TEAR THEM DOWN

Foto© by Band

Melodic Punk der alten Schule

So wie TEAR THEM DOWN mit der EP „This Is A Mutiny“ 2011 geschätzte 15 Jahre zu spät kamen, um via Burning Heart Records reich (und sexy) zu werden, so kommt auch das erste Ox-Feature mit leichter Verspätung. Aber sei’s drum: die vier Schweden waren in der Zwischenzeit nicht untätig, haben einige gelungene EPs veröffentlicht, hunderte Gigs gespielt, Besetzungswechsel überstanden und geben mit dem kürzlich via Bakraufarfita Records veröffentlichten Album „Dystopian Beats“ gnadenlos Gas: ultrarasanter Melodic Punkrock mit mächtiger Hardcore-Kante. Energie trifft auf Esprit, und jetzt ist die Zeit, dieses Quartett endlich zu entdecken. Mit Bandleader Viktor (gt, voc) treffe ich mich zur virtuellen „Fika“, der schwedischen Kaffeepause.

Das neue Album ist endlich da. Zufrieden? Lieblingssongs? Warum so dystopisch?

Ich kann ehrlich sagen, dass dies unsere mit Abstand beste Veröffentlichung ist. Seit wir vor ein paar Jahren einen Besetzungswechsel hatten und Oskar zur Band gekommen ist, hat sich unsere Musik ein wenig in Richtung eines düsteren Hardcore-Sounds entwickelt, aber immer noch mit dem Sinn für Melodie, den wir so lieben. Melodic Punk der alten Schule, haha. Ich denke, dass wir auf der ersten EP „This Is A Mutiny“ schon nahe an dem dran waren, wo wir hinwollten, aber mit diesem Album hat sich endlich alles zusammengefügt. Außerdem haben wir uns viel Mühe mit dem Artwork gegeben, das durch einen großartigen Künstler und Freund von uns, Nicolei, der auf den Namen NMAAR hört, gestaltet wurde. Einige meiner Favoriten sind „Total control“, „Wasting“ und „This won’t end well“, weil es einfach coole und prägnante Songs sind und es wirklich Spaß macht, sie live zu spielen. Die dystopische Stimmung ist durch den aktuellen Zustand der Welt begründet, und viele der Inspirationen für die Songs stammen daher. Leider. Ich meine, die USA haben gerade Roe vs. Wade verworfen, also das verbriefte Recht auf Abtreibung abgeschafft, und den restlichen Wahnsinn kennen wir alle ...

Du sagst es. Daher gleich mal offensiv gefragt: Schweden wird bald NATO-Mitglied sein. Zeitenwende. Deine Meinung dazu?
Die NATO ist ein wirklich polarisierendes Thema. Ich denke, auch wenn in unserer westlichen Welt und in Schweden eine Menge Scheiße passiert, haben wir zumindest Meinungs- und Redefreiheit, die Freiheit zu protestieren und all die Dinge, die wir in einer modernen Gesellschaft als selbstverständlich ansehen. Dann marschiert ein Diktator in ein anderes europäisches Land ein und natürlich bekommen die Menschen Angst und fühlen sich in ihren Werten bedroht. Ich denke, es ist eine harte Pille, die wir schlucken müssen, wenn wir Soldaten in die Kriege anderer Menschen schicken müssen. Es sind in der Tat schwierige Zeiten.

Zurück zu unserem Rettungsanker Punkrock. Nach dem Corona-Lockdown-Modus wieder live und laut zu spielen, ist sicher etwas Besonderes, oder?
Live zu spielen ist der Grund, warum wir die Band gegründet haben, also ist es ein großartiges Gefühl, wieder auf die Bühne gehen zu können und ohne Einschränkungen zu spielen. Wir haben schon ein paar Shows in Schweden und im Ausland gehabt, aber wir können es kaum erwarten, richtig auf Tour zu gehen. Booker und Promoter – meldet euch und wir kommen!

Die neue Platte hat einen sehr oldschooligen und robusten Sound. Zufall oder bewusste Entscheidung?
Es war unsere Absicht, ein wenig zu den Wurzeln zurückzukehren, aber am Ende des Tages schreiben wir das, worauf wir in diesem Moment Lust haben, wir denken nicht in Kategorien wie „wir müssen diese oder jene Art von Song schreiben“. Wenn man zu viel darüber nachdenkt, wird das Schreiben, zumindest für mich, nachlässig. Wir haben das Album bei Welfare Sounds aufgenommen mit Per Ståhlberg, der auch bei DIVISION OF LAURA LEE und PABLO MATISSE spielt und sich mit Punkmusik bestens auskennt. Und er hat uns wirklich geholfen, das Beste aus den Songs und den Ideen, die wir für den Sound hatten, herauszuholen. Wir werden älter, aber nicht langsamer, das ist sicher. Die Resonanz auf das Album war bisher großartig, also werden wir uns weiter anstrengen, neues Material zu schreiben, und versuchen, inzwischen so viele Shows wie möglich zu spielen.

