RED CITY RADIO

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Zeitmaschine, bitte

Das verflixte dritte Album ist für viele Bands schon zum Stolperstein (oder besser Grabstein) ihrer Karriere geworden. Mit ihrem selbstbetitelten Album schaffen es die vier Männer aus Oklahoma City jedoch fantastisch, ihre Musik auf ein weiteres hohes Level zu hieven, und lassen dabei sicher niemanden unzufrieden zurück. Wo früher vielleicht noch der straighte Punkrock-Song zu hören war, klingt ein wenig mehr Rock durch. Was gleich geblieben ist, ist die Stimme von Sänger Garrett Dale, seine Texte zum Fäuste recken und Mitsingen. Warum es wichtig ist, Veränderungen zu akzeptieren und man nie stillstehen sollte, erklärt der Sänger im Interview.

Wie kommt es, dass ihr nach all den Veränderungen, die RED CITY RADIO in den letzten Jahren durchlebt habt, euer neues Album nun einfach „Red City Radio“ genannt habt?


Die Entscheidung ist im Studio während der Aufnahmen gefallen. Wir hatten schon ein paar Ideen für Titel gesammelt, dabei merkten wir, wie sich dieses Mal alles fast schon von selbst zusammenfügte. Schon beim Aufnehmen wurde uns klar, dass wir sehr stolz auf dieses Album sein werden und vor allem sehr zufrieden mit der Richtung, in die wir uns mit unseren neuen Sachen bewegen. Alle Songs auf dem Album sind vollkommen wir. Der Titel könnte für uns so etwas wie eine Erinnerung daran zu sein, dass wir sind, wer wir sind. Das Einzige, das sich wohl nie ändern wird, ist, dass wir uns auch gerne vom Zufall leiten lassen.

Wenn du sagst, dass für euch alles natürlich zusammengewachsen ist, welche Inspiration hat euch dieses Mal ursprünglich angetrieben?

Dieses Mal ging es uns vor allem das Positive und Negative im Leben, die Liebe und die Suche nach Stabilität. Es gibt viele sehr persönlich Songs, wie zum Beispiel „Pretend kings“, „Stranger“ und „... I’ll catch a ride“. Wenn sich das, was ich bei den Songs empfunden habe, auf die Hörer überträgt, wäre das fantastisch.

Als 2013 „Titles“ erschien, habt ihr eure erste Tour als Headliner gespielt. Hat dich das Reisen auch künstlerisch verändert?

Durch die Möglichkeit, diese wilde und wundervolle Welt zu bereisen und dabei Leute jeglicher Couleur zu treffen, habe ich, glaube ich, Einblick in gewisse Zusammenhänge auf unserer Erde gewonnen, die sich vorher nicht so klar gesehen habe. Dazu kommt, dass ich nun die unterschiedlichen Kulturen, die ich dabei kennen gelernt habe, viel mehr zu schätzen weiß. Es gibt nichts Besseres, als durch ein paar Reisen seinen Horizont zu erweitern. Das kann ich jedem nur wärmstens empfehlen.

Habt ihr während der Aufnahmen auch mal über den Weg nachgedacht, den ihr als Band mittlerweile zurückgelegt habt? Das neue Album klingt sehr rockig, eure erste EP dagegen war noch klar im Punkrock zu verorten. Gibt es Unterschiede, die dir besonders aufgefallen sind?

Auf jeden Fall gibt es da große Unterschiede. Doch, wie bereits erwähnt, hat es sich in den letzten Jahren alles sehr natürlich entwickelt bei uns. Die großen Brüche in der Band, etwa das Paul Pendley, unser Sänger und Gitarrist, ausgestiegen ist nach dem zweiten Album, konnten wir verkraften. Für uns sind alle Alben wie Fenster zu unserem Leben. Wenn ich mir nun unsere erste EP anhöre, „To The Sons & Daughters Of Woodie Guthrie“, ist das ein Gefühl, als ob ich eine Zeitmaschine besteige. Ich kann auf jeden Fall raushören, dass zwischen den jeweiligen Veröffentlichungen viel „gelebt“ wurde. Aber das ist doch normal und sollte auch genau so sein, oder nicht?

Kannst du dir vorstellen, dass du in deinem Leben jemals an einen Punkt kommst, an dem du dich für ein anderes Leben und gegen die Musik entscheiden wirst?

