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TITUS ANDRONICUS

The Will To Live

Brauchen Alben eine Bedienungsanleitung? Sollten sie eine brauchen? Muss Musik so selbsterklärend sein, dass sie ohne Kontext auskommt? Selten habe ich mich „nackter“ gefühlt als nach dem Interview mit Bandkopf Patrick Stickles zu „The Will To Live“, dem siebten Album seiner Band, das gerade via Merge Records erschienen ist. Oft genug erlebe ich, dass Bands, dass Musiker:innen sich kaum öffnen wollen oder können zu ihrer Musik. Was veröffentlicht wurde, muss reichen, und wenn es keine gedruckten Texte dazu gibt, versteht man noch viel weniger. Stickles hingegen ist das exakte Gegenteil. Enorm auskunftsfreudig geht er ins Detail, erläutert Albumtitel, Songs, Musik, Coverversion, und das nicht zum ersten Mal. Ich schätze solche Offenheit, denn wenn ich eine Band, ein Album mag, will ich es auch voll erfassen und verstehen können. Es ist ein tiefer Blick in die Seele eines Musikers, der über seine bipolare Störung und deren Behandlung spricht, und darüber, wie nah Glück und Unglück – sein Cousin Matt „Money“ Miller, der in der Band Keyboards gespielt hat, starb 2021 – beieinander liegen können. Eines Musikers, der diesmal offen zugibt, seinem großen Vorbild Bruce Springsteen nachzueifern und von diesem Album als Pendant zu „Born In The USA“ spricht, ohne dass man das jedoch wörtlich nehmen sollte. Und doch, dieser „Heartland Rock“-Vibe schwingt auch hier wieder überall mit, wobei TITUS ANDRONICUS längst schon ihre eigene Klangfarbe haben und ich mich frage, warum die nicht längst schon die Fußstapfen von Frank Turner und GASLIGHT ANTHEM getreten sind. Mein Highlight auf diesem wundervoll warmherzigen Album ist übrigens eine gelungene, weil nicht auf Werktreue schielende Adaption des COCK SPARRER-Klassikers „We’re coming back“ – ein spannendes, emotionales Detail zum Refrain verrät Stickles im Interview.