In welchen Städten oder Ländern hattet ihr eure bisher besten oder verrücktesten Gigs?
Wir hatten überall verrückte Gigs und oft ist es am denkwürdigsten an seltsamen Orten, die sich als großartig erweisen, wenn man es am wenigsten erwartet. Wir haben einmal auf einer Bühne gespielt, die aus einem Container gebaut war, auf einem Punk-Bauwagenplatz in Oldenburg, das hat nicht jede Band gemacht, und die Show war wirklich cool! Normalerweise haben die verrückten Orte ein verrückteres Publikum und das bedeutet normalerweise lustige Shows, auch wenn das ganze Equipment danach mit Bier bespritzt ist. Um ein bestimmtes Land zu nennen: wir hatten eine wirklich gute Zeit, als wir vor ein paar Jahren in Japan gespielt haben. Alle Shows waren großartig und die Leute waren wirklich begeistert von der Musik, eine wahnsinnig tolle Zeit! Das Seltsame war, dass die beste Show von allen an einem Sonntag stattfand, aber sie sagten uns, dass sich alle darauf geeinigt hatten, den Montag freizunehmen, um eine große Party zu feiern. Das war krass!

Punkrock und das echte Leben. Auf den ersten Blick zwei Welten, um ehrlich zu sein. Wie viel Punk-Spirit prägt dein tägliches Leben, wie bekommst du beides zusammen?
Am schwierigsten ist es, wenn man von einer Tournee zurück zur Arbeit kommt und sich darauf einstellen muss, jetzt keine neuen Leute mehr zu treffen und jeden Abend das zu tun, was man am meisten liebt. Auf die eine oder andere Weise nimmt man die Punk-Mentalität jedoch mit in den Alltag. Sich eine geistige Offenheit zu bewahren und Autoritäten in Frage zu stellen, kann bei der Arbeit echt nützlich sein, und wird zumindest bei der schwedischen „Fika“ immer zu besonders interessanten und angeregten Diskussionen führen, haha.

Welche Bands haben dich zum Punkrock gebracht und welche haben dich schließlich dazu motiviert, selbst eine zu gründen?
Meine Beziehung zur Musik änderte sich, als ich mit etwa 14 Jahren GREEN DAY hörte. Meine Mutter arbeitete als Opernsängerin und mein Vater spielte Jazztrompete. Als ich aufwuchs, fühlte sich die Musik, die ich zu Hause hörte, ziemlich elitär an und war nicht wirklich zugänglich. Als ich dann anfing, GREEN DAY zu hören und lernte, ihre Songs auf der Gitarre zu spielen, eröffnete sich mir eine neue Welt: Du kannst Songs mit drei Powerchords schreiben und sie klingen so gut? Dann habe ich angefangen, mit ein paar Freunden zu jammen, aber es war nichts ernstes. Ich weiß noch, wie unser Bassist Jonte und ich uns einige Jahre später die Doku „Do You Remember?“ über die BOUNCING SOULS angesehen haben und mir klar wurde: Mann, wenn diese vier Freunde um die Welt reisen können, warum nicht auch wir? Einige Monate später gingen wir auf unsere erste selbstgebuchte Tour durch Europa und haben immer nur nach vorne geblickt.

Wenn ihr es euch aussuchen könntet, mit welcher Band würdet ihr gerne mal die Bühne teilen und wo? Favorit für eine gemeinsame Tour?
Wenn ich in diesem Universum irgendeine Art von Macht hätte, würde ich dafür sorgen, dass FUGAZI aus ihrer Pause zurückkommen und bei uns spielen, damit ich die Chance bekomme, sie live zu sehen. Sie können sich ihre Lieblings-DIY-Location aussuchen. Egal wo, Hauptsache sie spielen. Was die aktiven Bands angeht, mag ich besonders, was TURNSTILE im Moment auf die Bühne bringen, also wäre es großartig, mit ihnen auf Tour zu gehen. Frag doch mal an, haha.

Wird direkt weitergeleitet ... Schlussrunde: Message an die Leser:innen?
Meine Botschaft ist klar – ich hoffe, wir sehen uns auf der Straße und in den Clubs und wenn ihr es noch nicht getan habt, hört euch unser neues Album an, ihr werdet nicht enttäuscht sein! Versprochen.