BURNING HEADS

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Marketing is killing art

25 Jahre ununterbrochener Bandgeschichte sind schon ein Grund, sich selbst ein Geschenk zu machen. Die französischen BURNING HEADS tun dies in Form ihres neuen Albums „Choose Your Trap“ mit 25 Songs in bewährter Oldschool-Hardcore/Punkrock/Dub-Mixtur auf ihrem bandeigenen Label Opposite Records. Warum es nach einem Vierteljahrhundert D.I.Y. immer noch Spaß macht, wieso Politik in erster Linie im Kleinen funktioniert und weshalb die ADOLESCENTS die beste Band der Welt sind, erklärte Sänger Pierre.

Pierre, was lässt den Hitzkopf nach 25 Jahren noch brennen? Was motiviert weiterzumachen?


Wir haben einfach nie aufgehört oder darüber nachgedacht, etwas anders zu machen. Vielleicht hatten wir auch einfach niemals die Zeit dazu.

Ihr spielt sehr konstant und hattet nur wenige Mitgliederwechsel. Wie schafft man das – und habt ihr noch Kontakt zu Phil, der lange Jahre Gitarrist war?

Einige Wechsel hatten wir schon. Phil wollte einfach keinen Reggae spielen und stieg aus. Wir sind immer noch gute Freunde und sehen uns bei der Arbeit und auf Shows. Eine Zeit lang hat er bei JETSEX gespielt. Unser jetziger Gitarrist Mikis war im D.I.Y.-Punk- und Elektro-Kollektiv INFRABASS aktiv, später dann unser Roadie. Ganz am Anfang, 1987, hatten wir aber auch noch einen anderen Bassisten und einen Sänger.

Lebt ihr noch in Orléans?

Nein, unser Schlagzeuger Thomas lebt in der Nähe von Paris, Jyb, Bass, und Mikis, Gitarre, leben eher ländlich und ich bin vor zwei Jahren in die Nähe von Bourges gezogen. Bandproben werden dadurch immer schwieriger zu koordinieren, aber es geht. Orléans ist auch eher eine kleine, selbstverliebte Stadt, die immer noch von ihrem mittelalterlichen Ruhm zehrt. Vorteilhaft zum Touren ist die zentrale Lage.

Das neue Album „Choose Your Trap“ beinhaltet 25 Songs – nach 25 Jahren Bandgeschichte. Das ist kein Zufall, oder? Ein Geburtstagsgeschenk an euch selbst?

Natürlich! Zwei Jahre haben wir daran gearbeitet. Die letzten Stücke – „Pop a pill“, „Tears and blood“, „Song about nothing“ – sind erst zwei Wochen vorm Studiotermin fertig geworden, ich bin kaum mit dem Texten hinterhergekommen . Zwei waren noch von den Aufnahmen zum letzten Album übrig, „Too many kisses“ und „Choose my trap“. Es sollten aber nicht unbedingt 25 Songs werden, das ergab sich zufällig, wie übrigens alles bei uns eher ein Zufallsprodukt ist. Wir planen mit der Band so gut wie nichts, haben seit 1999 keinen Manager. Glücklicherweise haben wir dadurch alles in unserer Hand, unglücklicherweise dauert es deswegen alles immer ein bisschen länger.

2005 gründetet ihr Opposite Records, nachdem ihr zuvor unter anderem auf Epitaph und Victory veröffentlicht habt. Was waren die Gründe dafür?

2005 wurde die dafür zuständige Person unseres letzten Labels gefeuert. Deshalb sind wir auch gegangen, mitsamt den Rechten an unserem weiteren Material. Ein paar französische Labels meldeten Interesse an, aber wir wollten es auf eigene Faust versuchen. Unser Merch war seit jeher selbstverwaltet, also mussten wir das doch auch mit Tonträgern hinbekommen. Eine Art Testballon war für uns zunächst eine Split-CD mit den UNCOMMONMENFROMMARS namens „Incredible Rock Machine“. Vertrieb und Verkauf liefen gut und deshalb trauten wir uns dann ein komplettes BURNING HEADS-Album zu. Wahrscheinlich verkaufen wir auf diese Art zwar weniger als auf einem größeren Label, aber es macht uns schon stolz, auf diese Art zu arbeiten.

Ihr veröffentlicht regelmäßig Alben, tourt aber eher wenig, seit 2012 zum Beispiel nicht außerhalb Frankreichs.

Wie schon gesagt, wir machen alles alleine. Aber es entspricht auch der Philosophie der Band. Primär wollen wir Songs schreiben! In zweiter Linie live spielen und letztendlich alles selbst verwalten ... In letzter Hinsicht sind wir einfach langsam!

Online seid ihr nicht sehr aktiv. Was haltet ihr vom Internet als Promo-Tool für Independent-Bands?