Ehrlich, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ein Leben ohne Musik gibt es für mich nicht. Die Musik ist es, die mich zu dem macht, was oder wer ich bin. Natürlich kann ich nicht für die anderen Jungs in der Band sprechen. Aber für mich war und ist Musik das absolute Zentrum des Universums. Ich kann nur schwer nachvollziehen, dass es Leute geben könnte, die keine Musik hören. Was zur Hölle sind das bloß für Menschen? Man kann ihnen doch nicht über den Weg trauen. Nein, ernsthaft: Ich meine, es war Beethoven, der einmal sagte, dass Musik eine höhere Offenbarung als jegliche Weisheit und Philosophie sei, Musik sei der Grund und Boden, in dem der Geist lebe, denkt und erfindet. Ich stimme ihm hierbei voll und ganz zu.

Da du Beethoven erwähnst: Gibt es Musiker oder Künstler, die als Inspirationen wichtig für dich waren oder sind?

Schwierige Frage. Wenn ich mich für jemanden entscheiden müsste, wäre das vielleicht Dolly Parton. Um die Geschichte abzukürzen: es geht um eine Sache, die damals mit Elvis Presley vorgefallen ist. Er hatte vor, ihren Song „I will always love you“ zu covern, dafür sollten ihm 50% der Veröffentlichungsrechte zugesichert werden. Parton lehnte dies jedoch schweren Herzens ab, weil sie die Rechte an ihren Songs nicht abgeben wollte. Alle Leute in ihrem Umfeld rieten ihr, Presley den Song singen zu lassen. Sie blieb sich aber treu und sie hat es nicht getan ist. Erst viele Jahre später dann hat Whitney Houston jedoch den Song covern dürfen, denn die Situation war nun eine andere. Die Nummer wurde auch ein Riesenerfolg. In meinen Augen ist Dolly Parton eine starke, clevere und zugleich leidenschaftliche Geschäftsfrau, ich würde sie gerne eines Tages mal treffen.

Denkst du, im Punkrock gibt es „Werte“, die man ins tägliche Leben übertragen sollte?

Das hängt natürlich davon ab, was du als Punkrock definierst. Fest steht, dass du auf jeden Fall nur das verkörpern solltest, was du gerade bist. Die Welt ist zu groß, um sich zu verstellen. Sei du selbst und gib einen Scheiß auf die Blender und den ganzen aufgesetzten Mist. Versuche, dich selbst und vor allem die Leute, die dir was bedeuten, glücklich zu machen. Wenn es Werte gibt im Punkrock, dann ist es verdammt nochmal genau das.

Bei Musikern, die mit ihrer Musik ihren Lebensunterhalt verdienen können, wandelt sich mit der Zeit oft auch die Einstellung zur Musikindustrie. Früher waren sie selbst Fans und werden auf einmal knallharte Geschäftsleute, was sie nicht wirklich zu Sympathieträgern macht. Wie beurteilst du die Entwicklung, die der Vertrieb von Musik in den letzten ungefähr zehn Jahren gemacht hat, vom Vinyl über die CD bis zu digitalen Downloads, auf die man nun jederzeit schnell zugreifen kann?

Es ist schon verrückt, was sich im Musikbusiness gerade alles tut. Auf der einen Seite ist Musik praktisch umsonst und wartet quasi nur auf der anderen Seite des Download-Buttons. Mit dem Ergebnis, dass die Musik für die Menschen womöglich an Wert verliert, ihnen auch nicht mehr so viel bedeutet. Du entwickelst kaum noch eine intensive Beziehung zu einer Band. Ich nenne es den „Netflix-Effekt“: Es scheint, als würden die Leute mehr Zeit damit verbringen, sich irgendwelche Trailer anzugucken, statt sich für einen Film oder eine Serie zu entscheiden. Aber lass mich noch die andere Seite der Medaille ansprechen, bevor das hier so rüberkommt, als sähe ich alles total schwarz. Das Internet ermöglicht Künstlern wie uns, uns viel besser mit unseren Fans zu connecten. Wir sind viel enger an den Menschen dran und können beispielsweise über Facebook, Twitter und Instagram problemlos und ohne viele Umstände mit den Leuten in Verbindung treten. Also solltest du jemals etwas von uns brauchen oder wissen wollen: du weißt, wo du uns jederzeit erreichen kannst.

Ihr habt bereits eine interessante Entwicklung hinter euch, aber was können wir in Zukunft von euch erwarten?

Expect the unexpected. RED CITY RADIO werden wachsen und sich verändern, genauso wie jedes expandierende Universum. Wir werden in der Dunkelheit herrschen und uns nehmen, was uns die Eroberung wert scheint. So wie ein Stück Pizza oder bei Gelegenheit ein Cocktail. Ihr dürft auch davon ausgehen, dass wir bei in eurer Stadt auftauchen und mit euch feiern wollen.