VON TRAMPS

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Wachgerüttelt

THE VON TRAMPS haben sich gesucht und gefunden – und zwar ganz im Stil des digitalen Zeitalters, denn das Trio hat sich über das Internet kennen gelernt. Jetzt ist die Band aus den USA via Sbäm Records mit ihrem zweiten Album „Go“ zurück. Im Interview erzählt uns Frontfrau Jenna Enemy, die auch als Schauspielerin, Designerin, Autorin und Filmemacherin aktiv ist, wie ihr neues Album entstanden ist, und was es mit den Neunziger-Vibes auf sich hat. THE VON TRAMPS sind außerdem Chelsea Oxborough (Gitarre) und Krissandra Anfinson (Bass).

Ich finde euren Style richtig cool – das ist so eine Mischung aus Neunziger-Fashion und Punk. Ist das etwas, worauf ihr als Band achtet, so eine Art „Bühnenoutfit“?

Ich liebe Kleidung, und ich bin froh, dass du das bemerkt hast. Mein Kleiderschrank ist voll mit Vintage-Klamotten, Sachen, die ich in Secondhand-Läden gefunden habe, Band-T-Shirts und Designerstücken. Meine Mode ist ein bisschen Sixties-Mod, Nineties Skater, BEACH BOYS-Boho, „Girls-just-wanna-have-fun“, und Pee-wee Herman.

Ihr habt mit Sbäm Records jetzt auch eine neue Label-Heimat gefunden. Wie ist der Kontakt zustande gekommen?
Irgendwie sind Sbäm in meine DMs in den sozialen Medien gerutscht, und das war das Beste, was uns als Band je passiert ist. Ich glaube, dass Networking in dieser Branche eine große Rolle spielt, und mit Hilfe des Internets sind wir jetzt in der Lage, Leute nach ihren Interessen und nicht nach ihrem Standort zu finden; die nächstgelegene Gelegenheit ist nicht immer die beste Gelegenheit. Wir wussten, dass wir bei diesem Album die Unterstützung eines Labels wollten, und es ist ein gutes Gefühl, in einem Teich mit Fischen zu schwimmen, die genauso sind wie wir – auch wenn dieser Teich 5.000 Meilen von uns entfernt ist. Es ist wirklich eine großartige Beziehung, und das Sbäm-Team ist eines, das seine Künstler wirklich unterstützt.

Der Albumtitel, „Go“, klingt nach einer Menge aufgestauter Energie, die jetzt endlich rausmuss. Nutzt ihr das neue Album, um euch nach dem langen Lockdown mal wieder auszutoben?
Ja, und die Hörer sollten das auch! Dieses Album wurde von der Dynamik inspiriert: Wohin werden wir gehen, wenn wir gehen können? Ich glaube, die Pandemie hat uns gerade genug Zeit gegeben, darüber nachzudenken, was wichtig ist. Es gab eine Menge Trennungen und die Leute haben große Veränderungen vorgenommen. Aktuell findet eine ganze Arbeitsrevolution statt, da die Leute langsam ihren Wert erkennen. „Go“ ist das Album, das all das anspricht, und ich hoffe, dass es die Hörer:innen dazu inspiriert, das zu tun, wovon sie träumen.

Du erklärst zu eurem Album, dass die Pandemie dazu geführt hat, dass du den eigenen Alltag reflektieren konntest und festgestellt hast, dass das Alltägliche die Seele gefangen nehmen kann – was tust du, um dagegen vorzugehen? Um dich nicht im Alltag zu verlieren?
Es ist schon seltsam, dass es eine weltweite Pandemie braucht, um uns wachzurütteln, aber genau das hat sie bei uns bewirkt. Die Pandemie ließ uns fragen: Wenn nicht jetzt, wann dann? Und wenn nicht wir, wer dann? Es gibt buchstäblich niemanden, der dich daran hindert, das zu bekommen, was du willst, außer dir selbst. Das ist etwas, das wir gelernt haben. Das Schlimmste, was jemand sagen kann, wenn man ehrlich um das bittet, was man will, ist „Nein“, und in diesem Fall ist man nicht besser oder schlechter dran als vorher. Also dachten wir, warum nicht versuchen? Warum nicht fragen? Warum nicht an jede Tür klopfen, die wir kennen und die zu einer Gelegenheit führen könnte? Die meisten sind davon überzeugt, dass sie ihre Ziele nicht erreichen können, was immer die auch sein mögen. Ich bin hier, um zu sagen, wenn ihr es wirklich wollt, könnt ihr es und werdet es auch. Veränderung und Wachstum sind wirklich unangenehm, deshalb geben viele Menschen ihre Träume auf und tun weiterhin die alltäglichen Dinge, die sie fürchten. Wir haben beschlossen, das Unbehagen anzunehmen, denn es bedeutet, dass wir wachsen und dass das, was auf uns zukommt, es letztendlich wert ist.

