VERSUS THE WORLD

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Punkrock-Dads

Normalerweise werden Punks ja nicht alt, oder? Wie man dennoch in Würde altern kann, zeigen die Kalifornier VERSUS THE WORLD auf ihrem vierten Album. Irgendwo zwischen Punkrock und Pop geht es um Familie, Erwartungen und Hoffnung. Mit Chris Flippin von LAGWAGON ist sogar echte Punkrock-Prominenz mit an Bord. Im Interview spricht Gründungsmitglied Donald Spence über das neue Album „The Bastards Live Forever“, seine Kinder und darüber, dass niemand so Party machen sollte wie er.

Die acht Jahre, die seit der Veröffentlichung eures letzten Albums „Homesick/Roadsick“ verstrichen sind, haben sich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt. Jetzt seid ihr mit einem Banger zurück und man kann sagen, dass in der Zwischenzeit einiges passiert ist. Inwieweit haben die letzten Jahre euch und eure Musik, die ja oft von Herzschmerz, Verlust und Widerstandsfähigkeit handelt, beeinflusst?

Uns erschien es tatsächlich gar nicht so lange, aber verdammt, du hast recht. Auf uns als Band hat das Leben immer einen direkten Einfluss, das kenne ich auch gar nicht anders. Auf diesem Album habe ich mich wahrscheinlich an manchen Stellen zu direkt ausgedrückt, so dass die Leute, über die ich singe, definitiv erkennen werden, dass es um sie geht.

Kannst du mir etwas über den Entstehungsprozess von „The Bastards Live Forever“ sagen? Habt ihr dieses Mal etwas Neues ausprobiert? Hat euch die Pandemie dazu gezwungen, neue Wege zu beschreiten?
Wir haben zweimal angefangen, dieses Album zu schreiben. Die Songs, die wir nach der Tour zu „Homesick/Roadsick“ geschrieben haben, haben uns irgendwie nicht gecatcht – wir haben kein Feuer gefangen. Dann kam die Pandemie und wir haben alles erst mal auf Eis gelegt. Irgendwann haben Toni Caraffa und ich den Fokus wiedergefunden und eine Menge Arbeit in die Vorproduktion gesteckt. Als wir mit den Demos fertig waren, sind wir quasi Produzenten shoppen gegangen und haben uns auf die Suche nach Studios gemacht, in denen wir aufnehmen wollten. Schließlich haben wir uns für Cameron Webb entschieden, der meiner Meinung nach das Album erst zu dem hat werden lassen, das es jetzt geworden ist. Ich würde behaupten, dass darauf die besten Songs zu hören sind, die wir je geschrieben haben.

Lass uns über den doch recht provokanten Albumtitel sprechen. In welcher Beziehung stehen dazu das Artwork und die Fotos, auf denen ihr mit euren Vätern zu sehen seid?
Genau, das Coverdesign zeigt mich und meine Eltern. Die Fotos, die zu sehen sind, zeigen uns als Kinder und folgen damit dem roten Faden des Albums. Ich habe selbst Zwillinge bekommen, bin geschieden und schreibe dieses Mal sehr direkt über diese Dinge und wie ich versuche, damit umzugehen und das alles zu verarbeiten.

Eure Musik lässt sich in erster Linie mit Punkrock beschreiben, hat aber immer wieder auch poppige Ansätze in den Melodien und Refrains. Wie schafft ihr es, diese beiden Elemente in eurer Musik auszubalancieren?
Ich bin mir nicht sicher, ob es eine durchdachte Balance ist. Tony und ich haben eine sehr offene Art, Songs zu schreiben, bei der sich die Musik in die Richtung entwickelt, in die wir sie fließen lassen wollen. Sie klingen deshalb nach Punkrock, weil wir Punkrock lieben. Und ist es nicht so, dass es super schwierig ist, gerade die Melodien und Refrains gut klingen zu lassen? Wie schafft man es, etwas catchy, aber gleichzeitig auch nicht zu cheesy klingen zu lassen, oder clever, ohne dabei hochnäsig rüberzukommen? Aus diesem Grund ist es wichtig, einen Partner beim Schreiben zu haben – oder einen Produzenten. Am besten ist es natürlich, wenn du beides in einer Person vereinen kannst. Da kann man sich dann die Ideen hin und her spielen und am Ende kommt das Beste dabei raus.

Was habt ihr für Hoffnungen und Erwartungen bezüglich der Reaktionen eurer Fans auf „The Bastards Live Forever“?
Ich bin der Meinung, dass man erst mit sich und seinem Werk zufrieden sein soll, wenn man sich sicher sein kann, dass am Ende die besten Songs dabei herauskommen, die möglich sind. Ansonsten sollte man sich besser neue Inspirationen suchen. Ich bin wirklich davon überzeugt, dass „The Bastards Live Forever“ das beste VERSUS THE WORLD-Album ever ist. Natürlich möchte ich, dass die Leute, die sich unsere Musik anhören, auch eine Beziehung dazu aufbauen können. Mein Leben geht aber auch weiter, wenn jemand nicht so begeistert davon ist. Meinst du, die Jungs bei WEEZER geben einen Scheiß darauf, ob du seit „Maladroit“ keine Platte mehr von denen gut fandest? Nee ... Ich liebe es, Musik zu machen. Solltest du die Musik, die wir machen, ebenfalls mögen, fühle ich mich geehrt und bin dankbar.

