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OFF!

Free LSD

Noise, es dröhnt und dronet, ein mitschwingendes Snarefell ist auszumachen, Becken, Gitarre, Bass-Rumpeln, dann zählt nach gut einer halben Minute der neue OFF!-Drummer Justin Brown auf der Hi-Hat ein. Dimitri Coats (gt), Autry Fulbright II (bs) und Keith Morris (voc) werfen sich mit ihm in den Opener „Slice up the pie“, der das erste Album der Band seit acht Jahren in style anheben lässt. Das nach dem Abgang der bisherigen Rhythmus-Sektion neu aufgestellte Quartett braucht nicht einmal zwei Minuten und vierzig Sekunden, um klarzustellen, dass es nichts von seinen explosiven, vorwärtsdrängenden Qualitäten, von seiner hohen Kunst der hochenergetischen Verknappung eingebüßt hat. Die, wenn es denn sein muss, als eine Verdichtung und kreative Neudeutung, eine Kulmination von Sound- und Stilmerkmalen zu definieren wäre, die beginnend 1980, BLACK FLAG und die CIRCLE JERKS – bei beiden sang Morris – formulierten. OFF! brachten das aber auf ihre ganz unnachahmliche Art konzentriert zum Schwingen, kochten aus vermeintlich alten Rezepten ein verblüffend frisch anmutendes und funktionierendes Gericht. Eines, von dem mensch schwer genug bekommen konnte oder wollte, die Rolle der Gitarre und Musikalität von Coats ist dabei keine kleine. So muss „Punk“, so muss „Hardcore“! Dann Sand im Getriebe, ein Film – die Videos der Band immer eine Freude! – wurde angekündigt, doch nach dem 2014 erschienenen Album „Wasted Years“ manifestierte sich vorerst nur mehr Stückwerk. Bis jetzt! Das neue Album und der kommende Film teilen sich den Titel, und dabei steht das „LSD“ hier ganz klar nicht für eine Drogenkultur der dumben Kifferbetäubung, des Zudröhnens, sondern wenn schon, dann des „Aufdröhnens“, für die Sehnsucht, die Möglichkeit der individuellen und kollektiven Bewusstseinserweiterung. OFF! machen dazu unprätentiös ihren Sound auf, erweitern ihn – im Interview spricht Morris von neuen Farben in der verwendeten Palette – ohne sich in Experimenten um der Experimente willen zu verlieren. Die vier Instrumentals „F“, „L“, „S“, „D“ lassen die 16 anderen Stücke noch dichter, noch effektiver wirken. Von denen ist eines geiler als das andere, von den Single-Kandidaten „War above Los Angeles“ und „Kill to be heard“ über „Invisible empire“ oder „Muddy the waters“ bis zum spät platzierten Titelstück. Manchmal mutet die Musik dabei in ihrer wunderbaren Konsequenz fast schon bizarr abstrakt an, aber rhythmische Verschiebungen, Breaks, unerwartete Sounds und Ideen überladen und zerfasern die Stücke nie, die Morris wie der reife, mit allen unheiligen Wassern gewaschene Punk- und Subkulturveteran, der er nun mal ist, auf der Höhe seiner Zeit und Kunst mit seinen Vocals souverän zusammenhält. Der beste Trip seit langem!