Ich habe eine zeitlang die Website gepflegt und schnell gemerkt, dass alles größtenteils über MySpace oder hinterher Facebook lief. Das macht es einfacher für uns, Lebenszeichen von uns zu geben. Für neue Bands ist es durch das Netz aber aufgrund der Menge an Veröffentlichungen schwierig, überhaupt wahrgenommen zu werden. Als wir als Band anfingen, gab es ja noch kein Internet, da fand die Kommunikation über Fanzines und Campusradio statt, wofür wir ewig dankbar sein werden.

Auf eurer Website heißt es „Marketing is killing art“. Bedeutet das, die Ablehnung des Marketing macht Kunst erst lebendig? Wie erfahren Menschen dann Kunst? Und verliert Kunst ihren Wert, wenn Marketing im Spiel ist?

Für uns ist es schlicht wichtig, gute Songs zu machen. Gute Songs sprechen für sich selbst und werden verbreitet. Um mehr Musik zu verkaufen, müssten wir auf Französisch singen und langsamer spielen. Wir sind da wie bockige Kinder und machen nur, was wir wollen. Wenn davon nur wenige etwas mitbekommen, ist uns das egal. Marketing tötet Kunst dann, wenn Bands Songs nach Schema X veröffentlichen müssen, um in den Charts zu bleiben, und ihren ersten Hit immer wieder reproduzieren. Oder wenn Labelbetreiber Mitspracherecht bei den Kompositionen, dem Artwork oder sogar der Bandbesetzung haben wollen. In Frankreich nennen wir das „Wasser in den Wein kippen“, was für einen Froschfresser schon eine üble Sache ist!

Im Song „Spirit of 68“ fordert ihr die Jugend zu mehr politischer Teilhabe auf. Ironischerweise sind in Deutschland die der 68er Kulturrevolution nahestehenden Parteien seit den Neunzigern verantwortlich für Kürzungen im Sozialen und Privatisierungen im großen Stil. Betrachtest du die 68er heute noch als ein funktionierendes Vorbild?

Heute natürlich nicht mehr. Die Hippies von gestern sind die heutigen Liberalen. Der Titel ist auch eher eine Anspielung auf den „Spirit of 69“, also die Punk/Skin-Bewegung. 1968 gingen die Menschen in Frankreich auf die Barrikaden, heute rät uns das Fernsehen, besser zu Hause zu bleiben. Präsident Hollande gab sich früher als Linker und seit der Wahl entpuppt er sich als Konzernmarionette und macht Geschenke an diejenigen, die seinen Wahlkampf finanziert haben. Unsere Mittelklasse verschwindet, die Kluft zwischen Arm und Reich war noch nie so groß wie heute. Eine harte Zeit für die weniger wohlhabenden Franzosen.

Seht ihr als politische Band generell ein mangelndes politisches Interesse in der Bevölkerung? Welche NGOs hältst du für unterstützenswert?

Wenn es um Politik geht, müssen wir andere, auch lustige Wege der Mitteilung finden. Blockupy und Attac sind gut organisierte Ansätze, aber es sind auch die vielen kleinen lokalen Gruppen, die der Allgemeinheit vielleicht völlig verborgen bleiben, die aber in ihrem direkten Umfeld etwas Nützliches bewegen können. Um diese Sachen kennen zu lernen und zu vernetzen, müssen wir reisen und neugierig sein.

Der Song „Fuck LP“ vom Album „Be One With The Flames“ handelt von Jean-Marie Le Pen. Spielt ihr den seit der letzten Europawahl wieder häufiger?

Seine Aktualität hat er hinsichtlich Marine Le Pen und den Wahlergebnissen des Front National nicht verloren. Wir spielen ihn zwar nicht mehr, machen aber live immer deutlich, was wir von der Le Pen-Familie halten. Momentan versucht der FN, sich in Frankreich gemäßigt zu geben. Sie sind aber immer noch die gleichen rassistischen Idioten mit einer mittelalterlichen Weltsicht. Marine Le Pen kann sich besser in Szene setzen als ihr Vater, das macht es schlimmer als vorher – sie ist ein Monster!

In „Stick your heads up high“ habt ihr Tony Adolescent als Gastsänger. Eine Split-EP mit den ADOLESCENTS habt ihr auch gemacht. Wie kam es zu dieser Freundschaft?

ADOLESCENTS! For life! Das blaue Album höre ich, seit ich denken kann. Wir haben mit ihnen in Genua auf ihrer ersten Europatour gespielt und dort habe ich Tony und Steve gesagt, dass wir seit zwanzig Jahren „No way“ auf fast jedem BURNING HEADS-Konzert spielen. Sie sind der Beweis, dass man zugleich Kinder und auch eine Band haben kann, und damit ein gutes Vorbild für mich. Sie zeigen, dass gute Songs zeitlos sind und mich persönlich Jahrzehnte begleiten und immer noch berühren. Ihre neuen Alben sind fantastisch. In Berlin sollen sie auf der letzten Tour 43 Songs hintereinander gespielt haben.