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WALTZ WITH BASHIR

Die besten Filme über die reale Dimension kriegerischer Auseinandersetzungen sind weniger die, die sich mit ihren konkreten Ursachen beschäftigen, sondern mit den Menschen, die direkt daran beteiligt sind, das zeigt in gewisser Weise auch Kathryn Bigelows hervorragender neuer Film THE HURT LOCKER, der bei uns jetzt unter dem Titel TÖDLICHES KOMMANDO im Kino läuft.

Bei Ari Folmans WALTZ WITH BASHIR ist die Sache allerdings noch etwas anders gelagert, denn hier handelt es sich ja um eine Dokumentation, mit der der Regisseur seine persönlichen Erfahrungen als Soldat während des ersten Libanonkrieges im Jahr 1982 aufarbeitete.

Der gipfelte nach der Ermordung des libanesischen Präsidenten Bachir Gemayel in Massakern in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila durch die maronitische Phalange-Miliz, Racheaktionen, deren Unterstützung man dem israelischen Militär später vorwarf.

Offenbar hatte Folman über die Jahre jegliche Erinnerung an diese schrecklichen Ereignisse verdrängt, weshalb er Freunde und andere Kriegsteilnehmer aufsucht und sich von diesen ihre Erlebnisse schildern lässt.

Dabei ergibt sich kein wirklich komplettes Bild der damaligen Kriegshandlungen, dafür aber eine verstörende, unpathetische Abfolge traumatischer Erfahrungen, die oft eine an APOCALYPSE NOW erinnernde Absurdität erreichen.

Als reine Dokumentation wäre WALTZ WITH BASHIR womöglich eine etwas dröge Angelegenheit geworden, aber in Form eines Trickfilms wurde es für Folman möglich, die Erinnerungen der Soldaten in Bilder umzusetzen, die teilweise die Qualität eines surrealen Albtraums besitzen, da jeder Befragte seine individuellen Verarbeitungsmethoden entwickelt hat, ohne dass dadurch der Schrecken des Krieges weniger eindringlich oder realistisch wirken würde.

Erst ganz am Schluss gibt es echte Filmaufnahmen der Ermordeten des Massakers von Sabra und Schatila und der Hinterbliebenen, die noch mal deutlich machen, dass WALTZ WITH BASHIR ein echter Dokumentarfilm ist, nur eben im Gewand eines Zeichentrickfilms.

Ein Zeichentrickfilm für Erwachsene, der trotz einiger sehr poetischer und regelrecht humorvoller Szenen – etwa als sich ein israelischer Offizier in einer besetzten Villa einen deutschen Porno anschaut – die Kriegsgreuel in überraschend expliziter Form zeigt, und es gibt wohl kaum einen anderen Animationsfilm, der die erschütternde Darstellung von Tod und Gewalt in so einer intensiven Form bewerkstelligen würde.

Nicht nur in formaler Hinsicht ein ganz exzellenter Film, auch inhaltlich handelt es sich um eine ambivalente Verarbeitung dieses nicht gerade ruhmreichen Kapitels in der Geschichte Israels, dessen Bilder einen so schnell nicht wieder loslassen.

Und der auch durch die interessante Einbeziehung bestimmter Songs, wie „Enola gay“ von OMD oder „This is not a love song“ von PIL, die spezielle Atmosphäre der 80er einfängt. Die bereits seit Ende Mai erhältliche DVD sei hiermit noch mal wärmstens empfohlen, die mit „Making of“ und „Deleted Scenes“ als Extras aufwartet und der – süß – 16 Sticker verschiedener Größe beiliegen, mit denen man das hässliche FSK-Logo auf dem Cover überkleben kann.