UNEARTH

Foto© by Mezgarth

Es muss sich was ändern

Mit „The Wretched; The Ruinous“ legen die Metalcore-Veteranen aus den USA ihre neue Scheibe vor. Ein Gespräch mit Frontmann und Sänger Trevor Phipps über Schreibblockaden, 25 Jahre auf sechs Kontinenten und den Klimaschutz.

Euer achtes Studioalbum steht in den Startlöchern. Du hast letztens gesagt, dass du nach der schlimmen Phase der Pandemie Probleme mit der Kreativitätsfindung hattest. Wie genau hast du den Schalter umgelegt?

Am Anfang war es erst nicht so schwer, weil sich einiges an Ideen und Textfragmenten angesammelt hatte. Aber irgendwann hatte ich echt eine richtige Schreibblockade. Ich saß zwei Monate in meinem Zimmer mit Block und Stift, und ich habe nichts zu Papier bringen können. Das war furchtbar. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich einfach nur wiederhole. Aber ich dachte mir: Verdammt, du musst jetzt dringend irgendwas liefern. Also habe ich es jeden Tag weiterprobiert. Und irgendwann hat es dann glücklicherweise plötzlich funktioniert. Diese echt stressige Zeit hat meiner Meinung nach dann auch dafür gesorgt, dass ich das Beste aus der Sache rausholen konnte. Meine Beharrlichkeit war am Ende der Schlüssel.

Mit Gitarrist Ken Susi hat euch nach vielen Jahren ein Gründungsmitglied verlassen. Wer wird den Job künftig übernehmen?
Der Erste, den wir angerufen haben, war Peter Layman. Er unterstützt uns gerade auch schon auf Tour. Witzigerweise sollte er schon 2005 bei uns anfangen. Damals hatte Buz ein lukratives Jobangebot. Er ist nur geblieben, weil es mit der Band so gut lief. Dennoch hat Peter damals schon ein paar Shows mit uns gespielt. Er ist ein echter Tourveteran und war schon immer ein unfassbar talentierter Gitarrist. Vor allem aber ist er ein wundervoller Mensch. Einfach einer der nettesten Typen, die man kennen lernen kann. Wir haben ihn angerufen. Und er hatte Zeit!

Viele Fans waren dennoch geschockt, als sie von Kens Abschied erfahren haben.
Völlig zu Recht. Ken war fast 25 Jahre in der Band. Er wird für immer Teil unserer Geschichte sein, und er ist nach wie vor unser Bruder. Aber manchmal lebt man sich einfach auseinander. Es gibt kein einziges schlechtes Wort zu sagen. Es war einfach nur an der Zeit, dass sich die Wege trennen. Nicht mehr und nicht weniger. Wir wünschen Ken alles erdenklich Gute, ist doch klar.

Ebenfalls seit kurzem wieder dabei ist Drummer Mike Justian, der bereits vor vielen Jahren bei euch hinter den Kesseln saß ...
Seine Rückkehr hatte einen signifikanten Einfluss auf alles. Vor allem haben wir erkannt, was für ein riesiger Faktor Mike für unsere Live-Show ist. Wir haben ihn damals, im Jahr 2003, nicht nur in Band geholt, weil er ein unfassbar guter Drummer, sondern weil er einfach ein überragender Performer ist. Gleich bei der ersten Show, die er mit uns gespielt hat, ist er dann irgendwo von oben auf den Speakern runter auf seinen Drumsessel gesprungen. Er ist einfach komplett verrückt. Und verdammt! Wir haben ihn echt vermisst. Als wir uns 2007 von ihm getrennt haben, waren wir alle in unseren Zwanzigern und unreife Typen. Es gab ein bisschen Drama. Wir hätten das sicher auch anders handhaben können. Egal, das ist Geschichte. Nun ist es eine Riesenfreude, ihn zurückzuhaben.

Inhaltlich beschäftigst du dich in deinen Texten mit der Klimakrise und der fortwährenden Umweltzerstörung. Was hat den Ausschlag dafür gegeben?
Das war schon immer mein Thema. Auf jedem unserer bisherigen Alben gab es immer mindestens einen Song, der sich mit der Problematik auseinandergesetzt hat. Als Anfang Januar 2020 dann aber gefühlt ganz Australien in Flammen stand und durch die verheerenden Waldbrände unfassbar viele Tiere gestorben sind, hat es das Fass für mich zum Überlaufen gebracht. Wir Menschen sind schuld an dieser Misere. Und wir müssen dringend etwas tun. Wenn wir die Natur vernichten, werden wir irgendwann selber keinen Lebensraum mehr haben. Menschen werden sich um das letzte Essen prügeln, es wird Kriege geben. Das gilt es zu verhindern. Alle Wissenschaftler schlagen seit Jahren Alarm, dass es so nicht weitergehen kann. Aber die Politik ist einfach nicht konsequent. Ich habe selbst zwei kleine Kinder. Und ich möchte diese Welt nicht in diesem Zustand an sie übergeben. Es ist einfach nicht fair.

Was tust du persönlich für den Umweltschutz?
Jeder kann etwas tun. Das geht mit Mülltrennung los. Oder damit, dass man sich ein Auto kauft, das nicht komplett überdimensioniert ist und literweise Sprit säuft. Du kannst auch, wenn du die Möglichkeit hast, selber Gemüse und Obst zu Hause anpflanzen. Ich selbst esse heute viel weniger Fleisch als früher noch. Dabei bin ich damit ja quasi aufgewachsen, dass es jeden Tag Fleisch gibt. Ich will niemanden bekehren. Aber Massentierhaltung ist einfach beschissen. Sowohl für uns als auch für den Planeten. Außerdem gilt es, unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen endlich zu beenden. Das muss die Politik jetzt einfach angehen. Es ist völlig okay, sich über andere politische Themen und Ansichten ausgiebig zu streiten. Aber das ist alles unwichtiger Kleinkram. Der Klimaschutz muss jetzt endlich das große gemeinsame Ziel sein.

Hast du noch Hoffnung, dass der Mensch den Planeten Erde als Lebensraum retten kann?
Ja, die habe ich. Es gibt ja mittlerweile auch sehr viele Leute, die sich weltweit engagieren. Noch nicht genug, aber viele. Und es hat sich gezeigt: Wenn wir die Natur vom Müll befreien und einfach mal in Ruhe lassen, dann kann sie sich langfristig auch regenerieren. Das Problem ist nur: Wir müssen endlich mal damit anfangen.

25 Jahre, acht Alben. Auf was bist du persönlich stolz? Und welche Entscheidungen in eurer Karriere bereust du womöglich heute?
Wir haben immer weitergemacht und uns nie unterkriegen lassen. Wir haben auf sechs Kontinenten gespielt und eine internationale Karriere hingelegt. Wir haben sicherlich nie die allerhöchste Stufe der Leiter erklommen, sind letzten Endes wohl eher eine Band in Club-Größe. Aber das ist okay. Weil wir schon immer Musik schreiben wollten, die uns selber gefällt. Und weil wir unserem Sound und unserer Attitüde immer treugeblieben sind. Sicher gibt es viele Dinge, die man rückblickend lieber anders gemacht hätte. Andererseits: Nach 25 Jahren sind wir immer noch da. Und starten bald die nächste Tour. Das ist doch eigentlich mehr als genug, oder?