Jahrtausendwende. Vor zwei Jahren haben die Jungs aus Göteborg ihr Debütalbum „Speed“ veröffentlicht, jetzt haben sie den Nachfolger „Poor And Infamous“ fertig. Gitarrist Max L Rose, erklärt uns, warum sie trotzdem anders sind als Bands wie HELLACOPTERS oder BACKYARD BABIES.

Bist du großer Fan von GUNS N’ ROSES, weil du dich Max L Rose nennst?

Ich habe sie zum ersten Mal live gesehen, als sie vor zwei Jahren in Göteborg gespielt haben, und ich war nicht sonderlich beeindruckt. Das ist ziemlich cheesiger Rock’n’Roll. Ich mag es dreckiger und rauer. Punk’n’Roll eben. Ich fand den Gag mit dem Namen einfach cool, aber keiner nennt mich so. Eigentlich hasse ich Axl Rose.

Ihr habt euer neues Album mit Produzent Tomas Skogsberg aufgenommen. Wie wichtig war euch die Zusammenarbeit?
Wir haben von der befreundeten Band THE DRIPPERS gehört, dass sie ihr Debütalbum mit ihm aufgenommen haben. Wir waren überrascht, dass es überhaupt möglich war, mit ihm zu arbeiten. Der Mann ist eine Legende in Schweden, er hat schon mit HELLACOPTERS, BACKYARD BABIES oder PETER PAN SPEEDROCK gearbeitet. Wir haben ihn kontaktiert und er hat sofort zugesagt. Wir hätten das Album auch gut wieder mit Micke Nilsson aufnehmen können, der schon unser Debütalbum betreut hat. Aber Tomas ist ein super Typ, es machte großen Spaß, mit ihm zu arbeiten.

Bekannt ist Tomas Skogsberg für den sogenannten Stockholm-Sound, weil er all die schwedischen Death-Metal-Bands wie ENTOMBED oder DISMEMBER produziert hat. Wie viel Stockholm-Sound steckt jetzt in eurer Platte?
Der Sound ist ziemlich rau und verzerrt, so wie die frühen HELLACOPTERS-Platten geklungen haben. Das ist vielleicht ein Bezug zum Death-Metal-Sound, der ihn berühmt gemacht hat. Ich kenne mich mit Effektgeräten zu wenig aus, um zu erklären, wie er das macht, aber wir sind sehr glücklich mit dem Stil des Albums.

Seid ihr noch mit eurem schwarz-goldenen Chevy unterwegs? Oder habt ihr den schon verschrottet? Der ist ja eine Art Markenzeichen für euch.
Wir haben den Van gekauft, als wir die Band gegründet haben. Fünf Jahre später ist er eine totale Schrottkarre und riecht ganz furchtbar, weil wir zum Rauchen nie anhalten. Wir müssen ihn aber weiter fahren, obwohl er in einem fürchterlichen Zustand ist, weil wir dieses Auto einfach lieben. Diesen Sommer hatten wir wegen Corona jede Menge Zeit, die haben wir genutzt, um den Motor komplett zu überholen. Die Leute hier erkennen uns sofort, wenn sie den Van sehen, und sie hören uns, selbst wenn wir noch ein paar Häuserblocks entfernt sind.

Es gab dazu sogar einen Artikel in einer deutschen Tageszeitung, nachdem ihr von der Polizei auf der Autobahn angehalten wurdet.
Ja, das war letztes Jahr auf dem Weg zum Deichbrand-Festival. Sie haben alle Zufahrtswege besetzt und jedes einzelne Auto nach Drogen durchsucht. Wir sind noch nie in einem Land von der Polizei angehalten worden, immer nur an der Grenze. Sie haben aber nichts gefunden, wir hatten unsere Drogen zu gut versteckt. Haha.

