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A WILHELM SCREAM

Lose Your Delusion

Im Punkrock können zwei Minuten eine ganze Weile sein. In dieser Zeit läuft auch schon mal ein kompletter Song durch und der nächste beginnt. Insofern gab es bei A WILHELM SCREAM, die sich in erster Linie einen Namen durch ihre halsbrecherischen, atemlosen Songs gemacht haben, definitiv Diskussionen. Welchen Eindruck hinterlässt ein zweiminütiges Intro beim Publikum, das aus nicht mehr als einer mit Bedacht gespielten Gitarre besteht? Spoileralarm: Die Rechnung geht auf. Ganz und gar nicht verspürt man das Verlangen zu skippen, vielmehr werden eine Atmosphäre und ein Spannungsbogen aufgebaut, der mit den üblichen Mitteln nicht zu erreichen gewesen wäre. Außerdem offenbaren A WILHELM SCREAM so eine bedächtige, fast verletzliche Seite, die viele ihnen gar nicht zugetraut hätten. Wie Gitarrist Trevor Reilly im Interview berichtet, ging dem Album eine Phase des Zweifelns voraus, aber nur um danach noch fester im Sattel zu sitzen. Und so ist es auch bei „Lose Your Delusion“. Nach dem Intro galoppieren die Songs los, mit Finesse und Enthusiasmus. Trotzdem hat sich aber auch alles geändert, denn selbst eine Zeile wie „Depression’s got me like a kick in the dick“ nimmt man nicht mehr als infantile Formulierung wahr, sondern nimmt sie ernst. Wann hat sich eine Punkrock-Band nach fast zwanzig Jahren Karriere schon mal solche Perspektiven geschaffen?