Bisher gab es mit „2AM“ bereits die erste Single vom neuen Album zu hören und auch ein dazugehöriges Musikvideo. Das hatte ziemliche Neunziger-Vibes – was war eure Idee dahinter?
Wir haben „2AM“ selbst gefilmt und geschnitten, und wir lieben es, Musikvideos zu machen. Zwei weitere Videos kamen im Februar und im März und ein paar weitere werden im Frühjahr entstehen. „2AM“ ist ein Song über den Ausstieg aus dem sich wiederholenden Muster, sich in die falsche Person zu verlieben. Der späte Telefonanruf wurde zu einem Schlüsselelement des Songwritings und des Videos, das sich auf die Natur des Mantras „Nothing good happens after 2AM“ konzentriert. Ich erinnere mich, dass wir zu Hause ein schnurgebundenes Telefon hatten, und ich vermisse die Art, wie man einen Anruf beenden konnte, indem man den Hörer auf den Apparat knallte. Ich fing an, mit diesem alten Telefon zu spielen, das ich zu Hause habe, und beschloss, dass das ein cooles Element für das Video wäre. Wir haben uns dafür entschieden, das Video in einem originalen Poolhaus aus den Sechziger Jahren zu drehen. Das Coolste an den Dreharbeiten war, dass jeder Raum zu einem eigenen Charakter wurde, mit einem ganz unverwechselbaren Aussehen. In einer Szene, in der wir auf einer riesigen Matratze inmitten eines Hallenbads schweben, gibt es auch eine kleine Anspielung auf die verrücktesten Bands von damals, wie zum Beispiel THE MONKEES.

In „2AM“ geht es außerdem um Herzschmerz. Mit welchen anderen Themen befasst ihr euch auf dem Album und woher nehmt ihr die Inspiration?
Aus dem Leben. Ich denke, Ehrlichkeit ist wichtig. Und obwohl es mir manchmal nicht leichtfällt, als Songwriterin vollkommen ehrlich zu sein, schafft es eine nahtlose Verbindung zu anderen Menschen, weil sie diese Erfahrungen auch gemacht haben. Viele Songwriter:innen stellen sich selbst als Held:innen dar oder als makellose Persönlichkeit – ich will einfach nur ehrlich sein. Manchmal bin ich eine Idiotin. Manchmal sage ich Dinge, die ich nicht so meine. Manchmal ist mein Herz gebrochen oder ich wollte einen Traum aufgeben – ich bin bei euch da draußen in den Gräben des Lebens, weil ich wie ihr bin. Ich möchte den Leuten Songs für ihr Leben geben; ihr wirkliches Leben. Ich gebe ihnen Songs, die ihnen durch Herzschmerz helfen, Songs, die sie aufrichten, um ihre Ziele zu erreichen, Songs, um ihrer Wut Luft zu machen, Songs zum Lachen – es geht wirklich um die Verbindung zu den Menschen. „Go“ ist das Album, das unsere Hörer:innen auf der ganzen Welt dazu inspirieren soll loszulegen!

Nach den ganzen High-Energy-Nummern klingt „Waking up“ als letzter Track fast ein wenig wehmütig. Warum ist ausgerechnet das euer letzter Song?
„Go“ ist ein Album über Bewegung und das Ausbrechen aus überkommenen Mustern. Auch „Waking up“ handelt vom Ausbrechen aus einem schädlichen Muster. „Waking up“ ist ein Song, den ich geschrieben habe, nachdem bei meinem Vater eine früh einsetzende Alzheimer-Krankheit diagnostiziert wurde. Mein Vater träumte immer davon, Musiker zu werden. Er gab mir bei jeder Gelegenheit die ersten Musik- und Gesangsstunden, aber mit der Zeit war er davon überzeugt, dass sein Beruf wichtiger ist als alles andere auf der Welt, und verlor alles aus den Augen, was ihm etwas bedeutetet hat – einschließlich seiner Familie. Er verbrachte sehr viel Zeit und viele Stunden damit, an einem Traum zu arbeiten, der nicht sein eigener war, in der Überzeugung, dass es das Richtige war, was er tun musste. Als er in den Ruhestand ging, war er bereit, sein Leben so zu leben, wie er es immer gewollt hatte – aber es blieb ihm keine Zeit mehr. Kurz darauf konnte er sich nicht mehr an seine Familie, seine Kunst oder an irgendetwas erinnern, das er gerne tat. Das Lied folgt einem Paar durch die Zeit und zeigt die Zerstörung einer Gesellschaft, in der die Arbeit im Vordergrund steht. Ich denke, dass viele Menschen während der Pandemie diese Erkenntnis auch hatten, und deshalb gibt es in Amerika eine große Arbeiterbewegung. Die einzige Uhr, die zählt, sind die Herzschläge, die wir besitzen. Sobald sie weg sind, sind sie weg. Deshalb ist Zeit so wichtig, und die Menschen sollten sich ihrer Zeit bewusst sein und wissen, womit sie sie verbringen. Sie ist unsere wertvollste Ressource. Man kann immer mehr Geld auftreiben, aber man kann nicht mehr Herzschläge bekommen. Man kann nicht mehr Zeit schaffen. Diese Botschaft ist uns so wichtig, dass wir beschlossen haben, dass sie das letzte sein sollte, das die Leute auf der Platte hören.