Wie war es für euch als Band aus Göteborg, in Stockholm ins Studio zu gehen. Gibt es eine Rivalität zwischen den Städten?
Die gibt es tatsächlich. Aber das Studio ist zum Glück nicht direkt in Stockholm, sondern ein paar Kilometer außerhalb auf dem Land. Wir mussten also nicht einen Monat lang in Stockholm bleiben. Wir wären wahrscheinlich verrückt geworden. Das wäre nicht gut ausgegangen. Die Leute dort sind immer so gestresst und unfreundlich, in Göteborg sind die Menschen viel entspannter und unterhalten sich auch mal. Das ist ein typisches Hauptstadtphänomen, schätze ich.

Ich war vor zwei Jahren im Rahmen eines Familienurlaubs in Göteborg und habe da einen tollen, alten Plattenladen gefunden.
Das war bestimmt Bengans Record Store, da wohne ich gleich ums Eck. Ein legendärer Laden, den gibt es seit den Siebzigern. Die verkaufen ziemlich viel Vinyl, deshalb verbringen wir viel Zeit dort. Alle in der Band sind totale Platten-Nerds. Wir sammeln alle, deshalb ist uns der Laden sehr wichtig.

Ihr habt selbst in den letzten Jahren rund zwanzig Vinyl-Singles veröffentlicht. Auch vom neuen Album gibt es die Songs „Ain’t no doubt“ und „Inferno“ als Singles. Warum mögt ihr dieses Format?
Ich weiß, es ist total verrückt. Schon ein paar Wochen nach der Bandgründung haben wir unseren ersten Song „Full speed go“ als Single veröffentlicht und das haben wir beibehalten. Wenn wir eine neue Band entdecken, dann kaufen wir auch alles von denen. Die Singles sind also Liebhaberstücke, die die Fans sammeln können. Das macht einfach Spaß.

Euer Sound erinnert stark an die skandinavischen Rockbands der späten Neunziger wie HELLACOPTERS oder GLUECIFER. Fühlt ihr euch mit denen verbunden oder seht ihr euch als nächste Generation?
Wir kennen diese Jungs nicht persönlich. Wir leben im Hier und Jetzt und versuchen, etwas Neues auf die Beine zu stellen. Aber natürlich sind wir von diesen ganzen großartigen Bands beeinflusst. Ich habe die HELLACOPTERS seit ihrer ersten Reunion-Show bestimmt vier oder fünf Mal live gesehen und auch GLUECIFER habe ich mir angeschaut. Und natürlich TURBONEGRO, obwohl die nie wirklich weg waren. Ich hatte vorher ein bisschen Angst, dass ich von den HELLACOPTERS enttäuscht werde, aber sie haben alles weggeblasen. Es war eines der besten Konzerte, die ich je gesehen habe.

Wie unterscheidet sich euer Sound vom dem der HELLACOPTERS?
Man kann uns eigentlich nur mit den frühen HELLACOPTERS vergleichen und der große Unterschied ist, dass sie ihre Instrumente einfach besser beherrschen als wir. Wir sind mehr Punk. Normales Rock-Publikum hält uns wahrscheinlich für eine Hardcore-Band. Das liegt vielleicht auch an der Stimme von unserem Sänger Max Fiasko. Wir sind nicht so melodisch wie die HELLACOPTERS. Wir klingen viel rauher, eher wie MC5 oder die STOOGES. Immer in einem Tempo, dass du die Musik gut im Auto hören und dich gut fühlen kannst.

Wie sieht der Rest des Jahres für euch aus? Da kann man ja nicht viel planen.
Alle unsere Pläne wurden auf den Kopf gestellt. Dreißig Shows von uns wurden schon abgesagt oder verschoben. Deshalb versuchen wir, unsere Zeit anders zu nutzen. Wir schreiben schon wieder neue Songs, obwohl wir gerade erst aus dem Studio kommen. Wir hatten uns mental schon auf die Bühne eingestellt, aber jetzt gehen wir erst mal wieder in den Proberaum. Es gibt also momentan keine großartigen Pläne.