Lass uns vielleicht kurz über eine aktuelle Sache sprechen, die immer mehr Einfluss auf unser Leben hat: Wie stehst du im Rahmen von Kunst und Musik zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz? Sie würde sicher dabei helfen können, „den perfekten Song“ zu schreiben, oder?
Puh, keine Ahnung. Ich bin diesbezüglich leider überhaupt nicht auf dem Laufenden. Ich kann dir aber sagen, dass ich DJs aus dem Grund nicht mag, weil sie keine „echten“ Instrumente verwenden. Deswegen kann ich dieser ganzen künstlichen Angelegenheit auch rein gar nichts abgewinnen.

Lass uns noch mal zu Cameron Webb zurückkommen. In der Vergangenheit hat er schon mit MOTÖRHEAD und MEGADETH zusammengearbeitet. Kannst du etwas ins Detail gehen und beschreiben, wie es war, mit ihm an der Musik zu arbeiten?
Cameron ist wundervoll. Ich hatte eine unfassbar gute Zeit mit ihm. Selten habe ich jemanden erlebt, der bei jedem Part eines Projekts so fokussiert war. Als der Tag kam, an dem die Vocals aufgenommen wurden, haben wir da echt Stunden reingesteckt. Jede noch so kleine Idee, die wir hatten, haben wir ausprobiert. Zeit war uns komplett egal. Ich freue mich schon darauf, das nächste Mal wieder mit ihm zusammenzuarbeiten.

„Going out for smokes“, also kurz Zigaretten holen gehen – und zehn Jahre später plötzlich wieder vor der Tür stehen? Man hat ja schon davon gehört, dass sich Väter einfach aus dem Staub gemacht haben. Wie kann ich mir VERSUS THE WORLD als Dads vorstellen?
Ich habe mit meinen Zwillingen eine abgefahren gute Zeit. Darüber hinaus bin ich auch total stolz auf die anderen Jungs in der Band. Sean ist der Einzige von uns, dessen Sprössling schon erwachsen ist. Der Rest hat kleine Kids, und es macht wirklich Spaß. Ich weiß, dass irgendwann auch mal Stress auf uns zukommen wird, auf den niemand von uns vorbereitet ist. Davon handelt das Album auch zum Großteil. Ich werde es definitiv nicht wie mein Vater machen. Ich bin hier und ich werde immer für meine Kids da sein.

Lass uns vielleicht noch über das Musikvideo zu dem Song sprechen. Ich finde, dass es fast schon ein cineastisches Format hat.
Dieses Video stammt aus der Feder unseres Freunds Dan Reser. Davor war es Mike Carlson. Wir haben immer eine ungefähre Idee, in welche Richtung wir gerne gehen wollen. Den Rest überlassen wir aber den entsprechenden Experten. Dabei reden wir von einem Medium, bei dem ich gar nicht erst so tun müsste, als hätte ich Ahnung. Wir haben das Glück, dass wir talentierte Künstlerinnen und Künstler aus dem Bereich kennen, die wir schätzen und denen wir vertrauen können.

Würdest du deinen Kindern erlauben, Gras zu rauchen oder so heftig Party zu machen wie du, als du noch jung warst? Oder bist du ein eher strenger Vater?
Erlauben? Wer weiß. Menschen entwickeln sich so, wie sie sich entwickeln, und es wäre naiv zu denken, dass es anders läuft. Ich hatte sehr strenge Eltern und – jetzt kommt’s – ich bin ein Arschloch geworden. Hahaha. Ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage, dass niemand so Party machen sollte, wie ich es getan habe und zum Teil immer noch tue. Langfristig betrachtet ist das echt ungesund.

Seit eurer Gründung hattet ihr einige Besetzungswechsel. Der Kern der Band ist jedoch derselbe. Was bringt ihr individuell mit in die Band und wie arbeitet ihr als „Einheit“ zusammen?
Wir sind ein großartiges Team und du kannst schon vermuten, was jeder Einzelne so dazu beiträgt. Jeder von uns ist schon recht lange als Musiker unterwegs. Ein paar von uns haben die Szene sogar so stark geprägt, dass sie jetzt so ist, wie sie ist. Ich bin froh, dass wir uns auf dem Weg irgendwo gefunden haben. Zusammen mit Tony Songs zu schreiben, ist eine wirklich coole Sache, und Flip, Sean und Pat dabei zu haben, war die Grundlage für das meiner Meinung nach beste Album, das wir jemals aufgenommen haben.